Luzerner Kantonsrat befindet sich im Wahlkampf

Von links gibt’s viermal aufs Dach – Retourkutsche kommt nicht gut an

Im Luzerner Kantonsrat wird heftig über die Steuerstrategie gestritten.

(Bild: Montage les)

Rund acht Stunden debattierte der Luzerner Kantonsrat Anfang dieser Woche: Die bürgerliche Mehrheit spielte ihre Übermacht zum wiederholten Male aus – zum Unmut von SP und Grünen. Diese schossen scharf, selber reagierten sie aber dünnhäutig.

Der Luzerner Kantonsrat hat in den letzten beiden Tagen zwei grosse Brocken behandelt: Die Steuergesetzrevision und das Mammutprojekt Aufgaben- und Finanzreform 18 (AFR18). Beiden Geschäften verhalf die bürgerliche Mehrheit zum Durchbruch – im Vorfeld schlossen CVP, FDP und SVP einen Kompromiss.

Beide Vorlagen sind eng mit der Finanzpolitik des Kantons Luzern verknüpft. Diese ist insbesondere im Wahljahr das grosse Thema. Dementsprechend heftig wurde im Rat debattiert. Dabei schossen insbesondere die SP und die Grünen scharf. Doch einmal wendete sich das Blatt.

Zielscheibe 1: Marcel Schwerzmann

Die Luzerner Regierung forderte eine Erhöhung der Firmensteuern und eine Erhöhung der Vermögenssteuern. Dies sollte Mehreinnahmen von 23,4 Millionen Franken pro Jahr bringen (zentralplus berichtete). Die Bürgerlichen handelten einen Kompromiss aus. Sie strichen die höheren Firmensteuern und befristeten die Erhöhung der Vermögenssteuern. Damit halbierten sie die erhofften Mehreinnahmen.

Die politische Linke sprach von einer Desavouierung der bürgerlichen Regierung. SP-Kantonsrat Giorgio Pardini erklärte, das käme einer «politischen Demütigung» von Marcel Schwerzmann gleich. Die bürgerliche Mehrheit sei ihrer eigenen Regierung in den Rücken gefallen.

Und was war Marcel Schwerzmanns Reaktion? Keine. Der parteilose Finanzdirektor setzte sich zu keinem Zeitpunkt für «seine» Vorlage ein. Die Nichtregierungspartei SP musste diesen Part übernehmen. Und spöttelte dementsprechend. Für den Finanzdirektor selbst war die Mehrheitsfähigkeit der Steuergesetzrevision und des AFR18 jedoch wichtiger als seine ursprüngliche Haltung. Offenbar war er über den bürgerlichen Kompromiss bestens aufdatiert und konnte gut damit leben. Grosse Emotionen sind ohnehin nicht sein Stil.

Dass Schwerzmann überhaupt höhere Firmensteuern vorschlug, begründete er übrigens schon früher mit dem Auftrag des Kantonsrats. Die CVP und die SP hatten gefordert, bei der Revision auch die Firmensteuern zu berücksichtigen. Schwerzmann setzte dies minimal und wohl widerwillig um. Dass die bürgerliche Mehrheit nun korrigierend eingriff, entspricht ziemlich sicher seinem persönlichen Gusto.

Zielscheibe 2: Die CVP

Wie bereits angetönt: Die CVP hatte die «Feinjustierung der Steuerstrategie» mitinitiiert. Die Partei hatte stets betont, dass der Kanton Luzern seine finanziellen Probleme auch über die Einnahmen lösen müsste. Zuletzt bekräftigte Guido Graf diese Haltung, als das Bundesgerichtsurteil bezüglich der individuellen Prämienverbilligung publik wurde. Auch dort werden Kosten im zweistelligen Millionenbereich auf den Kanton zukommen.

«Die CVP ist dem Diktat des Gewerbeverbandes erlegen.»

Giorgio Pardini, SP-Kantonsrat

Doch SP und Grüne attackierten die CVP scharf. Es könne nicht sein, dass die Partei so schnell einknicke und ihre eigenen Forderungen torpediere. Die CVP reagierte und erklärte, dass sie Mehrheiten mit links oder rechts habe eingehen können. Einen Spagat hätte sie dem Volk nicht verkaufen können, deshalb entschied sie sich für den breiteren Kompromiss mit FDP und SVP. Die CVP verkaufte es als Erfolg, konnten sie die beiden Parteien für die Zustimmung zu einer befristeten Erhöhung der Vermögenssteuern gewinnen. Immerhin lehnten SVP und FDP dies in der Vernehmlassung noch deutlich ab. Die CVP bezeichnete dies insbesondere mit Blick auf die Wahlen als «sehr bemerkenswert».

