Wiedereröffnung ohne klare Vorgaben

Wie die Luzerner Coiffeure mit der Ungewissheit umgehen

Haarkult-Inhaberin Susanne Schmid in der noch ungewohnten Arbeitskleidung. (Bild: uus)

Am 27. April dürfen die Coiffeure und Barbershops wieder Kunden empfangen. Doch welche Schutzmassnahmen tatsächlich gelten, ist noch unklar und verunsichert viele Salonbesitzer. Die Zeit drängt, um letzte Bestellungen bis zum Start zu erhalten – wenn das Material überhaupt noch erhältlich ist.

Luzern ist eine Stadt der Coiffeure. Kaum irgendwo ist die Dichte an professionellen Haareschneidern grösser als in der Leuchtenstadt. Wenn am kommenden Montag die Salons und Shops ihre Türen wieder öffnen, herrscht aber weniger der Konkurrenzkampf als vielmehr die Freude darüber, das Geschäft wieder öffnen zu können. Denn: Die erste Woche ist vielerorts bereits ausgebucht.

Der Verband hat dem Bundesrat ein Konzept für die Wiedereröffnung nach dem Corona-Lockdown unterbreitet, das offenbar so gut war, dass die Coiffeure und Barber zu den ersten gehören, die wieder ein Stück weit zur Normalität zurückkehren können. Wobei «Normalität» hier relativ zu verstehen ist: Die Vorschläge des Verbandes sehen Schutzmasken, Handschuhe, Desinfektionsmittel, Einwegmäntel, Visiere oder Wegwerfbecher für Kaffee und Mineral während der Arbeit vor.

Zudem müssen die einzelnen Salons dafür schauen, dass die Abstandsregeln umgesetzt werden können. Es obliegt ebenfalls den Salons, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Dabei gibt es aber eine Krux: Obwohl die Läden am Montag öffnen, hat der Bundesrat die Richtlinien noch nicht abgesegnet. Die Geschäfte müssen Material aber bereits jetzt bestellen und Vorkehrungen treffen – ohne zu wissen, was in wenigen Tagen tatsächlich vonnöten sein wird.

Nicht alle fühlen sich ernst genommen

Ali Tabai, der in Luzern seit 20 Jahren Haare schneidet, stösst das sauer auf. Er findet, der Bund, der Kanton und der Coiffeurverband hätten sich dabei etwas zu sehr aus der Verantwortung genommen. «Wir nehmen bereits wieder Termine auf, warten aber immer noch auf das Schutzkonzept», sagt der Inhaber von «Tabai – le cheveu» an der Eisengasse. Er wird deutlich: «Sie schicken uns an die Front, aber ohne Plan.» Dabei habe der Verband doch sein Konzept bereits vor drei Wochen eingereicht.

«Jetzt wollen wir auch vom Bundesrat ernst genommen werden, wenn es um die Wiedereröffnung geht.»

Ali Tabai, Coiffeur

Immerhin hat Coiffeursuisse inzwischen auf seiner Webseite eine Liste veröffentlicht, auf der verschiedene Anbieter von Schutzmaterial genannt sind – auch wenn noch nicht definitiv klar ist, was es alles brauchen wird und was nicht. Tabai hat in den vergangenen Tagen viele Telefonate geführt und E-Mails verschickt. «Auf der Liste waren Grossisten, die erst in zwei Wochen liefern können. Dabei weiss ich nicht einmal genau, welche Masken ich bestellen soll.»

Auch bei den Preisen herrsche keine Übersicht, einige dubiose Anbieter – die aber nicht auf der genannten Liste seien – hätten ihm auch schon Masken zu überteuerten Preisen anzudrehen versucht.

Ali Tabai vor seinem Laden in der Eisengasse in der Luzerner Altstadt.

Empfohlene Einwegumhänge sind kaum erhältlich

Tabai wünschte sich neben klareren Ansagen, dass er das Schutzmaterial von einer zentralen Stelle beziehen könnte. Doch genau darauf verzichtet der Verband, auch weil das logistisch kaum stemmbar sei. In anderen Kantonen wie Zug stellen die Behörden selber Material wie beispielsweise Schutzmasken zur Verfügung. Wucher und Beschaffungsengpässe sind so praktisch ausgeschlossen. Der Kanton Luzern fährt da, wie auch bei der Wirtschaftshilfe, eine defensivere Strategie als der Nachbarkanton (zentralplus berichtete).

