Zuger Kulturpolitik: Stadtparlament setzt Nachfrist

Zehn Gründe, warum der Stapi eine schallende Ohrfeige kassierte

Politische Bauchlandung: der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt (FDP). (Bild: youtube/Creafactory AG)

Nur gerade 3 von 40 Zuger Stadtparlamentariern unterstützen den Plan von Stadtpräsident Karl Kobelt, das Reglement für die Stadtzuger Kulturförderung auf die lange Bank zu schieben. Die Gründe dafür sind ebenso zahlreich wie vielfältig.

Die Zuger Kulturpolitik als unendliche Geschichte, die das Parlament über Jahre hinweg auf Trab hält. Und dies, obwohl Zug für die Kultur nur gerade mal etwas über 4 Millionen Franken pro Jahr ausgibt.

Darauf haben die Zuger Gemeinderätinnen und Gemeinderäte definitiv keine Lust. Mit 30 zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen stimmten sie am Dienstag für einen Antrag von Gregor R. Bruhin (SVP), einen Zwischenbericht des Stadtrates ablehnend zur Kenntnis zu nehmen. Und bis Ende März eine Nachfrist zu setzen, damit er zu einer Motion von SVP und GLP einen schriftlichen Antrag formuliert.

Mit dieser Motion hatten die beiden Fraktionen vor einem Jahr gefordert, dass Zug ein rechtsverbindliches Reglement zur Kulturförderung erhält. Dies nachdem bei der städtischen Kulturstelle mehrere Unstimmigkeiten für Aufsehen gesorgt hatten.

Stapi Karl Kobelt (FDP) wollte erst bis 2022 eine neue Kulturstrategie erarbeiten und sich danach Gedanken darüber machen, ob es zusätzlich noch ein Reglement brauche (zentralplus berichtete). Dass ihn nicht einmal mehr die eigene Partei, die FDP, unterstützte, obwohl sie ihm im Vorfeld noch argumentativ den Rücken stärkte – das spricht Bände.

Zehn Gründe, warum die Zuger Stadtparlamentarier die Reissleine zogen:

1. Das Zeitspiel war zu offensichtlich

Eine neue Kulturstrategie sei bereits unter Kobelts Vorgänger, Dolfi Müller (SP), im Jahre 2017 angedacht worden, monierte Stefan W. Huber (GLP). Anstatt nun vom Stadtrat zu hören, ob er ein Reglement für sinnvoll erachtet oder nicht, solle man «warten, bis der Stadtpräsident nach total dreieinhalb Jahren eine Kulturstrategie fertiggestellt hat», empörte er sich.

2. Kobelts eigene Partei kippte

Die langen Fristen waren denn auch der Grund, warum sich viele Christdemokraten und Freisinnige in der Debatte dazu entschieden, die Reissleine mitzuziehen. Obwohl sie das ursprünglich vielleicht gar nicht wollten. Man unterstützte zwar die Vorgehensweise des Stadtrates, aber sehe auch die Bedenken der anderen Parteien. «Das muss schneller gehen», sagte Alexander Eckenstein für die FDP.

3. Die Legislative will sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen

Der Grosse Gemeinderat sei nicht bloss ein Konsultativgremium des Stadtrates, das dafür da sei, die Gesetze zu beschliessen, die sich dieser wünsche, sagte etwa Gregor R. Bruhin (SVP).

4. Die Geschäftsordnung des Stadtparlaments wurde geritzt

Eine Motion muss innerhalb eines Jahres vom Stadtrat behandelt werden. In dieser Zeit muss er einen Antrag formulieren, wie mit dem politischen Anliegen umgegangen werden soll.

Bei wichtigen Gründen kann er einen Zwischenbericht vorlegen und die Motion später behandeln. Das ist in der Vergangenheit auch schon vorgekommen. Nur: «Hier liegen keine wichtigen Gründe vor», wie Gemeinderätin Corinna Kremmel (CVP) dem Stadtrat vorhielt.

