Zuger Bauernpräsident zur Agrarpolitik 2014-2017

Uneinigkeit unter Bauern hat einschneidende Konsequenzen

«Ich gehe davon aus, dass es nicht so schlimm gekommen wäre», glaubt Markus Bieri, Zuger Bauernpräsident. (Bild: asc)

Nur die ganz grossen landwirtschaftlichen Betriebe, die sehr extensiv wirtschaften, würden von der neuen Agrarpolitik profitieren, sagt Markus Bieri. Der Zuger Bauernpräsident erklärt, dass die Bauern mitschuldig seien, dass es überhaupt so weit gekommen sei. «Bei der Agrarpolitik 2014-2017 müssen wir die Verantwortung in den eigenen Reihen suchen.»

Im Interview mit zentral+ spricht der Bauernpräsident Markus Bieri über die anstehenden Veränderungen in der Zuger Landwirtschaft. Er nimmt Stellung zu den Profiteuren der neuen Agrarpolitik, die Rolle der Bauern im Parlament, die Auswirkungen der Direktzahlungen und die steigende Bedeutung der nebenerwerblichen Tätigkeit für Bauern.

zentral+: Die Agrarpolitik 2014-2017 sorgt bei vielen Bauern für Ängste und Ärger. Welche Erfahrungen machen Sie in Zug?

Markus Bieri*: Im Kanton Zug sind die Betriebe durchschnittlich eher etwas grösser als in der restlichen Schweiz. Umgekehrt gibt es bei uns weniger Bergbetriebe. Das heisst also, dass die Betriebe, die grösser sind, eher profitieren werden. Die Talgebiete werden dagegen eher benachteiligt. Meine Bilanz fällt deswegen durchzogen aus. Die meisten Zuger Bauern sehen die Veränderungen eher kritisch. Die Umstellung wird gross sein.

zentral+: Mit der neuen Agrarpolitik werden die Tierbeiträge abgeschafft und nur noch Flächenbeiträge zugesprochen. Was bedeutet das für Ihren eigenen landwirtschaftlichen Betrieb?

Bieri: Ich habe es nur kurz ausgerechnet. Wir werden in etwa gleich viel an Direktzahlungen bekommen. Das hat mich erstaunt, weil ich glaubte, dass ein grösserer Bergbetrieb, der biologisch geführt wird, zu den Gewinnern gehören würde. Wir vom Bauernverband haben bei verschiedenen Betrieben nachgerechnet und waren überrascht, dass wir nur wenige Gewinner gefunden haben. Nur die ganz grossen, die sehr extensiv wirtschaften, werden profitieren. Das Beste, was uns Bauern passieren könnte, wäre, dass wir schnell mit der Produktion zurück fahren. Dann würde sich die Agrarpolitik schnell wieder ändern, um das Gleichgewicht wiederherzustellen.

zentral+: Der Bundesrat hat am 23. Oktober 2013 die Ausführungsbestimmungen zur Agrarpolitik 2014-2017 verabschiedet. Wer sind die Gewinner und Verlierer?

Bieri: Die Gewinner sind vor allem grössere Betriebe, die eher extensiv produzieren. Betriebe, die eher intensiv produzieren, werden eher zu den Verlieren gehören. 

zentral+: Das Parlament hiess die Agrarpolitik 2014-2017 gut und sagte damit Ja zu einem Umbau der Direktzahlungen, die stärker auf ökologische Produktion, Landschaftspflege und das Tierwohl ausgerichtet sind. Welche Vorteile bringt dies?

Bieri: Das Positive daran ist, dass nun klar kommuniziert werden kann, warum es Direktzahlungen gibt. Wir leisten einen Beitrag für Kulturland, Versorgungssicherheit und vieles mehr. Der Rahmenkredit ist gleich geblieben, das ist sicher auch gut für uns Bauern. Die Produktion von Lebensmitteln wird aber geschwächt, was ich nicht sinnvoll finde.

«Dass es überhaupt so weit gekommen ist, dafür sind wir Bauern verantwortlich»

zentral+: Die neue Agrarpolitik gehe in die völlig falsche Richtung, sagt Josef Kunz vom Bäuerlichen Zentrum Schweiz in Grosswangen. Das Parlament sowie das Bundesamt für Landwirtschaft seien hauptverantwortlich, dass zwischen produzierender und öko-extensiver Landwirtschaft ein grosser Graben entstehe.

