Sanierung der alten Lorzentobelbrücke

Herkulesaufgabe: Ein Zuger Wahrzeichen wird aufgefrischt

Werner Portmann (l.) und Pascal Leibacher auf dem Gerüst, das die alte Lorzentobelbrücke derzeit umhüllt. (Bild: wia)

Die alte Lorzentobelbrücke ist ein imposantes Bauwerk. Bewusst hat sich die Bevölkerung in den 80ern für ihren Erhalt stark gemacht. Nun muss sie – mit riesigem Aufwand und viel Liebe – saniert werden. Ein Blick auf eine sonderbare Baustelle, die selbst für langjährige Fachleute nicht alltäglich ist.

Es ist heute kaum noch vorstellbar: Bis Mitte der 80er-Jahre bildete die alte Lorzentobelbrücke die Hauptverkehrsachse zwischen Zug und den Berggemeinden. Weil sie zu schmal war, wurde der Verkehr mittels Rotlicht einspurig geführt. Dass sich der Stau heute nicht bis in die Stadt hinunter zieht, ist der neuen Tobelbrücke zu verdanken respektive der Mehrheit der Stimmbürgerinnen, die für deren Bau gestimmt hatte.

Dass die alte Sandsteinbrücke noch immer steht, ist ebenfalls den Zuger Stimmbürgern geschuldet, erzählt Werner Portmann, der Leiter der Abteilung Kunstbauten beim Kanton Zug, während er in Richtung des Monuments geht. «Ursprünglich sollte die alte Lorzentobelbrücke nämlich nach der Eröffnung der neuen Brücke gesprengt werden.» Es war unter anderem der frühere Baarer Gemeindepräsident Jürg Dübendorfer selig, der sich für den Erhalt starkgemacht hatte. Mit Erfolg.

Heute ist die Bogenbrücke im Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz als schützenswertes Einzelobjekt mit viel Substanz aufgelistet. Zu Recht. Doch auch im Ensemble mit der neueren Beton- und der alten Holzbrücke im Tobel macht die Brücke eine gute Falle.

Die neue und die alte, eingerüstete Lorzentobelbrücke. (Bild: wia)

Der alte Bau braucht viel Zuneigung

Bloss: Der 113-jährige Bau, der auf Baarer und Menzinger Boden steht, wurde über die Jahrzehnte durch Wind und Wetter in Mitleidenschaft gezogen und muss nun aufwendig saniert werden. Zu diesem Zweck hat der Kantonsrat einen Objektkredit von 5,27 Millionen Franken gesprochen. Der Bund übernimmt maximal rund eine Million davon.

«Gerade an Stellen, die sehr windexponiert sind, also etwa unter den Bögen, sieht man sehr deutlich, wie der Sandstein abgetragen wurde», sagt Portmann. Tatsächlich: Mancherorts ist nur noch der Mörtel sichtbar, der zwischen den Fugen steckt, während der Stein selbst Zentimeter weit zurückgegangen ist; abgewittert von Regen und Wind.

Ausserdem ist der Stein zum Teil brüchig und muss mancherorts mechanisch weggemeisselt werden. Je nachdem, wird dieser entweder durch einen neuen Sandstein ersetzt oder mit Spritzbeton aufgefüllt und nachgezeichnet. Eine Arbeit, die viel Geschick erfordert und darum von Spezialisten ausgeführt wird.

Eine neue Brückenplatte soll die Brücke abdichten

«Mancherorts wurde die Brücke durch den Regen, der auf die undichte Brückenplatte fällt, regelrecht ausgewaschen, so, dass Hohlräume entstanden sind», erklärt Pascal Leibacher, Techniker bei der Baarer Firma BG und Bauleiter der Sanierung. Aus diesem Grund wird im Zuge der Bauarbeiten auch gleich die gesamte Brückendecke erneuert.

An manchen, besonders windexponierten Stellen wurde die Brücke regelrecht abgeschliffen durch die Witterung. (Bild: wia)

Die bestehenden Hohlräume im Innern der Brücke werden nicht behandelt. «Sie beeinträchtigen die Sicherheit der Brücke nicht. Jedenfalls nicht, wenn wir diese Entwicklung nun stoppen, indem wir eine neue Platte einbauen», so Leibacher.

Zwei Dinge zeichnen dieses besondere Unterfangen speziell aus. «Neben der Naturstein-Instandsetzung ist die Gerüstung eine grosse Herausforderung.» Die Lorzentobelbrücke weist fünf Pfeiler auf, die teils in sehr steilem Gelände stehen. «Um die Gerüste zu montieren, mussten die Bauarbeiter teils mit Klettergeschirren gesichert werden. Ausserdem müssen die Einrüstungen teils aufgehängt werden. Aufgrund des Geländes können sie nicht vom Boden her aufgezogen werden», erklärt der Bauleiter.

