Kinder sollen zu Hause betreut werden – Kita-Rechnungen dennoch fällig

Coronafalle: Berufstätige Eltern sind doppelt gestraft

Corona-Abstand – auch in den Kitas müssen die Hygienevorschriften eingehalten werden. (Bild: Adobe Stock)

Kinderbetreuung in Zeiten von Corona ist kompliziert und die Finanzierung vieler Krippen und Tagesstätten steht auf Messers Schneide. Eigentlich möchte die Politik verhindern, dass eine ganze Branche kaputtgeht – aber der helvetische Föderalismus macht eine rasche Lösung unwahrscheinlich.

«Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir nicht in der Lage sind, alle Kinder aufzunehmen», schrieb eine Kinderkrippe in Baar vor über eine Woche an die Eltern ihrer Schützlinge. Man bitte aber dennoch, die Rechnung weiter zu bezahlen, «damit unsere Fixkosten und Löhne gedeckt sind, bis geklärt ist, ob wir Vergütungen durch Bund, Kanton oder Gemeinden erhalten.»

Beigelegt war dem Schreiben auch eine Elterninformation des Kantons Zug mit ähnlichen Textbausteinen – mit der Bitte, Kinder «falls irgendwie möglich» privat zu betreuen, Rechnungen für die nicht geleistete Betreuung aber dennoch weiterzubezahlen. Man kläre derzeit die Finanzierung dieser Kosten. Da in der ganzen Schweiz Kinder vorübergehend privat statt in den Kindertagesstätten betreut werden, «ist zu erwarten, dass es diesbezüglich eine gesamtschweizerische Lösung geben wird».

Betreuungsgutscheine gibts wie bisher

Ähnliches passierte im Kanton Luzern, wo anstatt des Kantons die Gemeinden ein ähnliches Informationsschreiben versandten. Die Stadt Luzern etwa informierte in einem Elternbrief vor wenigen Tagen: «Einen Erlass der Betreuungskosten könnten die Kitas und Tagesfamilienorganisationen nicht finanzieren.» Man solle weiter bezahlen, Betreuungsgutscheine würden von der Stadt wie gewohnt versandt.

«Viele Eltern gehen davon aus, dass sie die Elternbeiträge nicht schulden, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen», erklärt Regula Huber die Notwendigkeit dieser Briefe.

Die Kommunikationsverantwortliche des Luzerner Bildungsdirektors Marcel Schwerzmann (parteilos) macht aber klar, dass Elternbeiträge dennoch geschuldet seien. Man gehe davon aus, dass Eltern ihre Kinder «aus Solidarität» zu Hause betreuen, und «freiwillig» auf eine Betreuungsleistung verzichten.

Basel-Stadt machts vor

Was freilich bedeutet, dass die Eltern oft Einschränkungen im Berufsleben und Privatleben in Kauf nehmen und etwa bei einer Pensenreduktion auch finanzielle Einbussen haben. Die Luzerner Grossstadträtin Maria Pilotto (SP) fordert daher eine klare Ansage von Exekutivpolitikern, wie es in Sachen Kita-Finanzierung weitergehen soll – zum Beispiel vom Stadtluzerner Sozialvorsteher Martin Merki (FDP). «Die Eltern haben jetzt eine klare Botschaft der Verantwortlichen verdient», sagt sie. Und verweist darauf, dass es im Normalfall allein in der Stadt Luzern 1’200 in Kitas betreute Kinder gebe.

«Wir können nicht die Wirtschaft retten, aber dafür haben wir in einigen Monaten keine Kinderbetreuung mehr.»

Andreas Hostettler (FDP), Zuger Regierungsrat

Eine Möglichkeit wäre, dass der Kanton alle Zweifel ausräumt und die Finanzierung der Kitas und Elternbeiträge für nicht in Anspruch genommene Betreuungsstunden übernimmt. So geschehen in Basel-Stadt bereits vor zehn Tagen.

Kanton Luzern duckt sich weg

In Luzern will man davon nichts wissen. Erstens, weil die Kitas in die Zuständigkeit der Gemeinden fallen, wie Regula Huber erklärt. Zweitens will sich der Kanton bei den Corona-Hilfen allein auf das Massnahmenpaket des Bundes verlassen, wie am Donnerstag bekannt wurde (zentralplus berichtete). «Das wirtschaftliche Unterstützungspaket des Bundes gilt auch für die Kitas als Unternehmen», sagt Huber. Für «Soforthilfen» an Eltern solle eine schweizweite Lösung gefunden werden, was jedoch aufgrund der Unterschiedlichkeit der Kantone «einer gewissen Zeit» bedürfe.

