Monster-Pfaditreff in Japan

Ein Lego unter 34’000 Pfadern

Die Schweizer Delegation beim Einmarsch zur Eröffnungszeremonie. Im Vordergrund Marco Wicki mit einem Kudo-Horn (Bild: Marco Wicki)

Das Jamboree ist das grösste Pfadfindertreffen der Welt: 34’000 Pfadfinder aus 150 Ländern trafen sich diesen Sommer in Yamaguchi (Japan). Mittendrin: Das Luzerner Stadtoriginal Marco «Lego» Wicki. zentral+ erzählt er von der unsäglichen Hitze, dem Besuch des Prinzen samt Sackmesserverbot sowie dem Bier-Trick bei Hans.

Ob Wandern in den Bergen, Entspannen am Strand oder via Städtereise – jeder verbringt seinen Sommer so, wie es ihm gefällt. Es gibt Faulenzer und Abenteuerer. Definitiv von letzterer Sorte ist Marco Wicki – er verbrachte seine Sommerferien auf ganz spezielle Art und Weise.

Wicki ist ein Luzerner «Tausendsassa» und stadtbekanntes Original. Beruflich als Schulzahnpfleger, Hauswart, Hirschpfleger und Turmuhrenassistent tätig, privat mit den unterschiedlichsten Dingen beschäftigt. Hornschlittenrennfahrer, Uniformhut-Sammler, Mitglied einer Studentenverbindung, Artillerist, Herrgottskanonier, Gründer der Guuggenmusig Musegg-Geischter, Quartiervereinler, Mitglied des Tambourenvereins, Politiker und Pfadfinder. Die Liste ist beinahe endlos. Letzte Leidenschaft war diesen August bei «Lego», wie Marco Wicki genannt wird, besonders angesagt. Er besuchte zusammen mit 34’000 Pfadfindern aus aller Welt Japan.

Marco «Lego» Wicki besuchte das 23. World Scout Jamboree in Japan.

Marco «Lego» Wicki besuchte das 23. World Scout Jamboree in Japan.

(Bild: zvg)

Als Oldie unter Teenagern

Das 23. World Scout Jamboree fand in Yamaguchi im Süden Japans statt. Es ist das grösste Pfadfindertreffen der Welt und die eigentliche Teilnehmergruppe ist zwischen 14 und 18 Jahren alt. Als bereits etwas in die Jahre gekommener Pfadfinder übernahm Wicki die Funktion eines Dienstrover – ein sogenannter IST (International Service Team). Als einer von rund 7’000 IST’s betreute Wicki sämtliche Teilnehmer und bescherte ihnen ein tolles Jamboree.

Die Hauptaufgabe der IST’s sei das Aufrechterhalten des Programms, sagt Wicki. Dabei würden verschiede Events organisiert. «Vom Swappen, dem Tauschen von Abzeichen, Krawatten und Uniform, bis zu kulturellen Abenden ist alles dabei», erklärt Wicki. «Wir schauen einfach, das alles läuft.» Die Pfadfinder würden am Jamboree auf verschiedene Subcamps aufgeteilt, die alle wie eine kleine Stadt funktionieren würden, so Wicki. Aber die Teilnehmer sind keineswegs die ganze Zeit auf dem Gelände. So wurden die Atomomben-Stadt Hiroshima besucht oder Wanderungen unternommen. Ein Highlight sei für die Schweizer Delegation auch das Feiern des 1. August gewesen, als die rund 1’000 Schweizer ihre Heimat vorstellten und feierten.

Mit dem Kudu-Horn vor der Schweizerfahne beim Spatzzelt. BiPi, der Gründer der Pfadi, hatte in seinem ersten Lager 1907 auf der Brownsea Insel in England ein Kudu-Horn aus seiner Militärzeit in Afrika dabei und weckte damit die Pfader.

Mit dem Kudu-Horn vor der Schweizerfahne beim Spatzzelt. BiPi, der Gründer der Pfadi, hatte in seinem ersten Lager 1907 auf der Brownsea Insel in England ein Kudu-Horn aus seiner Militärzeit in Afrika dabei und weckte damit die Pfader.

(Bild: Marco Wicki)

«Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis, Pfadis aus der ganzen Welt zu treffen», sagt Wicki. Man treffe stets alte Freunde und Bekannte von früheren Jamborees und Pfadilagern. Wicki beschreibt den Pfadigeist wie folgt: «Neue Leute zu treffen, gemeinsam etwas auf die Beine stellen, Krawatten und Abzeichen tauschen – das macht das Pfadfinderleben aus.»

Kravatte als Orientierungshilfe

Wicki hat eine beeindruckende Pfadfinderlaufbahn hinter sich. Seit 1987 sei er Pfadfinder, erzählt er und bis vor einigen Jahren hatte er die Korpsleitung an der Pfadi Musegg inne. «Einmal Pfadi – immer Pfadi», so Wicki. Motiviert sei er sowieso, schliesslich wolle er nun etwas zurückgeben. «In all den Jahren habe ich so viel erlebt und gelernt. Die Faszination auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten sowie der kulturelle Austausch bewegen mich noch heute.»

