Hedwig Würsch und Ali Tabai

Zwei Luzerner Coiffeur-Urgesteine spannen zusammen – für ein Jahr

Coiffeure unter sich: Ali Tabai leitet künftig den Salon, während sich Hedwig Würsch an ihrem freien Tag auch mal von ihm die Haare schneiden lassen wird. (Bild: uus)

Seit über 100 Jahren gibt es an der Klosterstrasse 9 einen Coiffeursalon. Für Hedwig Würsch, Betreiberin von «Art of Hair», war deshalb klar, dass unbedingt ein Berufskollege das traditionsreiche Geschäft übernehmen soll. Ali Tabai hat so nicht nur eine neue Bleibe gefunden – sondern auch den richtigen Coiffeurstuhl.

Die Geschichte beginnt vor rund zwei Jahren. Ali Tabai erkundigt sich bei Hedwig Würsch, wie lange sie wohl noch an der Klosterstrasse Haare schneidet. «Ich feierte gerade mein 30-Jahr-Jubiläum im Bruchquartier – da dachte Ali wohl, ich werde nicht mehr lange hier arbeiten», sagt die damals 64 Jahre alte Würsch lachend. Sie habe ihn zwar als durchaus sympathischen Berufskollegen kennengelernt, «aber ans Aufhören dachte ich damals noch nicht».

Es ist Zeit ins Land gezogen, die Coronakrise kam und mit ihr der Lockdown (zentralplus berichtete). Ali Tabai, mit der Örtlichkeit und der Lage von «Tabai le Cheveu» an der Eisengasse schon länger nicht mehr ganz glücklich, musste sein Geschäft wegen eines Umbaus schliesslich mitten in der Krise verlassen. «Es war eine sehr intensive Zeit», resümiert der 45-Jährige.

Der Kamm bleibt in guten Händen, der Schriftzug wechselt: Hedwig Würsch schneidet ab 1. Januar für «Tabai le Cheveu». (Bild: uus)

Gleichzeitig beschloss Hedwig Würsch, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei, die Geschäftsübergabe einzuleiten. Leicht sei es ihr nicht gefallen, sagt sie. «Zuerst habe ich etwas gehadert, aber für mich war wichtig, dass das Geschäft ein Coiffeurladen bleibt. Irgendeinem Coiffeur wollte ich meinen Laden nicht übergeben. Bei Ali spüre ich aber, dass es stimmt.» Würsch kontaktiert Tabai. Dann geht es schnell.

Aus Berufskollegen wurden Freunde

Seit Oktober schneiden Würsch und Tabai nun gemeinsam an der Klosterstrasse die Haare ihrer Stammkunden. «Es hat sofort gefunkt», sagt Tabai. Für ihn hat sich in der kurzen Zeit des gemeinsamen Wirkens sogar schon eine Freundschaft entwickelt: «Hedwig hat einfach die Arme aufgemacht und mich empfangen.» Diese Offenheit sei es wohl auch, was sie über die Jahre auch im Beruf fit gehalten habe, windet er ihr ein Kränzchen. «Wir ticken ähnlich», sagt Würsch. So würden sie die Passion für den Beruf teilen, aber auch den hohen professionellen Anspruch, der sich im etwas höheren Preis der Dienstleistung niederschlägt.

«Stilikone David Bowie hätte ich gerne einmal die Haare gemacht.»

Ali Tabai

Gemeinsam ist den beiden aber auch die Erfahrung als Selbstständige: Tabai ist seit 25 Jahren im Geschäft, Würsch schneidet nun schon seit 32 Jahren an der Klosterstrasse und tingelte zuvor durch die ganze Schweiz.