Ein ungelöstes Problem sei weiter die Beschaffung der im Verbandskonzept vorgeschlagenen Einwegumhänge. «Die bekommen zum Teil die Ärzte nur sehr schwer», sagt Ali Tabai. Der Luzerner hofft nun, dass bis zum 27. April etwas Bewegung in die Sache kommt. «Als Coiffeure sind wir Profis im direkten Kundenkontakt.» Man habe das Virus ernst genommen und die Geschäfte am 16. März subito geschlossen. «Jetzt wollen wir auch vom Bundesrat ernst genommen werden, wenn es um die Wiedereröffnung geht.»

Bartschneiden mit Plexiglas-Visieren

Klar ist: Die Zeit drängt und ist eigentlich zu knapp, um auf den Bundesrat zu warten. Die Coiffeure müssen sich selbst helfen. So richtet sich etwa Doris Krauer, die bei Haarkult im Tribschenquartier schneidet, nach den Empfehlungen des Verbandes. «Wir haben Schutzmasken bestellt und werden nur jede zweite Station bedienen», sagt sie. Zudem habe man Plexiglas-Visiere bestellt, um überall dort, wo man Leuten nahe ans Gesicht kommt, zusätzlichen Schutz zu haben. «Etwa beim Bartschneiden oder um Make-up aufzutragen.»

«Es ist mir bewusst, dass es bei vielen auch um die Existenz geht.»

Mirjam Blättler-Ambauen, Präsidentin Coiffeursuisse Zentralschweiz

Auch das Haarewaschen sei weiterhin möglich, aber so angelegt, dass die Kunden durch Trennwände zusätzlich geschützt sind. Die Handschuhe seien sowieso kein Problem, die habe man beim Haarefärben im Einsatz und entsprechend schon auf Vorrat vorhanden. Einzig bei den Einwegmänteln herrsche zurzeit ein Engpass, den es zu lösen gelte, bestätigt sie. Ein paar wenige habe man noch, allerdings seien sie beim Lieferanten aktuell nicht auf Vorrat. Das könnte beim vollen Terminplan noch zum Problem werden.

Auch wenn die Informationslage nicht ganz klar ist, fühlt sich Doris Krauer vom Verband gut betreut. Das bestätigt auch ihre Chefin, Haarkult-Inhaberin Susanne Schmid, die im Geschäft gerade letzte Vorbereitungen für die Wiedereröffnung trifft. Auf der Facebook-Seite von Coiffeuresuisse stünden die Verantwortlichen auch für Fragen der einzelnen Shops bereit und informieren, «so gut sie's halt eben wissen».

Wer nicht bereit ist, soll mit Wiedereröffnung zuwarten

Beim Verband hat man einerseits Verständnis dafür, dass die Informationslage so kurz vor der möglichen Wiedereröffnung bei einigen für Unsicherheit sorgt. «Der Verband erwartet schon auch vom Bundesrat rasche Entscheidungen», sagt die Präsidentin der Zentralschweizer Sektion von Coiffeuresuisse, Mirjam Blättler-Ambauen.

Sie empfiehlt ihren Mitgliedern, einen Stock an Material zu bestellen, so dass sie ihre Arbeit zumindest wieder aufnehmen können. Und sie bestätigt: «Es ist so, dass wir uns jetzt alle selbst informieren und organisieren müssen.» Vom Bundesrat erwartet sie, dass er in den nächsten Tagen definitive Weisungen herausgibt. Auch sie hätte sich ein etwas rascheres Vorgehen gewünscht. Die Nidwaldnerin sieht sich allerdings nicht in der Rolle, als Verbandsmitglied die Bereitstellung von Schutzmasken und anderem Material zu übernehmen. Sie setzt auf die Eigenverantwortung der Coiffeure.

Wenn es dabei Bedenken gäbe, dass in der kurzen verbleibenden Zeit die Massnahmen umgesetzt werden können, empfiehlt sie, mit der Eröffnung noch eine Woche zuzuwarten. «Es ist mir bewusst, dass es bei vielen auch um die Existenz geht. Eine Woche wird die Situation aber in den meisten Fällen nicht entscheidend beeinflussen.»

Und: Die Wiedereröffnung am 27. April sei eine Möglichkeit und keine Pflicht. Sie persönlich freue sich darauf, ab nächstem Montag wieder erste Kunden empfangen zu können. 

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