Taxikrieg am Bahnhof Luzern

«Wildes Wischen» am Wochenende

Der Taxistand am Bahnhof Luzern ist ein beliebter Ort für «wilde Taxis». Zum Ärger der Lizenzierten.

(Bild: dog)

Taxifahrer ohne Bewilligung schnappen den lizenzierten Chauffeuren am Bahnhof Luzern die lukrativen Kunden vor der Nase weg. Diese sogenannten «Wilden» sind nicht nur den korrekten Taxifahrern ein Dorn im Auge, auch die Stadt kennt das Problem. Kontrollen seien jedoch schwierig.

Sonntagmorgen, vier Uhr in der Früh: Etwa zwanzig Personen – angetrunken, müde und gereizt, warten am Bahnhof Luzern auf ein Taxi. Es ist kalt und nieselt ungemütlich. Der Taxistand ist leer, der Betrieb läuft auf Hochtouren. Jedes herannahende Auto mit einem leuchtenden Schild auf dem Dach wird denn auch sofort belagert. «Wohin?», fragt der Taxichauffeur durch die halb heruntergelassene Scheibe der Beifahrertür. «In die Spitalstrasse, nicht weit», sagt ein Kunde. «Sorry, bin schon gebucht», erinnert sich der Chauffeur plötzlich. Aber bereits ein paar Meter weiter hält er erneut. «Wohin? Sursee. Okay, steig ein.»

«Die ‹Wilden› picken sich die fetten Rosinen heraus»

Das Spiel lässt sich an diesem Morgen mehrmals beobachten. Bei den Taxis, die Kunden dreist ablehnen und nur weite Fahrstrecken akzeptieren, handelt es sich um sogenannte «wilde Taxis». Diese gehen ohne Berechtigung am Bahnhof Luzern auf Kundenfang. Im Fachjargon heisse dies «wischen», wie Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen der Stadt Luzern, sagt. Zu erkennen seien sie an der ausschliesslich gelben Beleuchtung. Denn bei Taxis, die eine Bewilligung hätten, sei die Dach-Leuchte auf der Vorderseite blau-weiss. All diese Taxichauffeure hätten eine Stadtkundeprüfung absolviert. «Vor allem am Wochenende fahren die ‹Wilden› an lukrativen Stellen vorbei, um allfällige Kunden aufladen zu können. Das ist gemäss geltendem Reglement für das Taxiwesen der Stadt Luzern verboten», so Lütolf.

«Manchmal fühle ich mich wie im Krieg.»
Taxifahrer am Bahnhof Luzern

«Das ist eine absolute Sauerei», ärgert sich ein Taxifahrer, der eine Konzession für den Stand am Bahnhof besitzt. «Die ‹Wilden› picken sich die fetten Rosinen heraus und uns bleiben dann oft nur die kurzen Strecken übrig.» Dies ginge so weit, dass sie den lizenzierten Taxis am Bahnhofstandplatz sogar auch mal den Weg abschneiden würden, um die lukrativen Kunden – also jene, die lange Fahrten buchen – abzuwerben. Er habe auch schon erlebt, dass Taxifahrer aus Zürich oder Bern nach Luzern zum «Wischen» kommen. Beschimpfungen und ausufernde Wortgefechte gehörten mittlerweile zur Normalität. «Manchmal fühle ich mich wie im Krieg», so der Fahrer, der unerkannt bleiben möchte. Auch weitere Taxi-Chauffeure am Bahnhof stimmen dieser Ansicht zu. Öffentlich etwas dazu sagen möchte aber niemand.

Neue Taxi-Lizenzordnung für den Bahnhof Luzern

Seit Anfang Jahr erhalten neu 60 anstatt der bisherigen 42 Taxis eine Bewilligung für den Standplatz am Bahnhof Luzern. Die bisherigen exklusiven Konzessionen wurden auf Ende 2013 aufgelöst und neu vergeben. Insgesamt wurden 110 A-Bewilligungen (Recht auf einen Standplatz) vergeben, wovon 60 die Zusatzbewilligung für den Bahnhofplatz erhielten. Für diese müssen Taxiunternehmen neu 2000 Franken pro Jahr bezahlen und nicht wie bisher 710 Franken.

Sich jedoch auf das gleiche Niveau herabzulassen und Kunden nach ihrer gewünschten Destination zu selektieren, kommt für den erwähnten Taxifahrer nicht infrage: «Wenn ich Kunden ablehne, nur weil es sich für mich nicht lohnt, muss ich mit einer Anzeige und einer saftigen Strafe rechnen – und könnte sogar meine Lizenz verlieren. Das kann ich mir nicht leisten.»