Bieri: Dass es überhaupt so weit gekommen ist, dafür sind wir Bauern verantwortlich. Wir waren uns uneinig. Ich gehe davon aus, dass es nicht so schlimm gekommen wäre, wenn die Bauern, die im Parlament mitwirken, sich einige gewesen wären.

zentral+: Auch der Schweizer Bauernpräsident Markus Ritter hat gefordert, dass die Bauern geschlossener auftreten sollen.

Bieri: Genau, denn bei der Agrarpolitik 2014-2017 müssen wir die Verantwortung in den eigenen Reihen suchen. Wir vom Zuger Bauernverband haben mit vielen Parlamentariern gesprochen. Wir haben gemerkt, dass es viele gibt, die nicht so viel von der Landwirtschaft verstehen. Wenn sich dann nicht einmal die Bauern einig sind, ist es klar, dass einfach nach Gutdünken abgestimmt wird.

zentral+: Wie kann man das künftig verhindern?

Bieri: Wir Bauern müssen uns vorher versammeln und uns einigen. Danach gilt es, geschlossen aufzutreten. Es hat mir gar nicht gefallen, als die Bauern bei den Diskussionen um die neue Agrarpolitik teilweise sogar gegeneinander waren. Das darf nicht mehr passieren!

zentral+: Viele Schweizer Bauern sind mit der neuen Agrarpolitik nicht einverstanden. Es wurden bereits vier Landwirtschaftsinitiativen angekündigt: Die Grünen und der Bauernverband haben ihre Pläne publik gemacht. Bei Uniterre laufen Diskussionen über die Ausgestaltung einer Initiative zur Ernährungssouveränität. Und die SVP hat ihre eigene Initiative vorgestellt. 

Bieri: Das zeigt, dass die Bauern nicht zufrieden sind mit der neuen Agrarpolitik. Praktisch alle diese Initiativen tendieren in die Richtung, dass die Produktion gestärkt werden muss, um die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Wir hoffen, dass sich die verschiedenen Parteien finden und mit dem Bauernverband eine gemeinsame Initiative starten.

zentral+: Die neue Agrarpolitik belohnt Besitz und bestraft Arbeit, glaubt die SVP.

Bieri: Das ist so. Es ist wirklich so, dass die kleinen Bauern verlieren werden, weil man sich auf die Fläche fokussiert. Ich bin erstaunt darüber, dass von Seiten der Kleinbauern nicht mehr Opposition da war. Man hat von ihnen gar nie etwas gehört. Ich finde das schade, weil ich denke, dass dies schon etwas bewirkt hätte. Denn ich glaube nicht, dass die Bevölkerung will, dass nur die grossen Bauern überleben können und kleine Familienbetriebe verschwinden. 

«Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung will, dass nur die grossen Bauern überleben können und kleine Familienbetriebe verschwinden»

zentral+: Wird die Zukunft sein, dass jeder Bauer noch einem Nebenerwerb nachgehen muss?

Bieri: Nicht jeder, doch ein grosser Teil der Bauern und Bäuerinnen wird sich um einen Nebenerwerb bemühen müssen, um den Betrieb erhalten zu können. Ich finde das sehr schlecht. Ich bin der Meinung, dass es möglich sein sollte, Betriebe so zu führen, damit es zum Überleben reicht. Die Landwirtschaft zu erhalten, indem Geld von aussen verdient werden muss, finde ich schlecht.

zentral+: Welche landwirtschaftliche Entwicklung bereitet Ihnen Sorgen?

Bieri: Grundsätzlich sind das die vielen Gesetze. Es nimmt einfach kein Ende mehr! Die Vorschriften werden immer schärfer, alles wird ständig erneuert oder verändert. Wenn eine Sache erledigt ist, folgt bereits die nächste gesetzliche Anpassung. Das ist manchmal frustrierend.

zentral+: War denn früher wirklich alles besser?

Bieri: Grundsätzlich schon. Als ich 1985 den Hof übernommen habe, gab es keine Vorschriften. Man kann sich das heute fast nicht mehr vorstellen. Die Abhängigkeit war damals natürlich weniger vorhanden, weil es keine Subventionen gegeben hat. Damals hiess es von allen Seiten, dass wir loslegen und viel produzieren sollen. Für ältere Bauern sind die vielen Umstellungen und Vorschriften sicher schwieriger.

zentral+: Als Bauer muss man heute anpassungsfähig und flexibel sein.

