Der Zuger Schwinger überrascht

Der erste Schwinger, der ein Lehrer ist

Schwinger Marcel Bieri auf dem Balkon seiner Wohnung in Edlibach. Im Hintergrund der elterliche Bauernhof.

(Bild: woz)

Schwinger arbeiten traditionell eher als Bauern. Oder als Handwerker. Der 22-jährige Menzinger Marcel Bieri ist der erste Schwinger, den es in die Schule zieht: weil er Kindern gerne etwas beibringt. Auch sonst geht der junge Sportler mit seinem jüngsten Ruhm sehr gelassen um.

Sehr modern wirkt die Wohnung von Marcel Bieri in Edlibach. Zusammen mit zwei Kollegen lebt der 22-Jährige im Haus, das seine Eltern neu gebaut und vermietet haben. Vom Balkon aus, auf dem stylige Rattanmöbel zu einem gemütlichen Hock beim Feierabendbier einladen, ist der ursprüngliche Bauernhof zu sehen, den sein älterer Bruder bewirtschaftet.

Stünden nicht die riesigen Kuhglocken als Trophäen des Überraschungssiegers vom Zuger Kantonalen im Wohnzimmer und wäre nicht ein gesponserter Skoda-Combi mit dem Schriftzug Bieris vor dem Haus parkiert – man käme nicht unbedingt auf die Idee, dass hier ein Schwinger zu Hause ist.

«Früher als Kind habe ich noch beim Heuen geholfen, da konnte ich dann im Sommer nicht einfach in die Badi, das war halt so», erzählt Marcel Bieri vom Leben drüben auf dem Bauernhof. Dort werden unter anderem täglich noch 30 Milchkühe gemolken. Heute konzentriert sich der junge Sportler ganz auf sein Lehrerstudium an der Pädagogischen Hochschule in Zug. Er möchte nämlich Primarlehrer werden. Deshalb ist es auch verständlich, dass er sich als Siegprämie nicht für den Muni, sondern fürs Bargeld entschieden hat.

«Ich bin am Anfang wegen meines künftigen Berufs von Schwingerkollegen schon manchmal angezündet worden.»

Marcel Bieri, Schwinger aus Edlibach

«Es ist schon nicht so gewöhnlich, dass ich als Schwinger den Lehrerberuf eingeschlagen habe. Ich bin wohl der erste Schwinger, der ein Lehrer ist», gibt Bieri zu. Seine Schwingkollegen seien zumeist Landwirte, übten Bauberufe aus. Manche seien auch Zimmermänner – ein Beruf, in dem er auch zuerst eine Lehre absolvierte. Dann habe er die Berufsmatura und den Vorkurs gemacht. Nun studiert er an der PHZ. Wenn alles wie geplant läuft, steht er ab August 2018 in einem Klassenzimmer. Am besten in einer Zuger Primarschule.

Eins neunzig gross, 110 Kilogramm schwer

«Ich bin am Anfang wegen meines künftigen Berufs von Schwingerkollegen schon manchmal angezündet worden», berichtet Bieri und grinst. Doch er würde Kindern eben gerne etwas beibringen und habe auch schon als Schüler anderen immer gerne geholfen. Disziplinprobleme dürfte er später als Lehrer wohl kaum bekommen, wenn seine Schüler erfahren, dass er ein erfolgreicher Schwinger ist. Bieri lacht: Ein bisschen Respekt flösse seine Statur sicher ein. Kein Wunder – angesichts einer Körpergrösse von einem Meter neunzig und einem Gewicht von 110 Kilogramm.

Der Schwinger und seine Trophäen.
Der Schwinger und seine Trophäen.

(Bild: woz)

Abgesehen von seinem für Schwinger eher unüblichen Beruf als Pädagoge nimmt der Edlibacher sein Schwingerdasein auch sonst relativ gelassen hin. Sprich: Er geht mit seinem jüngsten Ruhm und seiner aussichtsreichen Zukunft als Aktiver eher bescheiden um.

«Meine beiden WG-Kollegen haben eigentlich erst jetzt so richtig mitbekommen, wie das mit dem Schwingen bei mir so ist.» Auch haben die vielen Gratulations-SMS, die er nach seinem Überraschungserfolg bei den Kantonalen in Baar (zentralplus berichtete) erhalten hat, und die vielen Hände, die er plötzlich schüttelte, sein Leben nicht wirklich verändert. «Das gehört halt dazu.»

Pizza, Schniposa & Co.

Auch beim Essen achtet er nicht speziell auf irgendwelche ausgefeilten Ernährungskonzepte. Marcel Bieri isst einfach, was ihm schmeckt: Pizza, Schniposa & Co. Und natürlich lässt er sich gerne von seiner Mutter bekochen, die mit seinem Vater unmittelbar in der Wohnung unter ihm wohnt. «Selber muss ich erst noch lernen, etwas zu kochen. Wobei es keinen Spass macht, nur für mich alleine etwas zum Essen zu machen.»

«Erst zehn Minuten vor dem Schlussgang habe ich mich kurz verkrochen, um mich zu sammeln.»

Marcel Bieri

Wenn ihm noch Zeit bleibt neben seinen acht Stunden Kraft- und Schwingtraining pro Woche, geniesst es Bieri, mit seinen Kollegen in Zug im Ausgang ein «Bierli» zu trinken. Er fieberte auch beim Public-Viewing des EVZ während des Playoff-Finals auf dem Arenaplatz mit. Vom Balkon seiner Wohnung aus ist übrigens ein EVZ-Banner zu sehen, das gegenüber an einem Fenster des Bauernhofs hängt. Im Winter zieht’s Bieri in die Berge und er fährt gerne Snowboard.

Schon viermal gegen Schuler geschwungen

Beim Schwingen selbst ist Bieri auch eher ein Vertreter der coolen Sorte. «Es gibt ja Schwinger, die sich vor einem Schlussgang eine Stunde lang irgendwohin zurückziehen, um sich ganz auf den Final zu konzentrieren.» Das ist nicht sein Ding. Beim Kantonalen habe er sich die Kämpfe seiner Kollegen vom Schwingklub Ägerital angeschaut. «Erst zehn Minuten vor dem Schlussgang habe ich mich kurz verkrochen, um mich zu sammeln.» Offensichtlich hat diese kurze Vorbereitung gereicht, um den Favoriten, Christian Schuler, überraschend zu besiegen.

Wobei Bieri seinen Triumph auch ganz nüchtern sieht: «Ich habe dieses Jahr schon viermal gegen Christian Schuler geschwungen und deshalb gewusst, worauf ich schauen muss.»

«Ich will ein Böser werden.»

Marcel Bieri

Und dennoch. Ist der Edlibacher nach seinen bisherigen Erfolgen in Pfäffikon und in Baar nicht auch ein heisser Favorit für das Eidgenössische Schwingfest in Zug, das ja 2019 über die Bühne geht? Schliesslich wäre das ja eine tolle Sache, wenn ein Zuger Schwinger in Zug gewinnen könnte.

Der Newcomer winkt ab und bleibt bescheiden. Sein Ziel sei es, 2019 zu den Eidgenossen zu gehören, also ein «Böser» zu werden. Er zähle sich nicht zu den Favoriten fürs «Eidgenössische» in Zug. Doch was jetzt nicht ist, kann ja noch werden. Dann könnte dem Dorfeinzug in Menzingen, den ihm seine Eltern spontan nach dem Sieg beim Kantonalen Schwingfest in Baar zusammen mit den ohrenbetäubenden Trychlern bereiteten, vielleicht noch ein grösserer Triumphzug in die Gemeinde folgen.

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