Missstände in der Luzerner Verwaltung

«Porno-Gate»: Das sagen die Parteien

2010 klickten Luzerner Staatsangestellte durchschnittlich 500-mal täglich auf Pornoseiten. (Bild: Fotalia)

Ein interner Bericht über die Internet-Nutzung durch Luzerner Staatsangestellte ist an die Presse gelangt. Er zeugt von einer Laisser-faire-Mentalität beim Kanton und wirft ein schlechtes Licht auf alle Kantonsangestellten. Erstaunlicherweise hält sich die Empörung der Kantonsratsfraktionen aber in Grenzen. Reaktionen, Hintergründe, und ein Tipp, wie Luzern und Emmen die IT-Sache regeln.

Der Kanton Luzern hat 2010 von einer IT-Firma untersuchen lassen, wie seine Staatsangestellten das Internet nutzen. Danach waren nur 51,7 Prozent der Seitenaufrufe geschäftlich. Ansonsten surften die Angestellten im Facebook, tummelten sich auf Porno- und Gewaltseiten, schauten Fernsehen, shoppten online oder spielten.

Der «Sonntagsblick» hat einen vertraulichen Bericht dazu publik gemacht. Die Ergebnisse sind erschreckend: Gemäss der Analyse führte jeder 20. Klick auf harte Porno- und Gewaltseiten sowie Hackerforen. Ein grosser Teil des gemessenen privaten Internetzugriffs entfiel zwar auf Pausen- und Randzeiten. Trotzdem hatten die Angestellten offenbar bis vor einigen Jahren Zugriff auf x-beliebige (Porno-)Seiten.

Während die Onlineforen von giftigen Kommentaren aus der ganzen Schweiz überquellen, schweigt der Kanton (siehe Infobox rechts). Nur soviel hat er bisher durchblicken lassen: Als Folge der Untersuchung «richtete die kantonale Verwaltung eine Sperre für Sex-, Porno-, und Gewaltseiten ein», sagt der Informationschef des Kantons Luzern, Andreas Töns, im «Sonntags-Blick». Wann die Sperre eingerichtet wurde, gab er nicht bekannt. Welche anderen Massnahmen getroffen wurden, darf der Luzerner Steuerzahler ebenfalls nicht erfahren.

Was sagen die Fraktionschefs?

Regierungsrat hüllt sich in Schweigen

Beim Kanton ist man kommunikativ auf Tauchstation gegangen. «Wir können inhaltlich momentan nicht näher auf Ihre Fragen eingehen», schreibt der kantonale Informationschef Andreas Töns zentral+. Der Luzerner Gesamtregierungsrat sei am vergangenen Freitag durch den Finanzdirektor (Marcel Schwerzmann) kurz mündlich über eine Medienrecherche des «SonntagsBlick« zu einer Internet-Nutzungsanalyse aus dem Jahr 2010 informiert worden. Gemäss Töns wird sich der Regierungsrat an seiner Sitzung vom Dienstag mit der Sache befassen und anschliessend informieren. «Bis dahin werden keine Medienanfragen zu diesem Thema beantwortet», schreibt Töns.

Monique Frey, Fraktionschefin Grüne im Luzerner Kantonsrat, findet als Frau die Vorstellung «eklig», dass ein Kollege im Nachbarbüro Pornos am Computer schaut. Dass man aber das Internet nutze in Pausen oder Randzeiten, sei heute gang und gäbe, ob beim Kanton oder bei anderen Arbeitgebern. Das sollte nach Meinung von Frey weiterhin erlaubt sein. «Wo gestempelt wird, muss man halt ausstempeln in dieser Zeit.»

Die Grüne wirft ausserdem einen weiteren Aspekt auf. Monique Frey findet an der Studie problematisch, dass die Angestellten überwacht wurden. «Der Kanton hätte die Angestellten informieren müssen, dass er ihre Internetaktivitäten überwacht. Das wäre sicher die beste Prävention gegen Missbrauch.»

SP-Fraktionschefin Priska Lorenz merkt an, dass man noch zuwenig wisse, um die Sache fundiert zu kommentieren. «Man darf aber nicht das ganze Verwaltungspersonal unter Generalverdacht stellen, was jetzt passiert», sagt Lorenz. Es sei aber auch nicht in Ordnung, dass das Internet soviel privat benutzt werde. «Inwiefern die Regierung den Bericht der Aufsichts- und Kontrollkommission hätte zur Verfügung stellen sollen, müssen wir genauer anschauen in der Fraktion.»