Der Haarkünstler und die Psychologin mit der Schere

Wie sie ihre Professionalität ausleben, da gibt es zwischen den beiden aber dennoch Unterschiede. Das zeigt sich etwa bei der Kundschaft. Tabais Philosophie, die Haare seiner Klientel möglichst natürlich, «wie einen Massanzug» zu gestalten und mit einem «zeitlosen» Schnitt in Szene zu setzen, erhebt auch einen künstlerischen Anspruch. «Sobald jemand zu mir kommt, übergibt er mir die Verantwortung für seine Haare.» Sein Handwerk beschert ihm Kundschaft aus der ganzen Schweiz und darüber hinaus. Das spiegelt sich auch in der Antwort auf die Frage, wem er gerne einmal die Haare frisieren würde: «Stilikone David Bowie hätte ich gerne einmal die Haare gemacht», kommt es wie aus der Pistole geschossen.

Würschs Zielpublikum ist da etwas anders: «Da gibt es niemanden Speziellen, keine Prominenz, der ich gerne die Haare schneiden würde.» Wichtig sei ihr, dass jeder ihr Geschäft mit einem passenden Gefühl und einem guten Haarschnitt verlässt. Weitherum bekannt ist sie auch für ihre Kopfmassagen. Dabei sitzen auf ihrem Stuhl viele Stadtbewohner, aber auch Kunden von weiter her. Sie schätzen neben dem passenden Schnitt auch das vertraute Gespräch und die Diskretion. Denn: Hedwig Würsch gehört zu den gut informierten Menschen. Trotzdem dringt kaum etwas nach aussen.

«Bei der Schlüsselübergabe, da wird es schon ein paar Tränen geben.»

Hedwig Würsch

«Ohne dich hätte ich viel mehr Arbeit», habe einer ihrer früheren Kunden, ein Psychologe, mal zu ihr gesagt. Im Gegensatz zu damals würden ihre Kunden heute allerdings weniger offen über ihre Probleme berichten. «Damals buchten Herren im Anzug einen Termin, um bei mir ihre Sorgen aus dem Büro zu deponieren. Nebenbei schnitt ich noch etwas die Haare. Heute müssen alle perfekt sein, Probleme gibt es keine mehr.» Den letzten Satz sagt sie mit ironischem Unterton.

Und schliesslich gibt es doch eine prominente Person, die Hedwig Würsch gerne auf ihrem Stuhl sitzen gehabt hätte: Den verunglückten Formel-1-Star Ayrton Senna. «Bis zu seinem tragischen Unfall habe ich mir jedes Rennen angeschaut», sagt Würsch, während sie den Blick auf das Modell eines Formel-1-Autos richtet, das der Brasilianer gefahren hatte.

Ein alter Coiffeurstuhl als gutes Omen

Tabai wird das Geschäft zwischen dem 4. und dem 15. Januar nach seinen Wünschen umgestalten, Arbeitsabläufe optimieren und etwas umstellen. Im Schaufenster soll zudem Kunst Platz erhalten. Dass es bald anders aussieht in ihrem Laden, damit habe sie weniger Probleme, so Würsch. «Bei der Schlüsselübergabe, da wird es aber schon ein paar Tränen geben», sagt sie. Diese wird am 31. Dezember stattfinden, aus bekannten Gründen im kleinen Rahmen.

Rasch sind sich Tabai und Würsch einig geworden, dass die Geschäftsübergabe soft über die Bühne gehen sollte: Hedwig Würsch wird noch ein Jahr mit reduziertem Pensum weiterarbeiten.

Ein Gegenstand ist übrigens schon jetzt gezügelt. Bei seinem ersten Gang in den Keller des Salons ist Ali Tabai sofort ein alter Stuhl aufgefallen. «Es ist exakt dasselbe alte Modell, das ich besitze.» Auf die Antiquität habe er lange gewartet, dass nun ein zweiter ausgerechnet hier aufgetaucht ist, freut ihn ausserordentlich. Hedwig Würsch klärt auf: «Es ist der Stuhl, den ich vor 32 Jahren mit dem Geschäft übernommen habe – er gehörte dem Vorbesitzer.» Nun stehen beide wieder am Spiegel, bereit für den nächsten Schnitt. Wenn das kein gutes Omen ist.

Man beachte den Stuhl: Dieses antike Stück aus einer Zürcher Fabrik stand bereits vor über 40 Jahren im Salon an der Klosterstrasse.
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