Spürbar kommt Wicki ins Schwärmen und beschreibt den Charakter eines jeden Pfadfinders: «Dieser ist stets offen und hilfsbereit, verlangt viel von den Jungen. Fördern und fordern.» Und natürlich sei jeder Pfadfinder auf den ersten Blick erkennbar, dank Uniform und Pfadikrawatte. Die Krawatte führt Wicki aus, habe auch in Japan stets als Orientierung gedient. Allerdings trage man seine eigentliche Pfadikrawatte an einem Jamboree selten. «Ich habe eine Blau-Rose Krawatte erhalten, die mich ich als IST auszeichnete und zusätzlich unsere Schweizer Delegationskrawatte, diesmal rot mit weissem Rand, den Schweizer Bergen drauf und mit unserem Delegationslogo versehen.»

Das grösste Pfadfindertreffen der Welt fand dieses Jahr in Japan statt.

Das grösste Pfadfindertreffen der Welt fand dieses Jahr in Japan statt.

(Bild: zvg)

Auch der Prinz gab sich die Ehre

Was Wicki in Japan zu schaffen machte, war die unsägliche Hitze, wie er auch via Facebook offenbarte. Dennoch, bei offiziellen Anlässen trug er die Uniform immer. «Gerade bei der Eröffnung und der Schlussfeier war dies absolut Pflicht», erklärt Wicki. Sowieso seien dies besondere Momente gewesen, weil wirklich alle zusammen auf einem Haufen anwesend waren.

«Ein weiteres Highlight war der Besuch des japanischen Prinzen. Es gab ein riesiges Tamtam rund um seine Ankunft», hält Wicki fest. Dabei hätte es Rucksackkontrollen gegeben und das Tragen des Sackmessers, das zur Pfadfinderausrüstung einfach dazugehört, sei untersagt worden. «Alle waren total angespannt, nur der Prinz mit seiner Goldloorbeerkranz bestickten Mütze ist ganz locker auf die Leute zugegangen», so Wicki, der über die steifen Sicherheitsbeamten nur lachen konnte.

Auf Facebook jammert Wicki über die Hitze. Uniformtragen sei so gut wie unmöglich. Aber für Wicki natürlich dennoch Pflicht.

Auf Facebook jammert Wicki über die Hitze. Uniformtragen sei so gut wie unmöglich. Aber für Wicki natürlich dennoch Pflicht.

(Bild: Printscreen)

Kein Alkohol und Sex?

Auf dem ganzen Lagergelände herrschte ein Alkohol- und absolutes Drogenverbot. Doch Wicki kannte einen Insider: «Beim Beizer ‹Hans› konnte man sich als IST schon mit einem feinen Essen und einem kleinen Bierchen vergnügen.» Und Karaokesingen hätte auch nicht mit trockener Kehle stattfinden müssen. Angesprochen auf wildes Treiben am Jamboree verrät Wicki augenzwinkernd: «Sogenannter internationaler Austausch hat es unter den IST’s schon gegeben.»

Auf die Frage nach speziellen Delegationen kommen Wicki ganz viele in den Sinn: «Die Polen, streng uniformiert von Kopf bis Fuss sowie strikt geschlechtergetrennt. Die Amerikaner und Engländer, die mit den schnurgerade aufgestellten Zelten. Oder die Brasilianer und Mexikaner, immer in Singlaune.»

Die offizielle Leitung des Jamborees macht ein Selfie mit über 30'000 Pfadfindern.

Die offizielle Leitung des Jamborees macht ein Selfie mit über 30’000 Pfadfindern.

(Bild: zvg)

Und da sei noch die spezielle Sprach- und Denkkultur der japanischen Gastgeber gewesen, die sich so gar nicht mit der Schweizerischen deckt. «Abfalleimer kamen erst zur Halbzeit des Lagers auf das Gelände. Normalerweise nehmen Japaner ihren Dreck immer mit nach Hause», so Wicki. «Und die rund ein Drittel japanischen Hock-WC’s haben für viel Arbeit für die eingeteilten IST’s gesorgt.» Eine Geschichte erwähnt Wicki noch: «Es hat nicht alles richtig geklappt – da wurde kurzerhand der japanische Camp Chief während des Lagers gefeuert.»

Zwischen Glauben und Kommerz

Der religiöse Ursprung sei auch an einem solch riesigen Treffen wie dem Jamboree nachwievor spürbar. So hat auf dem riesigen Platz jede Religion ihr Kirchenzelt. Weiter hätten die Pfadis jeden Tag verschiedene Workshops, wo man sich zum Beispiel auch mit der eigenen oder einer fremden Religion auseinandersetzen könnne. «Als IST kann und darf man sich an seinen freien Tagen auch daran beteiligen, zudem gibt es öffentliche Gottesdienste für alle.» Der Glaube verbinde alle Pfadis und mit gegenseitiger Akzeptanz diesen gemeinsam zu leben sei etwas sehr Schönes, so Wicki.

Trotz riesigem Campingplatz, Bühne und Showacts – mit einem Party-Open-Air lasse sich das Jamboree nicht vergleichen. «Auch wenn die IST’s am einen oder anderen Ort im IST-Camp ab und zu eine Party schmeissen.» Aber es sei ja klar, was an einem solchen Grossanlass alles benötigt werde: «Supermärkte, Poststellen, Bankcontainer, Pfadi-Souvenirshops, Bademöglichkeiten – alles findet man.»

Und Wicki hat bereits Pläne für nächstes Jahr. Ans Roverway nach Frankreich, einem Pfadfindertreffen für 16- bis 22-Jährige, will er, ehe das Jahr darauf für 22- bis 26-Jährige das Rovermoot in Island auf dem Programm steht. 2018 findet dann noch das Luzerner Kantonslager statt. Und das nächste Jamboree in vier Jahren in West Virigina (USA), würde ihn natürlich auch reizen – den Mister Pfadi.

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