Lokalradios sind skeptisch

Nationalrat Thomas Aeschi will UKW-Abschaltung verhindern

Thomas Aeschi will UKW nicht abschalten – unter anderem, weil nicht alle Autos DAB+ anbieten. (Bild: Symbolbild: Unsplash/Dawid Zawiła/zvg)

Der Bundesrat will die bestehenden UKW-Konzessionen eventuell bis Ende 2026 verlängern – sehr zum Ärger von Luzerner und Zuger Lokalradios. Doch der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi will noch weiter gehen: Mit einer Motion will er die Abschaltung 2027 verhindern.

So don't become some background noise
A backdrop for the girls and boys
Who just don't know, or just don't care
And just complain when you're not there

Mit diesen Zeilen aus «Radio Ga Ga» besang die britische Rockband Queen 1984 in einer nostalgischen Ode den Aufschwung des Fernsehens, der das Radio immer mehr zum Hintergrundgeräusch verdammte. Dieser Wandel ist inzwischen längst passiert. Doch in der Schweiz steht der nächste Wandel in der Radiolandschaft bevor: vom analogen zum digitalen Radio. Seit 2014 bereitet sich die Radiobranche auf eine Abschaltung von UKW vor, gemäss ursprünglichem Plan sollte das analoge Radio Ende 2024 in der Schweiz in den Ruhestand treten.

«Ich höre in meinem 2007er-Audi-A6 mit 230’000 km auf dem Tacho ausschliesslich UKW-Radio.»

Thomas Aeschi, Zuger Nationalrat

Doch die alte Radiotechnologie könnte eine Gnadenfrist erhalten. Bundesrat Albert Rösti (SVP) beantragte eine Verlängerung des UKW-Standards bis ins Jahr 2026, ein Entscheid soll bis Ende Jahr folgen (zentralplus berichtete). Doch geht es nach dem Zuger Nationalrat Thomas Aeschi (SVP), soll UKW auch nach 2026 noch Bestand haben. Er hat während der Herbstsession eine Motion eingereicht, mit der er per 1. Januar 2027 eine neue Vergabe von UKW-Funkkonzessionen fordert.

Autos wie das von Aeschi empfangen kein DAB+

«Die Tatsache, dass er [Bundesrat, Anm. d. Red.] die Abschaltung immer wieder hinauszögert, zeigt, dass er selbst nicht an das Ende von UKW glaubt», schreibt der SVP-Fraktionschef auf Anfrage. Zudem sprächen seiner Meinung nach drei gewichtige Nachteile gegen die Abschaltung. Zum einen die Konkurrenz aus dem Ausland: Keines der Nachbarländer schaffe UKW ab. Nach dem Schweizer Konzessionsstopp würden demnach nur noch ausländische Radiosender über UKW empfangen werden.

Weiter besitze etwa ein Drittel aller Autos keinen DAB+-Empfang, so Aeschi. Diese wären weiterhin auf UKW angewiesen. «Ich höre in meinem 2007er-Audi-A6 mit 230’000 km auf dem Tacho ausschliesslich UKW-Radio.» Und letztlich sprächen auch ökologische Gründe dagegen. Denn mit der UKW-Abschaltung würden «Millionen von funktionierenden Radioapparaten von einem Tag auf den anderen zu Elektroschrott werden», wie er in der Motion schreibt.

In seinen Überlegungen verweist Thomas Aeschi auch auf den Zürcher Radiopionier Roger Schawinski. Der Gründer von Radio 1 hat mit seinem Unternehmen eine Verlängerung der UKW-Konzession um mindestens fünf Jahre beantragt. In einem Blog auf «Persönlich» führt er dazu aus, dass noch immer rund ein Viertel aller Schweizer Radio über UKW hören. Die Tonqualität sei besser als bei DAB+. Zudem sei UKW sicherheitsrelevant: «Denn im Bunker und im Luftschutzkeller funktioniert DAB+ im Gegensatz zu UKW nicht. Damit erscheint diese erzwungene nationale Abschaltung willkürlich und widersinnig», kritisiert er.

