Fremde Pflanzen bedrohen einheimische

Goldruten im Garten? Achtung: Gefängnis droht!

Hübsch, aber bedrohlich: Kanadische Goldrute breitet sich rasant aus. (Bild: hae)

Bald müssen Gärtner, die unwissend hübsche Stauden wie die kanadische Goldrute pflegen, mit einer Busse rechnen: «Fremden Fötzeln» in unseren Gärten soll der Garaus gemacht werden – weil sie Überhand nehmen und einheimische Pflanzen vertreiben könnten.

Sie glänzen gülden, treiben herrliche Knospen oder erfreuen unser Auge mit lila Blüten. Ihre Namen klingen harmlos oder kurios: Kanadische Goldrute und Aufrechte Ambrosia, Sommerflieder oder Lorbeer. Die Goldruten winken derzeit gleich büschelweise, etwa an der Autobahn beim Rathausentunnel vor Luzern, und die Lorbeerhecken begrenzen so manches Grundstück mit dichtem Grün gegen unliebsame Spienzler.

Hübsch, aber bedrohlich 

Doch diese Pflanzen, von denen es immer mehr in Gärten oder auch an öffentlichen Plätzen gibt, sind nicht nur hübsch anzusehen, sie sind vor allem auch bedrohlich: Es sind eingeschleppte oder eingeführte fremde Pflanzenarten, die sich rasch verbreiten. Mehr noch: Sie können die einheimische Flora verdrängen, die Landwirtschaft schädigen – oder gar Menschen gefährden. Ambrosia heisst auf Deutsch Götterspeise, die Goldrute hat ein allerliebstes Aussehen. Doch da versteckt sich Gefährliches hinter den hübschen Namen.

«Tatsächlich stelle ich fest, dass in vielen Gärten und auf öffentlichen Brachen immer mehr ausländische Pflanzen überhandnehmen», sagt Reto Hunkeler, Gärtner aus Altishofen. Er ist im ganzen Kanton in vielen Gemeinden und Hunderten von Gärten unterwegs. «Lorbeer oder Sommerflieder darf zwar immer noch gekauft werden. Aber sie müssen in Zaum gehalten werden.» Gartencenter verkaufen solche Pflanzen neuerdings nur noch mit Warnhinweisen und Instruktionen, damit Gartenbesitzer sie so behandeln, dass sie sich nicht vermehren.

«Tendenziell hat sich das Problem verschärft. Invasive Neophyten profitieren vom Klimawandel.»

Peter Kull, Leiter Fachbereich Lebensräume der Dienststelle Landwirtschaft und Wald

Gemeinden warnen bereits, und auch der Bund bereitet eine Offensive gegen diese sogenannt «invasiven Neophyten», also gegen sich ausbreitende gebietsfremde Pflanzen, vor. Peter Kull, Leiter Fachbereich Lebensräume der Dienststelle Landwirtschaft und Wald im Kanton Luzern, erklärt: «Tendenziell hat sich das Problem verschärft. Invasive Neophyten profitieren vom Klimawandel. Der weltweite Handel und die rege Reisetätigkeit erhöhen zudem die Wahrscheinlichkeit, dass neue invasive Organismen auftauchen.»

Rund 100 problematische Pflanzenarten

Neu werden auch private Grundstückeigentümer zur Bekämpfung dieser pflanzlichen Eindringlinge verpflichtet. Ohne Zugriff auf die Privatgrundstücke wäre sie «wenig sinnvoll und ineffizient», heisst es in den Erläuterungen zur Gesetzesrevision, «da sich die Arten an Orten, wo sie nicht bekämpft werden, wieder rasch ausbreiten und Gebiete befallen können, in denen sie bereits bekämpft worden sind.» Die neue Grundlage sei «wegen der damit einhergehenden Beschränkung der Eigentumsgarantie und wegen der gewichtigen neuen Pflichten für die betroffenen Grundeigentümer» dringend nötig.

«Der neue Trend in vielen Gärten, zurück zur Natur zu gehen, unterstützt diese Ausbreitung.»

Reto Hunkeler, Gärtner aus Altishofen

Laut dem Bund sind von den rund 360 gebietsfremden Pflanzenarten, die sich in der Schweiz etabliert haben, rund 100 problematisch. Gärtner Reto Hunkeler ergänzt: «Der neue Trend in vielen Gärten, zurück zur Natur zu gehen und die Pflanzen vermehrt wuchern zu lassen, unterstützt diese Ausbreitung.»