«Wenn die Eltern die Kitas weiterbezahlen, dann sollen die Angestellten auch ihren richtigen Lohn erhalten.»

Maria Pilotto (SP/Juso), Luzerner Grossstadträtin

Eine schweizweite Lösung ist im Moment nicht in unmittelbarer Griffnähe, wie der zuständige Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP) im Gespräch klarmacht. «Aber wir diskutieren im Kanton Zug verschiedene Lösungsmöglichkeiten intensiv.» Es sei noch nicht klar, «ob wir so grosszügig sein können, wie der Kanton Basel-Stadt», so der Zuger Direktor des Innern.

Kinderbetreuungsbranche in Gefahr

Es sei der Regierung sehr wohl bewusst, dass Eltern Einkommensausfälle hätten und Kitas in Bedrängnis seien. Es brauche Massnahmen. «Wir können nicht die Wirtschaft retten, aber dafür haben wir in einigen Monaten keine Kinderbetreuung mehr», sagt Hostettler. Diese Infrastruktur aufzubauen, habe lange Zeit und Mühe gekostet. Sie müsse bewahrt werden.

«Der Druck auf unser Personal, die Eltern sowie auf uns als Kita-Netzwerk ist enorm und wird mit dem Andauern der Krise immer grösser», sagt Fabian Haindl, Geschäftsführer von Small Foot. Das Unternehmen betreibt zwei Dutzend Krippen in den Kantonen Luzern, Aargau und Zug. Einige der grossen Mitbewerber könnten ihre Infrastrukturen kaum mehr aufrechterhalten – «teilweise wohl auch in Zukunft nicht mehr».

Hygienevorschriften gelten auch für Kitas

Selber versuche man «trotz massgeblich weniger zu betreuenden Kinder den Betrieb aufrechtzuerhalten – inklusive entsprechenden Schutzmassnahmen für Kinder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Eltern». 

«Der Druck auf unser Personal, die Eltern sowie auf uns als Kita-Netzwerk wird mit dem Andauern der Krise immer grösser.»

Fabian Haindl, Geschäftsführer Small Foot

Auf die Frage, inwieweit fürs Kita-Personal Kurzarbeit eingeführt werden kann, geht Haindl nicht ein. Da die Hygienevorschriften eingehalten werden und weniger Kinder anwesend sind, braucht es eigentlich auch weniger Betreuer.

Am Personal gespart

«Es gibt Kitas, die ihre Angestellten bereits Überzeit abbauen liessen oder sie gar in unbezahlten Urlaub geschickt haben», weiss Maria Pilotto. Solche Praktiken müssten ein Ende haben. «Wenn die Eltern schon die Kitas weiterbezahlen müssen, dann sollen die Angestellten auch ihren richtigen Lohn erhalten», sagt die Luzerner Stadtparlamentarierin.

Um die Behörden beim Bund, den 26 Kantonen und den gut 2’000 Gemeinden zwei Wochen nach dem Beschluss zur Offenhaltung der Kitas endlich dazu zu bewegen, eine gemeinsame Lösung zu finden, ist mittlerweile auch eine Online-Petition gestartet worden.

Bitte, rauft euch zusammen

Die Initiative stammt aus dem Kanton Zürich und richtet sich an die Bundesräte, Gesundheitsminister Alain Berset (SP) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP). Unter dem Titel «Eltern und Kitas in der Corona-Zwickmühle» werden klare Massnahmen und eine staatliche Entschädigung gefordert.

Kitas sind aufgrund des Notangebots und der gesicherten Plätze für Kinder von Eltern mit systemrelevanten Berufen verpflichtet, weiterhin geöffnet zu haben, erklären die Petitionäre. «Da die Empfehlungen des Bundes nicht obligatorisch sind, besteht für die Kita-Betreiber auch nicht die Möglichkeit, den Betrieb stark herunterzufahren, um sich gesundheitlich und finanziell zu schützen.»

Zudem seien die meisten Kitas keine gewinnorientierten Betriebe «und haben somit nicht die finanziellen Rücklagen, um Eltern zu entschädigen, da Mieten, Versicherungen und Personalkosten weiterhin geschuldet sind.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von paul
    paul, 28.03.2020, 18:09 Uhr

    besten dank luzern!
    immer schön die anderen machen lassen. ginge es um turisten würde der kanton sehr schnell gelder locker machen.

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