Bieri: Wir Bauern sind anpassungsfähig! Die Gesetze und Vorschriften lehren uns das immer mehr.

zentral+: Was motiviert Sie, Bauer zu sein?

Bieri: Ich möchte, dass die Landwirtschaft erhalten wird. Bauer zu sein ist kein Beruf, sondern eine Berufung und Lebensform. Natürlich haben wir Bauern auch Vorteile gegenüber anderen. Wir haben einen kurzen Arbeitsweg und müssen nicht mit dem Auto im Stau stehen. Schön ist auch, dass wir auf unseren Höfen selber entscheiden. Natürlich müssen wir uns an Richtlinien halten, doch wie wir sie umsetzen, ist uns überlassen. Diese Freiheit schätze ich.

zentral+: Die Zahl unrentabler Höfe, die sich lediglich mit Subventionen über Wasser halten können, ist nach Ansicht kritischer Beobachter noch viel zu gross.

Bieri: Die neue Agrarpolitik wird das noch mehr fördern. Betriebe, die sehr extensiv geführt werden und sich nur auf die Direktzahlungen spezialisieren, werden profitieren. Für kleine Betriebe besteht die Gefahr, dass es kein zusätzliches Land für sie geben wird, um zu vergrössern.

zentral+: Die Schweizer Bauern erhalten jährlich Subventionen von rund 4 Milliarden Franken. Das bedeutet, dass 57 Prozent des landwirtschaftlichen Einkommens vom Staat finanziert wird. Keine andere Branche wird so umfangreich unterstützt. Werden die Bauern vom Bund zu sehr verwöhnt?

Bieri: Nein, ich glaube nicht. Der Rückgang der landwirtschaftlichen Betriebe zeigt das Gegenteil. Wenn die Landwirtschaft so lukrativ wäre, gäbe es diese Entwicklung nicht. Wenn man in der Schweiz das Einkommen- und das Kostenverhältnis von Bauern genauer anschaut, ist klar, dass es ohne Subventionen gar nicht geht. Wir können nicht ohne Direktzahlungen überleben.

zentral+: Eine weitere Entwicklung bereitet den Bauern Sorgen: Die Schweiz importiert immer mehr Nahrungsmittel. Der Selbstversorgungsgrad liegt nur noch bei 52 Prozent. Müsste die Politik hier nicht eingreifen?

Bieri: Doch, aber das ist sehr schwierig. Unsere Grenzen sind immer weiter offen, der Druck der EU und auch der Schweizer Wirtschaft ist enorm. Weil es im Ausland viele Überschüsse gibt und die Schweiz sehr zahlungskräftig und zuverlässig ist, gelangen so immer mehr landwirtschaftliche Produkte zu tieferen Preisen zu uns in die Schweiz.

zentral+: Würde man das Ackerland, das für die Produktion von Kraftfutter für die Schweizer Milchkühe verschwendet wird, für die menschliche Ernährung nutzen, könnte die Schweizer Landwirtschaft für 2 Millionen Menschen zusätzlich Nahrungsmittel bereitstellen. Dies hat Vision Landwirtschaft errechnet. Allein mit dieser Massnahme könnte also ein Viertel der Schweizer Bevölkerung zusätzlich ernährt werden.

«Die schlechten Preise, die wir für unsere Produkte erhalten, werden vom Ausland diktiert»

Bieri: Das mag stimmen. Doch wenn Bauern nicht von der Landwirtschaft leben können, nützt alles nichts.

zentral+: Noch heute sei die Einkommenssicherung eine der wichtigsten Begründungen für einen grossen Teil der Direktzahlungen, schreibt Vision Landwirtschaft. Bauern seien aber keine Sozialhilfeempfänger, die Einkommensergänzungen nötig hätten, sondern Unternehmer und Teil unserer Wirtschaft.

Bieri: Das ist so. Doch der grösste Teil der Direktzahlungen, die wir erhalten, fliesst wieder in die Wirtschaft zurück. Wir investieren viel und die schlechten Preise, die wir für unsere Produkte erhalten, werden vom Ausland diktiert. Darum können wir ohne Direktzahlungen einfach nicht mithalten.

*Markus Bieri präsidiert den Zuger Bauernverband seit 2 Jahren. