Kino, Kunsthaus, Kongresszentrum, Theatersaal: Die Debatte war schon in voller Fahrt, im Gemeinderat wurde gestritten, in den Leserbriefspalten gefeuert – und jetzt das: Das Baufeld B auf dem Areal im alten Kantonsspital ist vom Radar verschwunden. Was soll da kommen? Wir machen uns auf die Suche nach Visionen beim Baudirektor.
Viel Zeit hat er nicht fürs Gespräch – gerade vorher hat Baudirektor Urs Hürlimann einen virtuellen Spatenstich begangen, für eines der grössten Strassenbauprojekte im Kanton Zug. In einer halben Stunde geht es weiter mit anderen Themen. Es liegt nicht gerade im Fokus der baudirektorischen Schaffenskraft, das Baufeld B. Es liegt stattdessen eingeklemmt zwischen schon fast alten Visionen von der Seeterrasse und dem gescheiterten neuen Kunsthaus und dümpelt seelenruhig vor sich hin.
Dabei war es mal in voller Fahrt, als es um die Debatte ums neue Kunsthaus ging: Die Leserbriefe schossen wild hin und her, das Komitee zur Findung der gebrauchten Millionen gab sich erst zielsicher, dann war plötzlich schon immer klar, dass es nicht geht. Damit war aber noch nicht Schluss: Das Stadtparlament ergriff die Gelegenheit zur Ideenfindung und fing selber an, von einer öffentlichen Nutzung zu träumen (zentralplus berichtete). Das war vor einem Jahr. Mittlerweile scheint die Debatte um den öffentlichen Bereich auf dem Areal völlig zum Erliegen gekommen zu sein. Statt Brausefahrt: Stillstand.
Keine Vision – stattdessen Hoffnung auf Investoren
Dabei gibt es hier auf dem Baufeld B immer noch grossen Spielraum. Hürlimann sagt: «Es ist immerhin das Tor zur Stadt von Süden her. Das Projekt wird die Stadt prägen.» Klar ist: Der Kanton will sein Land entwickeln und im Baurecht abgeben. Und klar ist auch: Er will eine öffentliche Nutzung auf dem Baufeld B. Nur was? Was soll da kommen, an bester Lage, mitten vor dem Sonnenuntergang, auf dem Areal des alten Kantonsspitals? Ein Kino? Ein Museum? Ein Schmetterlings-Erlebnis-Zentrum? Ein – wie die SVP schon vorgeschlagen hat – Kongresszentrum? Ein – laaangweilig – Restaurant?
Hürlimann will partout keine Visionen verraten. «Es wäre doch grundfalsch, wenn ich jetzt fixfertige Ideen auf den Tisch legen und damit den Ideen-Wettbewerb wesentlich beeinflussen würde. Vorerst sind Investoren und Architekten gefordert. Sie sollen innerhalb des vorgegebenen Rahmens frei ihre Visionen entwickeln und präsentieren können.»
«Wir werden dafür sorgen, dass es eine Nutzung gibt, die für alle Altersgruppen attraktiv ist.»
Urs Hürlimann, Baudirektor
Um diese Frage zu klären hat die Baudirektion einen Investoren- und Architekturwettbewerb aufgegleist. Die Ideen sollen also jene Leute bringen, die das Ganze dann auch bauen oder betreiben wollen. Die Bedingungen: «Publikumsattraktiv, öffentlich zugänglich, von hoher Qualität und grosser Ausstrahlung», sagt Hürlimann, «aber in diesem Baufeld kein Wohnen, kein Dienstleistungs- oder Gewerbezentrum. Was es jetzt braucht ist ein Ideenwettbewerb, damit wir für dieses Baufeld eine wirklich attraktive Nutzung finden können.»
Ist die Politik für Visionen zuständig?
Der Wettbewerb soll im Jahr 2017 beginnen, Planerteams und Investoren sollen Ideen liefern – und gleichzeitig Angebote für den Baurechtszins. «Und da werden wir selbstverständlich auch junge Architekten miteinbeziehen», sagt Hürlimann (zentralplus berichtete), «und werden dafür sorgen, dass es eine Nutzung gibt, die für alle Altersgruppen attraktiv ist.» Die Nutzung muss zudem zusammen mit den Nutzungen für die Baufelder D und D3 entwickelt werden, auf denen eine Hotel- und Gastronomienutzung vorgesehen ist.
