Massgeschneiderte Leidenschaften von Lars Porrenga

Luzerner nach Tumor-Operation plötzlich im Rollstuhl

Lars Porrenga im Atelier Treger. (Bild: Marjana Ensmenger)

Schicksalsschlag und Neustart mit 25 Jahren: Die berührende Geschichte eines Menschen, der sich beruflich in einem Luzerner Männermode-Atelier und sportlich beim Badminton neu erfinden musste – und seine Lebensfreude dabei nie verloren hat.

Lars Porrengas Geschichte im Rollstuhl beginnt vor drei Jahren. Nicht etwa durch einen Sportunfall, sondern aufgrund einer missglückten Tumor-Operation. «Im Fachjargon redeten die Ärzte von einer Fehlmanipulation am rechten Becken, dies führte zu einer Lähmung des L1», erklärt der 27-Jährige. L1 bezeichnet den Lendenwirbel, ab dem die Nerven auf der rechten Seite nicht mehr so funktionieren, wie sie sollten. Wie hat er damals darauf reagiert, als man ihm die Diagnose mitteilte? Die Antwort kommt schnell: «Gar nicht, weil nicht sofort nach der Operation klar war, was genau schiefgelaufen ist.» Der Schaden zeigte sich erst mit der Zeit. 

Porrenga wusste um das Risiko, möglicherweise die Mobilität in einem der beiden Füsse zu verlieren. Von Querschnittslähmung war jedoch nie die Rede. Heute sagt der in Luzern wohnhafte 27-Jährige, die Lähmung hatte auch etwas Gutes. Es haben sich neue Türen für ihn geöffnet. Porrengas Weg zurück in ein neues Leben überrascht. Und zwar in mehrerlei Hinsicht.   

Einseitige Lähmung

Nach der missglückten Operation während der Coronapandemie ist klar: Der damals 24-Jährige ist einseitig gelähmt und muss folglich ins Schweizerische Paraplegiker Zentrum in die Rehabilitation. Querschnittsgelähmte sollen sich möglichst schnell wieder sportlich betätigen. Denn eine gute Fitness verspricht mehr Lebensqualität im Alltag. Das war bei Lars Porrenga ähnlich.  

Das Erstaunliche dabei? Ziemlich viel …

Lars Porrenga akzeptiert den Schicksalsschlag schnell. Steckt sich neue Ziele. Will möglichst viele Sportarten kennenlernen und diese mit anderen Paraplegikern ausprobieren. Vor dem Unfall war Porrenga oft als Skilehrer unterwegs – er liebt den Schnee bis heute. Jetzt hat es ihm das kleine Federbällchen mit dem runden, bespannten Netz angetan. Und Porrenga ist auf gutem Weg, zu einem der Besten der Welt im Para-Badmintonsport zu werden.  

Porrengas Weg in den Badmintonspitzensport 

Dass der Weg in Richtung Spitzensport gehen würde, hätte sich Lars Porrenga vor drei Jahren aber nicht vorstellen können. Heute ist das anders. Dafür trainiert er täglich. Kraft, Ausdauer, Athletik. Aber auch polysportive Einheiten wie Schwimmen sind angesagt. Mit Rädchen unter den Füssen kurvt er nach der Arbeit als Praktikant in einem Luzerner Schneiderfachgeschäft für Männermode ins Training.  

Vergleicht man Lars Porrengas Werdegang im Sport mit jenem in der Arbeitswelt, weisen sie gewisse Parallelen auf. Ursprünglich hat er eine Lehre als Heilpraktiker gemacht. Später diente er im Militär bis zum Oberleutnant. Und im Winter kurvte er jeweils mit Kindern über die verschneiten Hügel und gab ihnen Skiunterricht. Bis eben zu jenem Tag X, als er gelähmt aus einer Operation erwachte und gezwungen wurde, seinen beruflichen Werdegang zu überdenken.  

Dafür hat das Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil ein internes Berufsintegrationsprogramm. «Das muss man sich ähnlich wie eine Bildungsmesse vorstellen: Du kannst bei zahlreichen Berufen schnuppern und dann entscheiden, was dir am meisten zusagt. Und dann suchst du dir Stellen heraus und bewirbst dich», erinnert sich Lars Porrenga zurück.  

Bei ihm haben sich damals vor allem zwei Profile herausgeschält: Autosattler und Bekleidungsgestalter. Ersteres wurde aber relativ schnell wieder verworfen, weil dort das Arbeiten auf dem Boden erforderlich ist. Mit einem Rollstuhl eher schwierig zu meistern. Dass er sich letztlich für ein Praktikum in einem Männermode-Atelier entschied, zeichnete sich bereits während der Rehabilitation heraus.  

Er bringt Mode und Sport unter einen Hut

Unter seinesgleichen hat er sich oft über Mode unterhalten. Ein Thema, das viele Querschnittsgelähmte beschäftigt, sind die langen und unpassenden Hosen. «Der Hosenbund müsste eigentlich viel höher sein, weniger Stoff haben, und auch die Hosensäcke sind nutzlos.» Im Atelier Treger in Luzern, das für hausgemachte Accessoires und Massanzüge bekannt ist (zentralplus berichtete), hat er seine Liebe dafür entdeckt, Massanzüge, Hosenträger, Fliegen oder Einstecktücher zu schneidern, die nicht nur der Kundschaft, sondern auch ihm passen.  

Aus diesem neu erworbenen Wissen und den Gesprächen während der Rehabilitation hat sich letztlich die Vision entwickelt, eine «Mode für den adretten Herrn» im Rollstuhl zu produzieren. Und an dieser Vision wird er auch künftig arbeiten, wenn es im August mit seiner dreijährigen Lehre als Bekleidungsgestalter weitergehen wird.   

Wie wichtig Verständnis, Vertrauen und Entgegenkommen im beruflichen Umfeld auch im Hinblick auf den Badmintonsport ist, zeigt sich, als Lars Porrenga von den kommenden Europameisterschaften in Rotterdam (Niederlanden) erzählt. Dafür hat er von seinem neuen Arbeitgeber freibekommen. «Ohne diese Unterstützung wäre ich nicht da, wo ich im Badminton heute bin», weiss Porrenga. Im fünfköpfigen Team fühlt er sich vom ersten Moment an wohl, als er sich vor rund einem Jahr vorstellte. 

Vermutlich ist das einer der Gründe, weshalb er sich im Badminton langsam auch auf der internationalen Bühne einen Namen macht. Die Voraussetzungen dafür sind optimal. Denn Lars Porrenga trainiert bereits heute mit den besten zehn Athleten weltweit. Offenbar hat er auch dort eine neue Leidenschaft gefunden, die für ihn massgeschneidert ist. 

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Lars Porrenga 
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