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Restaurant-Test

«Più» Zug: Wird man hier auch hohen Ansprüchen gerecht?

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Italienisch
  • Ambiente Modern
Im viergeschossigen Zuger Postgebäude belegt seit Sommer 2022 das Restaurant «Piu» das Erdgeschoss. (Bild: hch)

Vor eineinhalb Jahren ist in der früheren Zuger Hauptpost das «Più» eingezogen. Viel Lob über die neapolitanische Küche ist seither zu hören, auch bei jenen, die über Restaurantketten erst einmal die Nase rümpfen. Wie macht sich der Bindella-Ableger in Zug? Unser Restaurant-Test zeigt es.

Das Zuger «Più» gehört zum Gastro-Imperium von Bindella, ausser in Zug wird das Konzept noch in Bern und zweimal in Zürich angewendet. Zu Restaurantketten haben viele ein etwas zwiespältiges Verhältnis. Dank zentralem Einkauf sind zwar bessere Preise und damit hochwertige Produkte möglich, was dem Gast zugutekommt. Allerdings muss ein Restaurant bei Bindella drei Millionen Franken Jahresumsatz bringen, dies bei zehn Prozent Marge. Da liegt die Versuchung nahe, einem Massengeschmack zu folgen; für Kreativität besteht so häufig wenig Spielraum.

Der Blick in die «Più»-Karte jedoch belehrt eines Besseren. Weder die Gerichte noch die Pizzas folgen dem 0815-Gusto, ganz im Gegenteil. Ergänzt wird die spannende Standard-Karte durch ein saisonales Angebot.

Vorspeise nicht nur optisch ein Kunstwerk

Wir starten denn auch gleich mit der kleinen Karte – und besser hätte der Einstieg nicht sein können. Die luftige Artischocken-Frittata mit Parmaschinken ist nicht nur optisch ein Kunstwerk, sondern harmoniert auch geschmacklich. Begleitet wird sie von etwas Pesto-Öl und einer dezenten Pecorinocrème, die selbst bei jenen ankommen dürfte, die Schafkäse sonst meiden. Und auch meine Befürchtung, das schön geschichtete Gericht mit einer Krone aus getrockneten Zwiebeln könnte beim ersten Kontakt mit dem Messer in sich zusammenfallen, erfüllte sich nicht. Vielleicht hält der Service für den zarten Parmaschinken ja besonders scharfe Messer bereit.

Meine Begleitung erfreut sich derweil am Rucolasalat mit Mandeln, Blumenkohl und Haselnüssen. Wie vieles auf der Karte ist dieser vegan. Der zarte, schön nussige Rucola kommt an einer eher dezenten Sauce und hat so gar nichts mit dem Unkraut gemeinsam, als das ihn ein Apotheker in Apulien bei einer Hausbesichtigung einmal bezeichnete. Dazu passt die aufgeschnittene Focaccia, das uns bei der Ankunft zusammen mit einem ebenfalls sehr nussigen Olivenöl auf dem Tisch erwartete.

Und die Pizza? Weich, wie sie sein soll

Vor dem Secondo – oder ganz nach Schweizer Art, dem Hauptgang – bleibt etwas Zeit, die Umgebung zu bewundern. In der altehrwürdigen Halle der früheren Hauptpost, wo die diensttuenden Beamten einst hinter massiven Holzschaltern mit gelben Einzahlungsbüchlein hantierten und Stempel auf Pro-Juventute-Briefmarken hämmerten, finden heute 120 Gäste Platz. Bei unserem Testbesuch war das Lokal voll belegt. Entsprechend hoch war der Schallpegel unter der schon immer viel zu hohen Decke.

Damit die Wartezeit für die Gäste auch in solchen Fällen nicht ausufert, belegen hier gleich zwei Pizzaiolos den beliebten neapolitanischen Teigfladen. Der Rand bei der servierten Marinara war hoch, der Teig selbst weich, für unseren Geschmack zu weich. Und dennoch haben die zwei Herren am Holzofen alles richtig gemacht. Warum?

Mandeln – auf dem Hauptgang und dem Dessert

Im «Più» hat man sich der neapolitanischen Macharbeit verpflichtet. Geht es nach der Associazione Verace Pizza Napoletana, dem «Verein zum Schutz der wahren neapolitanischen Pizza» muss sie leicht zu falten sein. Darüber hinaus dürfen nur zwei Pizzasorten serviert werden. Wie es im zehnseitigen Regelwerk heisst, besteht das echte Glück aus Tomaten, Öl, Oregano, Knoblauch (Marinara) und Mozzarella für die Margherita. Daran hält man sich auch in Zug. Zu den beiden Grundpizzas können jedoch Zutaten hinzugebucht werden, ausserdem sind verschiedene Kreationen des Chefs wählbar. Belegt sind die Pizzas mit San Marzano Pelati, die aus Kampanien viel Aromen in die Zentralschweiz bringen.

Mein Hauptgang, Thunfisch an einer Pistazienkruste, erreichte mich zur selben Zeit. Anders als häufig in Italien arbeiten Küche und Pizzaiolo in Zug also synchron. Das dazu servierte Tomaten-Zwiebel-Tartar sieht nett aus, fällt saisonbedingt aber nicht sonderlich aromatisch aus. Ganz anders die Hauptsache: Ein perfekter Fisch in einer gebratenen Geschmacksexplosion aus Nüssen und Kräutern. Das könnte man nicht besser machen. Dazu wählte ich auf Anraten des Kellners Broccoli mit Mandeln. Einzelne Chilischoten sorgen für etwas Süsse und willkommene Schärfe.