Der Grosse Gemeinderat der Stadt Zug bei der Debatte im Theater Casino. (Bild: rus)

5. Regeln werden als kulturfreundlich betrachtet

Er habe im Gespräch mit Kulturschaffenden öfter gehört, dass sie sich nicht in der Öffentlichkeit äussern wollen, aus Angst, es sich mit dem Stadtrat zu verderben, sagte Stefan W. Huber (GLP). «Das erschreckt mich.» Ein Reglement sorge für Fairness und Transparenz. Das fand auch Tabea Zimmermann Gibson (ALG): «Ein Reglement hat eigentlich nichts mit einer neuen Kulturstrategie zu tun, deren Erarbeitung wir unterstützen.»

6. Es gibt zahlreiche Richtlinien und Leitbilder

Nur sind diese bislang nichts rechtsverbindlich. «Die strategischen Ziele aus dem Jahr 2009 reichen vollkommen aus, um darauf aufbauend ein Reglement zu entwickeln», meinte Barbara Gysel (SP). Ohnehin komme es bei der Kulturförderung nicht auf abstrakte Leitsätze an, sondern wie sie konkret umgesetzt werden.

7. Der Stapi konnte nur einen Votanten überzeugen

Der Stapi argumentierte, es müsse erst eine neue Strategie aufgesetzt werden, da sonst allenfalls eine rückwirkende Anpassung der Richtlinien rückwirkend nötig werde. Die Sichtweise, dass damit das Pferd am Schwanz aufgezäumt werde, teilte aber nur ein einziger FDP-Gemeinderat, nämlich Alexander Eckenstein. Alle andern Votanten fanden es richtig, erst die Verfahrensweisen festzulegen und darauf aufbauend eine Strategie festzulegen.

8. Kobelt hat einen noblen Charakter

Die Missstände bei der Kulturstelle entstanden in der Amtszeit von Karl Kobelts Vorgänger Dolfi Müller (SP), der für eine pragmatische Kulturpolitik einstand. Kobelt weigert sich aber konsequent, die Schuld dafür auf seinen Vorgänger abzuschieben. Das noble Verhalten ehrt Karl Kobelt, allerdings macht er selber zu wenig energisch reinen Tisch, weswegen ihm das Ganze politisch um die Ohren fliegt. Dolfi Müller hätte die Affäre bereits im Ansatz ausgeräumt, indem er auf seine Kritiker zugegangen wäre, sagen viele Gemeinderäte.

9. Kultur ist nichts für den Schützengraben

Karl Kobelt ist ein auf Konsens bedachter Politiker, der auch viele Sympathien ausserhalb seiner Partei mobilisieren kann. Das zeigen die Ergebnisse der beiden letzten Stadtratswahlen. In der Affäre um die Kulturstelle indes stieg er geistig in den Schützengraben. Die SVP- und GLP-Gemeinderäte, die ihm massiv an den Karren fuhren und sich zuweilen auch im Ton vergriffen, begriff er ebenso als seine Feinde wie Teile der Medien. Das mag erklären, warum er versuchte, auf Zeit zu spielen, anstatt das Unbehagen bei ALG, CSP, SP, CVP und schliesslich auch der FDP wahrzunehmen.

10. Stadtrat steht diesmal zu wenig hinter Präsident

Zwar wurde der Zwischenbericht und der Antrag auf Verschiebung der Motion im Namen des Gesamtstadtrates abgefasst. Aber die Debatte im GGR diesen Dienstag zeigte: Die andern vier Stadträte nehmen das Geschehen relativ unberührt zu Kenntnis.

Wie anders verlief doch der Streit um die Auszahlung der Corona-Hilfen über den Detaillistenverband Pro Zug! Auch hier versuchten Teile des Stadtparlaments den magistralen Plan zu kippen und die Abgabe von Gutscheinen für alle Geschäfte durchzusetzen.

Kobelt, der Pro Zug als strategischen Partner des Stadtrates stärken will und sich enorm um den Detailhandel sorgt, kämpfte wie ein Löwe. Er nahm sogar ein Time-out, um sich mit seinen Stadtratskollegen abzusprechen, die ihn alle stützten. Am Schluss konnten Kobelt und der zuständige Stadtrat André Wicki (SVP) das Parlament dann doch noch für die Idee der Stadtregierung begeistern.

Dies zeigt: Karl Kobelt kann die Stadtregierung durchaus führen. Aber er ist dabei auf die Unterstützung seiner Stadtratskollegen angewiesen – die schliesslich auch dem Kollegialitätsprinzip verpflichtet sind.

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