SVP verteidigt Verwaltung

SVP-Fraktionschef Guido Müller verteidigt die Mehrzahl der Kantonsangestellten. «Die Angestellten werden jetzt alle pauschal verdächtigt, das ist so nicht richtig.» Es gebe sicherlich Angestellte, die während der Arbeitszeit privat surften. «Ein Streifenpolizist zum Beispiel kann das aber nicht», sagt Müller. Die SVP werde das Thema diese Woche thematisieren. Sicher sei aber, dass neben Facebook alle problematischen Seiten am Arbeitsplatz gesperrt werden müssten, findet der SVP-Kantonsrat. Die Angestellten seien darauf hinzuweisen, dass sie nicht in der Arbeitszeit privat surfen dürften und bei Verstössen mit Konsequenzen rechnen müssen.

Dem Regierungsrat wirft Guido Müller vor, mangelhaft zu kommunizieren. «Die Aufsichts- und Kontrollkommission des Kantonsrats hat diesen Bericht nie zu Gesicht bekommen und erfuhr durch die Zeitung davon. Die Führungsverantwortung wurde hier nicht wahrgenommen.»

FDP und CVP wollen nur Auskunft

Die anderen bürgerlichen Parteien wollen die Sache nicht dramatisieren. FDP-Fraktionschef Rolf Born erklärt, seine Partei werde zwar Auskunft vom Regierungsrat verlangen. «Aktuell gehen wir aber davon aus, dass die Informationen aus dem Jahre 2010 stammen und die Regierung bereits gehandelt hat», schreibt Rolf Born. Man wolle Auskünfte zur privaten Nutzung des Internets durch die Mitarbeitenden, vor allem über die Weisungen und geltenden Vorgaben dazu.

Ähnlich tönt es beim Fraktionschef der CVP, Ludwig Peyer. Er könne keine Studie kommentieren, die er nicht kenne. «Ich frage mich aber grundsätzlich, welche Relevanz eine fünf Jahre alte Studie heute noch hat.» Die Aufsichts- und Kontrollkommission sollte Einblick verlangen. «Dann ist der Handlungsbedarf wahrscheinlich erledigt», sagt Peyer. Er ortet ebenfalls ein Führungsdefizit in der kantonalen Verwaltung. «Wenn man dieses korrigiert hat, ist die Sache für mich gegessen. Da muss man nicht den ganzen Kantonsrat involvieren.» Das Luzerner Staatspersonal sei sicher nicht schlechter oder besser als das anderer Kantone, fügt Peyer hinzu.

Präsidentin der Aufsichts- und Kontrollkommission sah Bericht als Einzige

Die Präsidentin der Aufsichts- und Kontrollkommission (AKK) des Kantonsrats, Nadia Furrer-Britschgi (SVP), ist die einzige Person ausserhalb der Verwaltung, welche den vertraulichen Bericht bisher zu Gesicht bekommen hat. «Die Redaktion hat mir das 54-seitige Dokument gemailt», sagt sie zentral+. Er sei von einem Luzerner IT-Unternehmen im Auftrag des Kantons erstellt worden. Der genaue Auftraggeber und die Adressaten des Berichts gingen aus dem Dokument nicht hervor, erklärt Furrer-Britschgi.

Gemäss der Kantonsrätin gibt es eine «Hitliste» der meist besuchten Seiten. «Ziemlich zuoberst rangiert das Facebook, gefolgt von Pornoseiten und von Zeitungsabos. Am meisten Zugriffe erfolgten gemäss dem Bericht jeweils um 11 und um 14 Uhr», sagt Furrer-Britschgi. 2009 sei ein erster Bericht erstellt worden, 2010 folgte ein zweiter. «In der Zwischenzeit hatten sich die Zugriffe verdoppelt», so die Kantonsrätin. Betroffen sei die gesamte Kantonsverwaltung. Furrer-Britschgi findet das Verhalten der Kantonsangestellten nicht tolerabel. Sie arbeitet selbst als Zivilstandsbeamtin. «Ein solches Verhalten am Arbeitsplatz müsste Sanktionen zur Folge haben bis hin zur Kündigungsandrohung. Die Vorgesetzten dieser Mitarbeiter sind gefordert.»