Babà al Rum: ein Klassiker für die Sinne

Mandeln scheinen eine beliebte Zutat der «Più»-Küche zu sein. Diese bedeckten auch mein Dessert. Während des Essens konnten wir bereits diskrete Blicke zur fröhlichen Runde am Nachbartisch werfen, wo Panna cotta und Tiramisu für Glücksgefühle sorgten. Noch einmal etwas mehr «Neapolità» vermittelt hingegen Babà al Rum, eine Süssspeise, die mir wohl zuletzt während meiner Jugend vorgesetzt wurde: Ein Brioche-ähnliches Gebäck in der Form eines Kräutersaitlings, gefüllt mit Vanillecreme und getränkt in Rumsirup.

Ich hatte das Gebäck zwar eher als flachen Mini-Gugelhopf in Erinnerung, doch das spielt eigentlich keine Rolle. Dem Konditor sei jedenfalls gedankt, der den Babà für den polnischen König Stanislaus I. mit Alkohol länger haltbar machen wollte. Was unserem Kellner an diesem Abend einen etwas wehmütigen Blick auf seinen Bauch bescherte. Es handle sich eben auch um sein Lieblingsdessert.

Bewertung

Preis-Leistung:
**** von *****
In Neapel kostet die Pizza um die 5 Franken – damit kann das «Più» nicht ganz mithalten. Unsere Marinara wurde für 19 Franken serviert, der Thunfisch mit Beilage kostete 45 Franken. Inbegriffen sind hochstehende Speisen. Der Vorspeisen-Salat war 15 Franken, das Antipasto des Monats (Artischocken-Frittata) kostet 22 Franken. Auf der Karte stehen viele vegetarische und überraschend viele vegane Gerichte, die Preise entsprechen dem üblichen Niveau. So auch das Dessert, der Babà al Rum wurde für 13 Franken an den Tisch gebracht.

Weniger begeistert waren wir vom offenen Rotwein. Beim Valandrea, einem Bio-Barbera, hätten wir für 10 Franken je Deziliter etwas mehr Tiefe und Format erwartet. Die Flasche Leitungswasser (chic) wurde uns zum Wein nicht verrechnet.

Service:
***** von *****
Hier könnten wir genauso gut fünf Herzen vergeben. Verdient wären sie, angefangen beim Empfang durch den Geschäftsführer und der Bedienung durch Kellner Peter wie auch durch die herzliche Verabschiedung. Der offene Wein wurde grosszügig eingeschenkt, verbunden mit dem Angebot, den Rotwein bei Nichtgefallen zu wechseln. Die Gerichte kamen in angenehmer zeitlicher Abfolge und immer mit einigen netten Worten. Das Chiliöl kam ungefragt auf den Tisch, ebenso der zweite Löffel zum Dessert: freundlich, unaufdringlich und präsent, so wünscht man sich den perfekten Service.

Ambiente:
***** von *****
Das viergeschossige Postgebäude wurde 1899 bis 1902 im Stil der italienischen Renaissance erbaut. Getafelt wird nun in der ehemaligen Schalterhalle, wo auch die Küche untergebracht ist. Der Pizzaofen befindet sich im Eingangsbereich, wo ausserdem die Weine ausgestellt sind. Die hohen Räume und Fenster erinnern an die frühere Post, auch das Lichtkonzept nahm das geschichtsträchtige Gebäude auf. Aufgrund der Raumhöhe und der geschützten Substanz, die nicht mehr Schalldämmung zulässt, ist es naturgemäss eher laut.

Die Tische stehen, wie bei Italienern üblich, recht eng zusammen. Das Interieur ist modern, unterschiedliche Bänke und Stühle sowie Bilder einheimischer Künstler sorgen im historischen Kontext für eine stilvolle Umgebung. Wer die sanitären Anlagen im Obergeschoss erreichen will, sollte gut zu Fuss sein.

Online-Auftritt
*** von *****
Der Webauftritt des «Più» Zug gastiert zusammen mit anderen auf der Bindella-Seite. Speise- und Getränkekarten sind ebenso vorhanden wie Getränkekarte und saisonale Angebote, ausserdem erfährt man einiges über die Chefs. Der einleitende Text, dass hier das «Herz der Innerschweiz tickt», entspricht wohl einer Zürcher Perspektive. Lageplan, Online-Reservation und einige Impressionen: Auf der Webseite ist darüber hinaus alles Wichtige vorhanden.

Die Rechnung gibts zuletzt, auch im «Più» Zug.
Die Rechnung gibts zuletzt, auch im «Più» Zug.
Verwendete Quellen

«Più» Zug

Adresse:
Postplatz 1
6300 Zug

Telefon:
041 711 66 06

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag: 11.30 bis 14.00 und 18.00 bis 23.00 Uhr
Freitag und Samstag: 11.30 bis 14.00 und 18.00 bis 24.00 Uhr Sonntag: 11.30 bis 22.00 Uhr
Karte
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So isst zentralplus – Vom Gourmet bis zum Fast-Food – der eat’n drink-Blog befasst sich mit alltäglichen und besonderen gastronomischen Erlebnissen aus den Kantonen Zug und Luzern.
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