Zielscheibe 3: Gaudenz Zemp und der Gewerbeverband

SP und Grüne begründeten den bürgerlichen Kompromiss jedoch völlig anders. «Die CVP ist dem Diktat des Gewerbeverbandes erlegen», hiess es. Es sei ein «Kniefall». Der Gewerbeverband hatte mit einem Referendum gedroht, sollten die Firmensteuern erhöht werden. Es ist bekannt, dass viele bürgerliche Politiker in der «Gewerbegruppe Kantonsrat» sitzen. Gerade im Wahljahr ist die Unterstützung durch den einflussreichen Verband natürlich eine willkommene Unterstützung.

KGL-Direktor Gaudenz Zemp sitzt für die FDP selbst im Kantonsrat. Ihm wurde immer wieder vorgeworfen, er sei federführend gewesen beim Kompromiss. In einem Statement erklärte er fast peinlich berührt: «Die Rolle des Gewerbeverbandes wird massiv überschätzt.»

Dies deckt sich übrigens auch mit den Informationen von zentralplus. So stand die Referendumsandrohung zwar im Raum, bei der Ausarbeitung des Kompromisses blieb Gaudenz Zemp aber aussen vor. Die Gespräche haben zwischen den Parteispitzen stattgefunden, über die gemeinsame Medienmitteilung der drei bürgerlichen Parteien war der Gewerbeverband nicht informiert.

Zielscheibe 4: Armin Hartmann und der Verband Luzerner Gemeinden (VLG)

Während die ersten drei verbalen Attacken während der Debatte ums Steuergesetz lanciert wurden, geriet bei der AFR18 SVP-Kantonsrat Armin Hartmann ins Schussfeld. Als Finanzchef des VLG war Hartmann gemeinsam mit VLG-Präsident Rolf Born (FDP), Finanzdirektor Marcel Schwerzmann und Justiz- und Polizeidirektor Paul Winiker in der Projekt-Steuerungsgruppe zur AFR18. Hartmann war dem Vorwurf ausgesetzt, er nehme eine Rolle ein, die ihm so nicht zustehe. 

Hans Stutz (Grüne) betonte insbesondere auch das Legitimationsproblem des VLG. Weil die Stadt nicht vertreten sei, vertrete dieser 20 Prozent der Bevölkerung nicht. Zudem ist bekannt, dass der VLG stark bürgerlich dominiert ist. Die Grünen attackierten den Verband deswegen mehrfach (zentralplus berichtete).

SP-Präsident David Roth versuchte es mit Humor. «Ich fühle mich geehrt, nach dem Regierungsrat sprechen zu können», sagte er. Dabei war zuvor Hartmann am Mikrofon. Die Lacher im Saal verdeutlichten, dass Hartmanns Rolle nicht unumstritten ist. 

Beim Gegenangriff zeigt sich die Linke dünnhäutig

SP und Grüne teilten kräftig aus. Doch einmal wendete sich das Blatt. Adrian Nussbaum (CVP) warf den Linken vor, die «hohle Hand zu machen». Man stelle Forderungen für einen Leistungsausbau. Bei der Prämienverbilligung mit Rückendeckung des Bundesgerichts, bei anderen Bereichen (Kultur oder Staatspersonal) bediene man sein Klientel. Lösungen zur Finanzierung würden keine geliefert – und wenn, seien sie nicht mehrheitsfähig. 

Das kam gar nicht gut an. Der Adrenalinspiegel stieg bei einigen rapid an. Besonders Urban Frye (Grüne) war erbost. Er investiere als Unternehmer mehrere Millionen in diesem Kanton, erklärte er aufgebracht. Frye baut bekanntlich einen temporären Holzbau für Musikstudenten. Die Unterstellung, er mache die hohle Hand, sei unerhört.

Auch David Roth verlor ob des Angriffs kurz die Fassung und holte umgehend zum Gegenschlag aus. «Was sie machen, ist eine Politik der langen Finger», warf er den Bürgerlichen an den Kopf. Er wurde dafür von mehreren Kantonsräten kritisiert.

Fazit: Die Debatte war definitiv hitziger als auch schon. Die Vorboten der Wahlen vom 31. März sind definitiv spürbar.

So geht’s weiter

Der Luzerner Kantonsrat hat in erster Beratung sowohl die Steuergesetzrevision wie auch die Aufgaben- und Finanzreform 18 beraten. Beide sind eng mit der Steuervorlage des Bundes (STAF) verknüpft. Dies führt zu komplizierten Abhängigkeiten.

Die zweite Lesung der AFR18 findet an einer Sondersession im Februar statt. Die AFR18 soll anschliessend am 19. Mai dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Gleichzeitig entscheidet das Stimmvolk auch über den STAF. Die Steuergesetzrevision wird im Anschluss in zweiter Lesung behandelt. Auch dort ist ein Referendum möglich.

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