Nutzung von UKW nimmt ab

Anders sieht das jedoch Linus Bürgi, der Geschäftsführer des Luzerner Jugendradios «3Fach». Bereits zu der eventuellen Verlängerung bis 2026 schrieb Bürgi: «Dass nach der geplatzten frühzeitigen Abschaltung Ende 2022 nun sogar bis 2026 UKW-Frequenzen betrieben werden sollen, ist für uns unverständlich.» Er unterschrieb auch einen offenen Brief der IG Radiovielfalt, die die Verlängerung stark kritisierte. Eine UKW-Konzession verzerre ungerechtfertigter Weise den Wettbewerb, da klassische Radiowerbung UKW «ungleich stärker» berücksichtige.

«Für eine laufend sinkende Anzahl Nutzende die Verbreitung von UKW zu erhalten, halten wir für wenig sinnvoll.»

Linus Bürgi, Geschäftsleiter Radio «3Fach»

Zum Vorstoss von Thomas Aeschi führt Bürgi auf Anfrage aus, dass gerade bei Radios in Grenzregionen die Angst bestehe, dass ein Teil der Hörerschaft danach auf Sender aus dem Ausland wechsle. So hätten sich auch insbesondere Westschweizer Radios gegen die UKW-Abschaltung gewehrt, wie beispielsweise der «Tages-Anzeiger» schrieb.

Für Bürgi ist dies jedoch kein überzeugendes Argument. Neueste Zahlen der Arbeitsgruppe «Digitale Migration», in deren Auftrag das Marktforschungsunternehmen GfK Switzerland Zahlen zur Radionutzung erhebt, deuten auf schwindende Nutzungszahlen hin. Im Frühling 2023 hörten noch rund 8 Prozent der Radiohörerinnen exklusiv über UKW, gut ein Drittel hört sowohl digital als auch analog. Bereits die Hälfte hört ausschliesslich digital Radio.

Lokalradios sind gegen Verlängerung – auch aus ökonomischer Sicht

Ins gleiche Horn stösst er deshalb auch beim Argument mit den Autos und den Radios, die so zu Elektroschrott verkommen. «Für eine laufend sinkende Anzahl Nutzende die Verbreitung von UKW zu erhalten, halten wir für wenig sinnvoll.» Mehr noch: Um eine Verbreitung auch nach 2024 zu gewährleisten, wären Radios gezwungen, in eine veraltete Technologie zu investieren. Das sei weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll.

Das betont auch Till Petermann, Geschäftsleiter des «Jam On», eines Digitalradios aus Zug. Für ihn lenken Aeschis Argumente vom Kern der Debatte ab: «Wenn neue UKW-Funkkonzessionen vergeben werden, fliessen weiterhin Millionen Schweizer Steuerfranken in eine veraltete Technologie, von der sich der Grossteil der Branche und auch der Bevölkerung verabschiedet haben.» Er freue sich jedoch, dass Nationalrat Aeschi sich für Schweizer Radios interessiere und der Bevölkerung Schweizer Radios schmackhaft machen möchte. In Anspielung an die Halbierungsinitative fügt er als Seitenhieb hinzu: «Wir sehen deshalb erfreut der nächsten SVP-Initiative zur Erhöhung der Radiobeiträge entgegen.»

Parlament lehnte UKW-Verlängerung bereits einmal ab

Wie es für das «3Fach», das UKW noch anbietet, weiter geht, gelte es abzuwarten. Erst einmal möchte Bürgi den Entscheid für die mögliche Verlängerung bis 2026 abwarten, bevor das Jugendradio entscheide, ob es weiter auf UKW senden möchte. «Natürlich würden wir uns Planungssicherheit wünschen, die Bestrebungen, UKW zu verlängern sind aber keineswegs neu und beschäftigen die Radiobranche schon lange.»

Denn vor dem Zuger Nationalrat Aeschi hat bereits der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser 2021 versucht, die UKW-Abschaltung zu verhindern. Doch seine Motion scheiterte mit 73 zu 79 Stimmen im Nationalrat. Nun wird die Diskussion mit dem Vorstoss Aeschis in den nächsten Jahren erneut den Weg ins Parlament finden. Oder wie Queen singen würde: «Radio, what's new? Someone still loves you». Auch wenn um das «wie» noch gestritten wird.

Verwendete Quellen
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