Rennen verboten!

Technik statt Tempo: So funktioniert Walking Football

Jubel beim Walking Football-Pilotturnier. (Bild: Martin Meienberger)

Jedes Jahr verunfallen 45'000 Personen auf Schweizer Fussballplätzen – leicht bis schwer. Die Lösung: Walking Football. In Ebikon haben wir uns das genauer angeschaut.

Sie rennen nicht über den Rasen, sie gehen dem Fussball hinterher. Auf den ersten Blick sieht das, zugegeben, gewöhnungsbedürftig aus. Erst recht, wenn sich seit Jahren regelmässig Fussballspiele ansieht, bei denen es auf dem Platz so richtig zur Sache geht. Walking Football – so wird die neue Sportart genannt – ist anders. Und das hat durchaus seine Berechtigung.

Ähnlich wie der kompetitive Vereinsfussball hat auch das «Gehen mit Ball» oder eben «Walking Football» seine Anfänge in England. 2011 wurde die Sportart auf der Insel erfunden. Seit ein paar Jahren ist Walking Football nun auch von der FIFA (Fédération Internationale de Football Association) als Sportart anerkannt.

Die Anfänge in der Schweiz liegen weniger weit zurück. 2019 fand in der Westschweiz das erste Turnier statt. Zwei Jahre später entschied die Suva gemeinsam mit dem Innerschweizerischen Fussballverband (IFV) eine Pilotserie von vier Turnieren zu starten. Beim dritten nehmen nun in Ebikon bereits acht Teams teil. Die Stimmung dabei erinnert an ein Grümpelturnier: Auf und neben dem Spielfeld wird gekämpft, aber man amüsiert sich auch gerne mal über die manchmal etwas slapstickartigen Bewegungen.

Keine Foul-Kultur

Ähnlich wie im Verbandsfussball gibt es auch beim Walking Football ein Regelwerk. Dieses besagt: Rennen ist strengstens verboten – egal ob mit oder ohne Ball. Gleiches gilt für Körperkontakt und Kopfbälle. Gespielt wird in gemischten Teams.

Teamgeist ist im Walking Football genauso wichtig wie im herkömmlichen Fussball. (Bild: Martin Meienberger)

Obwohl der Siegesgedanke im Vergleich zum kompetitiveren Fussball im Verein nicht mehr derart stark im Fokus steht, kommt er auch beim «Gehen mit Ball» nicht zu kurz. Wer bei einem solchen Turnier mitkickt, merkt schnell, dass Freude, Spielwitz und Emotionen ebenfalls Teil des Spiels sind. Keine Rolle hingegen spielen Fouls, Unsportlichkeiten, das Anfechten von Schiedsrichterentscheiden oder aggressives Spielverhalten.

Erste Skepsis ist schnell verflogen

Walking Football steht für ein gemässigtes Fussballspielen und eignet sich besonders für Menschen, die aufgrund ihres Alters oder wegen körperlicher Einschränkungen nicht mehr bei Verbandswettkämpfen mitspielen können. Der mit-tschuttende Raphael Ammann, Fussballexperte der Suva sagt: «Die Sportart ist deshalb auch für Frauen und Männer geeignet, die nach der aktiven Fussballkarriere eine Anschlusslösung suchen.»

Dies beweist die 33-jährige Ex-Spitzenfussballerin Rahel Graf. Auch sie hat sichtlich Spass an der neuen Sportart gefunden, was ihr an der Seitenlinie anzumerken ist. Hier gibt sie zwischen anfeuernden Zurufen an die Teams jedoch zu, dass sie am Anfang skeptisch gewesen sei, den Sport auch belächelt habe. Vor allem, als sie das erste Mal von dieser neuen Form des Fussballs gehört habe. Mittlerweile war sie bereits an zwei Turnieren dabei und hat ihre Meinung komplett geändert.

«Gewisse Spielerinnen legen in sechs Spielen pro Turnier à zwölf Minuten bis zu sechs Kilometer zurück.»

Raphael Ammann, Fussballexperte Suva

Auch der Zuschauerin fällt schnell auf, dass der Sport den Spielenden doch deutlich mehr abverlangt, als sein Name suggeriert. Auch ohne zu rennen kann das Tempo ziemlich anziehen. Zudem benötigt man technisches Geschick, um der angepassten Geschwindigkeit durch Freispielen beizukommen.

Untersuchungen haben ausserdem gezeigt, dass nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch das Gleichgewicht und der Muskeltonus der Spielerinnen verbessert wird. «Auch die Fitness wird verbessert: Gewisse Spielerinnen legen in sechs Spielen pro Turnier à zwölf Minuten bis zu sechs Kilometer zurück. Denn schnelles Gehen, Anhalten, die Richtung wechseln oder Rückwärtslaufen, diese Fähigkeiten braucht es auch beim Walking Football», erklärt Raphael Ammann.

Sie schätze aber nicht nur den Fussball, auch die sogenannte «dritte Halbzeit» ist Rahel Graf wichtig. Heisst: Nach den Turnieren versammelt man sich im Klubhaus, trinkt etwas und quatscht ein bisschen. So wie es sich für Fussballerinnen gehört.

Positive Pilot-Nachfrage

Ob das Pilotprojekt bald in der ganzen Schweiz weitergeführt wird, hängt nun vom Rücklauf der angemeldeten Mannschaften und dem Interesse der Spielenden ab. «Ziel ist die Zusammenarbeit mit weiteren Regionalverbänden, am Ball zu bleiben und weiter zu sensibilisieren», erklärt Raphael Ammann. Denn Walking Football könnte eine echte Chance für die Vereine darstellen, ihre älteren Mitglieder zu halten und allenfalls neue zu finden. Die ersten Pilotturniere jedenfalls waren erfolgreich, die Nachfrage wurde grösser.

Und für alle, die sich das gefragt haben: Beim Torjubel wäre Rennen erlaubt.

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