Aber sind Architekten und Investoren wirklich die richtigen, um herauszufinden, welche Art öffentlicher Nutzung an dieser speziellen Lage für die Zuger Bevölkerung besonders spannend wäre? Wäre das nicht der Moment für grosse Visionen von Seiten der Politik? «Nein», sagt Hürlimann. «Zuerst sind jetzt Investoren und Planerteams gefragt. Deshalb machen wir auch den Wettbewerb. Von den Architekten erwarten wir an dieser prägenden Lage einen städtebaulich guten Wurf.»
Die Frage ist: Ist die Politik fürs Entwickeln von Visionen zuständig oder fürs Verwalten von Ideenfindungsprozessen? Klar: Ohne klares Bedürfnis eine Nutzung erfinden ist schwierig. Kein Wunder will der Regierungsrat nicht vorpreschen – und dann womöglich scheitern. Vielleicht hilft ein Blick aufs Gelände, darauf, wie es heute ist, um neue Visionen zu erfinden.
Blick aufs Areal: Da lebt was
Denn brach liegt das Areal nicht. «Brachliegen wäre ganz das falsche Wort», sagt Hürlimann. «Einerseits wegen der Nutzung als Unterkunft für Asylsuchende. Diese Zwischennutzung dient dem Kanton. Wir werden neue Möglichkeiten finden müssen, wenn hier mit dem Bau begonnen wird, um die Asylsuchenden unterzubringen.» Und zweitens, und das ist der springende Punkt: «Eine ganze Reihe von Vereinen sind momentan eingemietet», sagt Hürlimann, «das Haus nimmt jetzt schon eine wichtige gesellschaftliche Funktion wahr.»
«Das ist für uns eine wichtige Entscheidung.»
Urs Hürlimann, Baudirektor
Das Tüftellabor Einstein etwa, in dem Kinder das Erfinden und Tüfteln lernen (zentralplus berichtete), oder der Türkische Verein Zug, der sonntags einen interkulturellen Brunch schmeisst; und ab und zu «Ladies Night», der serbische Kulturclub, Pro Senectute. Vielleicht könnte das Baufeld B in Zukunft, zwischen den angedachten Alterswohnungen und der Seeterrasse, genau das bleiben: ein vielschichtiger Schmelztiegel für Zuger Vereine, eine Art gross angelegte Zwischennutzung, die sich ständig im Fluss befindet. Vereinslokale mit grenzüberschreitenden und gemeinsamen Räumlichkeiten, Veranstaltungsräumen und Werkstätten. Eine Maison Modulable, aber nicht fürs elitäre Theater, sondern für die Zuger Vereinskultur.
So viel dazu. Wahrscheinlich gibt’s noch viel spannendere Visionen. Aber vielleicht reicht’s, wenn man mal eine formuliert, um die Sache anzustossen. Zumindest wäre für die Stadt sicher wünschbar, wenn die öffentliche Debatte rund ums Baufeld B doch noch in Fahrt gerät. Hürlimann ist zuversichtlich: «Das ist für uns eine wichtige Entscheidung. Wir wollen dieses Stück Land, das dem Kanton gehört, entwickeln.» Ein letzter Versuch: Was ihm denn persönlich am liebsten wäre? Hürlimann lässt sich nicht packen. Er lacht und sagt: «Nochmals: Es wäre jetzt grundfalsch, wenn ich sagen würde, was ich will. Es kommt darauf an, welche Ideen im Ideenwettbewerb am besten abschneiden.»
So soll das Areal genutzt werden |
Diese Nutzungen sind auf dem Areal des alten Kantonsspitals schon geplant und sollen von Investoren im Baurecht realisiert werden: A = Das Baufeld soll noch 10 bis 15 Jahre lang in seiner jetzigen Form bestehen bleiben: Das alte Personalhaus wird vom Kanton als Büroraum genutzt. Danach soll es im Baurecht für eine Wohnnutzung abgegeben werden. B = Für dieses Baufeld fehlt bis jetzt eine Vision. Es soll eine öffentliche Nutzung mit hoher Ausstrahlung gebaut und betrieben werden. C1 und C2 = Im Erdgeschoss sollen hier Dienstleistungen, Gewerbe und Wohnungen Platz finden, in den oberen Etagen vor allem preisgünstiger Wohnraum. D1 und D2 = Gastro und Hotel-Nutzungen mit Möglichkeit auf Longstay-Appartments und Alterswohnungen E = Ausschliesslich Alterswohnungen. |
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