Schwindelfreiheit erforderlich

Der Gang über die Brücke, die eine einzige Baustelle darstellt, ist ungewohnt. Das Betreten des Baugerüstes, jenseits des Brückengeländers, bedingt Schwindelfreiheit. 55 Meter unterhalb plätschert die Lorze friedlich dahin. Leibacher und Portmann steigen die schmale Gerüsttreppe hinab, bis sie direkt vor dem Pfeiler stehen.

Leibacher zeigt auf die zwei kaffeetellergrossen, runden Metallplatten, die unterhalb der Kanzeln linker- und rechterhand zu sehen sind und aus deren Mitte das Ende einer Ankerstange ragt. «Hier, bei den Kanzeln, wo die Brücke leichte Ausbuchtungen bildet, haben wir sie mit solchen Stangen gesichert, die quer durch die ganze Brücke führen und den Bau stabilisieren.» Noch ist hier nicht alle Arbeit getan. Das herausgebohrte, runde Sandsteinstück wird später wieder eingesetzt, sodass es kaum auffällt.

Unter diesem wieder eingesetzten runden Steinstück versteckt sich eine Stange, die sich quer durch die Brücke zieht. (Bild: wia)

Das Gerüst wurde so aufgebaut, dass die Arbeiter problemlos unter die Brückenbögen steigen können. Dort, unterhalb der Brücke, herrscht eine eigenartige Stimmung. Doch auch hier sind die Spuren der Witterung deutlich sichtbar. Keck hat sich das Wasser über Jahre einen Weg durch die Brücke gesucht, um dann im Brückenbogen hinabzufliessen. «In diesem Teil werden selbst die maroden Steine nicht durch neue ersetzt», sagt Portmann. Dies schlicht, weil es schwierig wäre, die Steine nachträglich im Brückenbogen zu fixieren. Man begnügt sich hernach mit der Spritzbetonmethode.

Rostige Kletterhaken und eine Materialkiste des SAC

Während der bisherigen Bauarbeiten trafen die Verantwortlichen schon auf die eine oder andere Überraschung. «So fanden wir unter der Betonplatte ein Gleisteil. Dieses dürfte von der elektrischen Strassenbahn stammen, die bis in die 50er-Jahre vom Tal nach Ägeri und Menzingen führte. Auch ein Gussrohr haben wir entdeckt, das der Länge nach durch die Brücke führt und durch das vermutlich einmal Quellwasser floss», sagt Portmann.

Von wilden Zeiten zeugen zudem rostige Kletterhaken und Ketten, die wohl lange vor der Jahrtausendwende montiert und vermutlich auch rege benutzt wurden. Leibacher dazu: «Am Fuss eines Pfeilers fanden wir zudem eine Kiste einer SAC-Sektion aus der Region. Sie war gefüllt mit altem Klettermaterial. Ich habe zwar Kontakt mit der besagten Sektion aufgenommen, niemand scheint jedoch heute noch etwas davon zu wissen.» Selbstredend werden alle Klettervorrichtungen aus der brüchigen Wand genommen.

Ein alter Kletterstand am obersten Brückenteil zeugt von wilden Zeiten. (Bild: wia)

Vorrichtungen zur Suizidprävention werden erneuert

Im Zuge der Brückensanierung werden auch die auffälligen, mannshohen Gitter ersetzt, welche die Alte Lorzentobelbrücke flankieren. Diese wurden 2006 zur Prävention von Suiziden angebracht, sind jedoch verbesserungswürdig. Künftig werden stattdessen vertikale Drahtnetze montiert, welche mit 2,30 Metern rund einen halben Meter höher und zudem noch schwieriger zu übersteigen sind.

Die Sanierungsarbeiten dauern bis zirka Ende August 2024. Die Brücke ist seit vergangenem März und bis voraussichtlich Mitte Juli 2024 für den Fuss- und Radverkehr gesperrt. Für Werner Portmann ist es ein besonderes Unterfangen. Nicht nur, da es für den 64-Jährigen eines der letzten Projekte ist, das er begleitet.

«Diese Arbeit ist selbst für mich mit meinen 30 Jahren Erfahrung als Brücken-Verantwortlicher beim Kanton keine alltägliche. Ausserdem ist sie für mich als Baarer erst recht ein schönes, anspruchsvolles Abschlussprojekt.» Er betont: «Ich bin zuversichtlich, dass wir ein erfahrenes Team hier haben, welche die Sanierung gut meistern wird.»

Die Brücke wurde 2006 mit hohen Gitterwänden versehen. Diese dienen der Suizidprävention. (Bild: wia)
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