Ist die Angelegenheit mit der Sperrung der anstössigen Internet-Seiten erledigt? «Überhaupt nicht», sagt die Präsidentin der Aufsichts- und Kontrollkommission. Wie bei der Polizeiaffäre sei jemand mit dem Bericht zur Presse gegangen. «Wir fragen uns natürlich, wo das Leck ist.» Furrer-Britschgi will den vertraulichen Bericht nun den 17 Mitgliedern der Kommission zugänglich machen. Dann werde man über allfällige Forderungen beraten.

Wie Luzern und Emmen Internetnutzung regeln

Die Stadt Luzern kennt seit vielen Jahren gemäss Kommunikationschef Niklaus Zeier interne, verbindliche Weisungen zur IT-Nutzung am Arbeitsplatz. Die letzte Revision stammt aus dem Jahr 2012. «Wir nennen diese Weisungen die goldenen Regeln, jeder Angestellte mit IT-Arbeitsplatz unterschreibt sie beim Jobantritt.» Die private Nutzung der Arbeitsplatzinfrastruktur sei ausserhalb der Arbeitszeit erlaubt, erklärt Zeier. Die private Nutzung müsse sich jedoch auf ein Minimum beschränken. Zudem verpflichtet sich der Arbeitnehmer, keine beleidigenden, rassistischen oder sexistischen Inhalte zu konsumieren oder zu speichern.

«Trotz dieser Weisung gab es einige wenige Leute, die sich nicht daran hielten», erklärt Niklaus Zeier. Diese Mitarbeitenden seien sanktioniert worden. Im Mai 2013 beschloss der Stadtrat als weitere Massnahme, gewisse Kategorien von Inhalten sperren zu lassen. Gesperrt seien seither Seiten mit kriminellen Aktivitäten, Chats, Spielen, ebenso Pornoseiten, extremistische, verdächtige Seiten und Webseiten über Waffen. «Facebook ist weiterhin offen für den privaten Gebrauch ausserhalb der Arbeitszeit», sagt Niklaus Zeier.

«In der Gemeinde Emmen ist die Nutzung des Internets und der E-Mails ausschliesslich den geschäftlichen und betrieblichen Zwecken vorbehalten», erklärt Gemeindepräsident Rolf Born. Die private Nutzung sei nur ausserhalb der Arbeitszeit erlaubt. Der Zugriff auf Social Media wie Facebook, Twitter, Youtube usw. sowie auf Online-Zeitungen sei grundsätzlich nicht zulässig. «Ausnahmen sind geregelt und gelten nur für Mitarbeitende, welche diese Quellen zu beruflichen Zwecken nützen müssen», sagt Born. Die Jugendarbeit benötige zum Beispiel den Zugriff auf Youtube und müsse auf Facebook und Online-Medien kommunizieren können. Zur Verhinderung des Missbrauchs werde der Zugang zu bestimmten Internet-Adressen in der Gemeinde Emmen mittels Filtersperren beschränkt.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 17.03.2015, 14:41 Uhr

    Als Zuger habe ich geschäftlich häufig mit dem Migrationsamt des Kantons Luzern zu. Es fällt mir dabei auf, dass die Wartezeiten bei Gesuchen enorm lang sind. Ich hoffe nicht, dass privates Surfen der zuständigen BeamtInnen Grund für das monatelange Warten ist. Vielmehr vermute ich, dass die Arbeitsstellen im Migrationsamt unterdotiert sind. Luzern ist führend im Kaputtsparen des Staates, und die Diskriminierung von AusländerInnen bei Dienstleistungen des Staates kann man sich durchaus als unbewusstes Sparmotiv der bürgerlichen Politikerkaste vorstellen. Schliesslich zählen AusländerInnen als Wähler überhaupt nichts, sind deshalb vernachlässigbar. Wäre ich Ausländer in Luzern, würde ich 50 % meiner Steuern auf ein Sperrkonto einzahlen mit dem Hinweis, erst als vollwertiger Mensch wieder vollwertige Steuerleistungen zu erbringen. Weil überlange Wartezeiten auch gegen das von der Verfassung garantierte Beschleunigungsgebot verstossen, wünsche ich mir, dass die AKK auch die personelle Misere beim Migrationsamt einmal unter die Lupe nimmt.

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