Der Bund hat deshalb ein Arsenal von neuen Bestimmungen zur Verhütung, Überwachung und Bekämpfung von invasiven gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten bis Anfang September in die Vernehmlassung geschickt. Es sind dies: Kontrollen an der Landesgrenze, Massnahmen gegen die Verbreitung bis hin zur Pflicht, solche Gewächse zu melden und zu bekämpfen.

Dabei ist vor allem das Mittelland betroffen, die Voralpen sind also weniger befallen, wie Peter Kull vom Kanton sagt: «Die Probleme nehmen mit abnehmender Höhenlage zu. Sie akzentuieren sich auf Flächen, die nicht oder nur sehr zurückhaltend bewirtschaftet werden.»

Gefährdung für Mensch, Tier und Umwelt 

Als Basis für ein Stufenmodell nach Gefährlichkeit dienen Listen des nationalen Daten- und Informationszentrums Info Flora. Verboten ist etwa die gefürchtete Ambrosia, weil diese eine Gefährdung für Mensch, Tier und Umwelt darstellen. Es gelten Einfuhrkontrolle, Meldepflicht und für Behörden und Private eine Pflicht zur Tilgung.

Die Goldrute zählt zu jenen gefährlichen Arten, bei denen die Ausrottung nicht möglich oder zu aufwendig ist. Für Gartenbesitzer heisst das etwa: Sie müssen die Versamung verhindern und die Pflanzen so behandeln, dass sie nicht auf Nachbarflächen übergreifen. Die Kantone kontrollieren, ob die Grundstücksinhaber dieser Pflicht nachkommen. Falls nicht, lässt der Kanton die Massnahmen auf Kosten des Inhabers durchführen.

Listen von bedrohlichen Pflanzen finden sich im Internet, wie hier auf www.infoflora.ch. (Bild: zvg)

Reto Hunkeler stellt fest: «Viele Gemeinden leisten zwar vorbildliche Aufklärungsarbeit mit Flyern in die Haushalte und Informationsschreiben im Netz.» Aber was den Unterhalt in öffentlich brachliegenden Flächen wie etwa entlang der Autobahnen betrifft, seien die kantonal tätigen Gärtner in Verzug, vermutet Hunkeler.

Dazu der Mann vom Kanton, Peter Kull, Leiter Fachbereich Lebensräume der Dienststelle Landwirtschaft und Wald: «Die Unterhaltsdienste bemühen sich, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Grössere Sorgen als die blühenden Goldruten beim Rathausen-Tunnel bereiten ihnen aktuell wohl die blühenden Greiskräuter auf dem Mittelstreifen der Autobahn.» Diese für das Vieh giftigen Pflanzen wurden bereits mehrfach gemäht, damit sie nicht absamen können. «Sie blühen aber immer wieder auf und verursachen zusätzliche Unterhaltskosten. Dies, ohne dass die Art eliminiert werden kann.»

Bussen oder gar Gefängnis

Wenig Verständnis scheint man in Bern zu haben, denn dort macht man Druck: Es wird neben Bussen bereits die Bestrafung von Übeltätern mit Gefängnis erwägt. Der Gesetzesentwurf, der nicht nur für invasive Neophyten, sondern auch für invasive gebietsfremde Tierarten wie den gefrässigen amerikanischen Ochsenfrosch oder die Rotwangen-Schmuckschildkröte gilt, sieht eine hohe Strafandrohung vor: Wer die Vorschriften vorsätzlich verletzt, kann mit einer Busse oder bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.

Gleich zwei gefährliche «fremde Fötzel»: Kanadische Goldrute vorne und Lorbeerstrauch hinten. (Bild: hae)

Der Strafrahmen ist laut Bund deshalb so hoch, weil ein falscher Umgang mit den Invasoren schwerwiegende und irreparable Schädigungen der Umwelt und immense Kosten nach sich ziehen kann. Das begrüsst auch Peter Kull: «Grundsätzlich macht ein Bussensystem Sinn. Viel wichtiger sind aber die vorgelagerten Schritte. Nämlich, dass Private verpflichtet werden können, gewisse Arten zu bekämpfen. Bisher war dies mit Ausnahme von Ambrosia bei keiner anderen Pflanzenart möglich.»

Mehr Infos gibt es auf der Website von Infoflora. Erstauskunft liefert im Auftrag des Kantons die Umweltberatung Luzern: Tel. 041 412 32 32 und [email protected]

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