Versuchte Spanier seinen Lebenspartner zu töten?

Beziehungsdrama: Luzerner steht nach Streit in Flammen

Einem Spanier wird vorgeworfen, seinen Mann mit einem Zündholz in Brand gesteckt zu haben. (Symbolbild: Flickr/Skley)

Ein 49-jähriger Spanier wird beschuldigt, seinen Lebenspartner mit Leichtbenzin übergossen und angezündet zu haben. Er bestreitet den Vorwurf und spricht von einem Unfall. Am Mittwoch musste er sich vor Kriminalgericht wegen versuchter Tötung verantworten.

Über Weihnachten wollte der Luzerner mit seinem Lebenspartner nach Barcelona verreisen. Doch stattdessen verbrachte er die Festtage mit schweren Verbrennungen auf der Intensivstation.

Was in jener Dezembernacht 2015 passiert ist, darüber gehen die Schilderungen am Luzerner Kriminalgericht diesen Mittwoch auseinander. Handelt es sich um einen besonders drastischen Fall von häuslicher Gewalt oder um einen Unfall?

Noch heute zeugen Narben vom Abend

Klar ist: Nach einem feuchtfröhlichen Abendessen mit Gästen eskalierte die Situation. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Beschuldigten versuchte Tötung vor. Der 49-jährige Spanier soll seinen damaligen eingetragenen Partner nach einem Streit im Wohnzimmer mit Leichtbenzin übergossen haben. Danach habe er ein Zündholz entfacht und auf ihn geworfen. Das Opfer, das im Prozess als Privatkläger agiert, stand umgehend in Flammen.

Der Luzerner erlitt schwere Verbrennungen an Händen, Brust und Kopf. Insgesamt waren 19 Prozent seiner Körperoberfläche davon betroffen. Aufgrund eines sogenannte Inhalationstraumas musste er künstlich beatmet werden, er lag tagelang im Koma und schwebte laut Staatsanwalt in Lebensgefahr. Noch heute zeugen Narben vom Drama, das sich vor knapp vier Jahren ereignete. Im Gerichtssaal hört der Privatkläger aufmerksam zu, macht hin und wieder Notizen. Als der Staatsanwalt den Vorfall im Plädoyer schildert, bricht er in Tränen aus.

Luxus und Druck der Familie in Kuba

Seinen ehemaligen Partner lernte er in Barcelona kennen. 2011 heiraten die beiden, der Spanier zieht in die Schweiz und sorgt sich um Haushalt und Garten. Doch mit der Harmonie ist es bald vorbei, öfters gibt es Streit. Der Beschuldigte spricht von einer «kontrollierten» Beziehung, die er mit seinem Schweizer Mann 2015 führte. «Man konnte es ihm nicht recht machen, nichts war gut genug für ihn», sagte er am Mittwoch vor dem Kriminalgericht.

Dass er an jenem Abend wütend war, stritt er aber vehement ab. Er habe dazu keinen Grund gehabt. Und es sei bis dato nie zu Handgreiflichkeiten gekommen in der Beziehung.

«Der Beschuldigte konnte seinen Hang zu Luxusgütern befriedigen, ohne dafür arbeiten zu müssen.» 

Anwältin des Privatklägers

Die Ausführungen der Anwältin des Opfers offenbarten aber die Ungleichheiten des Paares. Der Spanier, der sich zuvor mit Kleinjobs durchs Leben schlagen musste, habe dank der Partnerschaft mit dem Luzerner plötzlich keine Geldsorgen mehr gehabt. «Er konnte seinen Hang zu Luxusgütern befriedigen, ohne dafür arbeiten zu müssen.» 

Das blieb aber nicht unbemerkt. Gemäss Staatsanwaltschaft übte die Familie in seinem Herkunftsland Kuba Druck auf den Beschuldigten aus – weil sie von seinem finanziellen Glück profitieren wollte. Verstärkt wurde das, als der Privatkläger seiner Schwiegermutter sagte, er überlege sich eine Trennung. Die Familie hätte ihre Felle davonschwimmen sehen, so die Anwältin. Der Konflikt sei auch Gegenstand eines Telefonats gewesen, das der Spanier an jenem Dezemberabend mit Verwandten führte. Wobei es beim Gespräch ging, wollte er vor Gericht indes nicht näher ausführen.

Die Anwältin des Opfers führte aus, dass der Beschuldigte beim Tod ihres Klienten geerbt hätte und finanziell abgesichert gewesen wäre. «Er konnte sich mit dieser Tat befreien», sagte sie zum Motiv.