Fahrten dürfen nicht abgelehnt werden

Tatsächlich ist ein Taxifahrer, der sich auf einem Standplatz befindet, verpflichtet, jeden Kunden mitzunehmen. In Artikel 14 der Vernehmlassung zu einer Totalrevision des städtischen Reglements über das Taxiwesen ist dies geregelt: «Jeder auf einem Taxistandplatz auf öffentlichem Grund entgegengenommene Fahrauftrag ist sofort auszuführen, es sei denn, die Fahrt könne der Taxichauffeurin oder dem Taxichauffeur aus einem bei der Person des Fahrgasts liegenden Grund nicht zugemutet werden.» Sprich: wenn die Sauberkeit des Taxis nicht gewährleistet werden kann oder ein Fahrgast randaliert oder ausfällig wird, dürfen Fahrten abgelehnt werden.

«Wer eine Fahrt ablehnt, kann verzeigt werden. Die Luzerner Polizei und die Stadt Luzern führen regelmässig Kontrollen durch», so Mario Lütolf. Jedoch sei der Aufwand für Kontrollen und allfällige Verzeigungen sehr aufwändig, besonders weil der Tatbestand klar eruiert werden müsse.

Auch vor Nachtclubs wird «gewischt»

Den Taxiunternehmen ist das Problem der «Wilden» schon länger ein Dorn im Auge. «Diese Umstände im Taxigewerbe sind für ziemlich alle Fronten unbefriedigend», sagt beispielsweise Daniel Krummenacher, Geschäftsführer von «Mc Taxi». Er habe seine Bewilligung für einen Standplatz unter anderem auch deshalb wieder an die Stadt zurückgegeben. «Ich habe schon bald bemerkt, dass das Anbieten von unserem Service ab einem Taxistandplatz eine gewisse Abhängigkeit mit sich zieht. Nun sind wir nicht mehr auf die Standplätze angewiesen. Mc Taxi wird telefonisch geordert.»

«Vielen Kunden ist es einfach wichtig, dass sie ein Taxi, egal ob mit oder ohne Bewilligung, von A nach B transportiert.»
Mario Lütolf, Leiter Stadtraum und Veranstaltungen der Stadt Luzern

Gemäss Mario Lütolf treffe man «wilde Taxis» nicht nur am Bahnhof an, sondern es werde auch vor Nachtclubs, wie beispielsweise in der Frankenstrasse oder der Baselstrasse «gewischt». Für die Fahrgäste spiele es jedoch meistens keine Rolle, in welches Taxi sie steigen. «Viele Kunden kennen den Unterschied nicht. Für sie ist es einfach wichtig, dass sie ein Taxi, egal ob mit oder ohne Bewilligung, von A nach B transportiert.» Vielfach würden auch Pauschalpreise vereinbart, worauf die seriösen Taxidienstleister in der Stadt nicht eingehen würden, da auch hierzu eine gesetzliche Grundlage bestehe, so Lütolf. 

Mangelhafte Qualität bei den Taxifahrern

Auf die Frage, ob die neue Lizenzordnung am Bahnhof Luzern (siehe Box) das Problem mit den «Wilden» entspannen würde, reagieren die befragten Taxifahrer alle gleich. Ein Chauffeur sagt stellvertretend: «Die neue Lizenzordnung wird das Taxi-Chaos nicht beheben.» Die Stimmung unter den Taxifahrern sei sehr besorgniserregend.

«Das Ventil der Selbstregulation ist komplett ausgeschaltet.»
Daniel Krummenacher, Geschäftsführer Mc Taxi

Auch was die Qualität der Dienstleister anbelangt, ist Unmut spürbar. «Wenn ich mir so manchen Taxifahrer ansehe, der nicht richtig Deutsch sprechen kann und ein äusserst ungepflegtes Erscheinungsbild hat, kommen mir alle anderen Wörter als Qualität in den Sinn», sagt Daniel Krummenacher. Zudem käme es im Taxibusiness auch vor, dass sich einige Chauffeure durch Drogenhandel etwas dazuverdienen würden. Ob Qualität, illegale Zusatzverdienste oder «Wischen»: «Das Ventil der Selbstregulation ist komplett ausgeschaltet. Bei groben Vergehen oder Missbräuchen sollte der Taxi-Führerschein für eine gewisse Zeitspanne entzogen werden können. Das würde greifen», sagt Krummenacher.

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