Falsche Flasche geholt

Der Verteidiger des Spaniers nahm dieses Bild vom gut situierten Rentner und seinem von ihm finanziell abhängigen Partner auf – und suggerierte, damit sei von Anfang an klar gewesen, wer der Täter sei. Er suggerierte, die Behörden hätten einseitig ermittelt und seinem Mandanten gar nie zugehört. Diesen stellte er nicht als Täter dar, sondern als Lebensretter.

Denn in den Augen des Beschuldigten trug sich die Geschichte ganz anders zu. Er bestritt, dass er seinen Mann töten oder verletzten wollte. Er wollte gemäss eigenen Aussagen ein Pflegeöl holen, nachdem ein Streit über ein Brandloch im Tisch entfacht war. Fälschlicherweise brachte er aber nicht das Öl, sondern eine Flasche mit brennbarer Flüssigkeit mit ins Wohnzimmer. Dabei sei ihm die Flasche aus der Hand gerutscht, wodurch er den Inhalt verschüttete – auch auf seinen rund 20 Jahre älteren Partner.

Danach sei alles sehr schnell gegangen: Er wollte auf der Terrasse einen Lappen holen, hörte einen Schrei und als er sich umdrehte, stand sein Partner in Flammen. «Ich war schockiert», sagte er am Mittwoch vor Gericht. Er versuchte das Feuer zu löschen – zunächst mit blossen Händen. Auch er hat sich dabei Verbrennungen an Händen und Armen zugezogen, wie er am Mittwoch zeigte.

Wie kam es zum Feuer?

Dass Brennsprit verspritzt wurde, ist zwar belegt. Offen blieb bis zuletzt jedoch, wieso sich der Luzerner überhaupt entzündet hat. Denn der Spanier bestreitet, dass er ein Zündholz angezündet und nach ihm geworfen habe. Sein Verteidiger bezeichnete dies als «höchst unwahrscheinliches Kunststück».

Wie es zum Feuer kam, konnte der Beschuldigte aber nicht erklären. Er sei ja in jenem Augenblick mit dem Rücken zu seinem Partner Richtung Terrasse unterwegs gewesen.

«Könnte es sein, dass er sich selbst angezündet hat?»

Verteidiger

Der Verteidiger nannte mehrere mögliche Szenarien. Da viele Kerzen im Wohnzimmer brannten, könnte eine fahrlässige Bewegung zum Brand geführt haben. Womöglich handle es sich aber auch um einen Suizidversuch des Mannes. «Könnte es sein, dass er sich selber angezündet hat?», fragte er. Das Opfer habe einen Hang zu selbstzerstörerischem Verhalten gehabt. Als Beleg wurde eine Szene am Tag der gemeinsamen Hochzeit geschildert: Nachdem der Spanier seinem damaligen Partner eröffnete, dass er ihn nicht heiraten werde, habe dieser sich eine Pistole an den Kopf gehalten und gesagt, das Leben ohne ihn habe keinen Sinn.

Das bestreitet der Privatkläger nicht. Trotzdem bezeichnete seine Anwältin die Selbstmordthese als «absurd». Statt sich der Qual eines Brandes auszusetzen, hätte es für ihn als Waffenbesitzer weniger schmerzvolle Wege gegeben, wenn er sich das Leben hätte nehmen wollen.

Von Freispruch bis 4,5 Jahre Haft

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren. Die Privatklägerschaft verlangt für das Opfer zudem eine Genugtuung von 80'000 Franken sowie ein Kontakt- und Rayonverbot. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, könnte sich der Spanier zudem mit Schadenersatzforderungen der Krankenkasse in Millionenhöhe konfrontiert sehen.

Die Verteidigung ihrerseits fordert mangels Beweisen einen Freispruch. Die Vorgänge in jener Nacht seien bis heute nicht geklärt. Zudem sei dem Beschuldigten, der nach dem Vorfall mit Depressionen zu kämpfen hatte, eine Genugtuung von 30'000 Franken zu bezahlen. Das Kriminalgericht wird sein Urteil nächste Woche fällen.

In seinem Schlusswort sagte der Beschuldigte, dass man sich Liebe nicht mit Geld, Kontrolle, Macht, Manipulation und psychischer Gewalt kaufen könne. Und ergänzte, in Anspielung auf die zuvor im Raum gestandene Frage einer Entschuldigung: «Ich entschuldige mich – aber bei mir selber. Denn ich habe zehn Jahre meines Lebens verloren.»

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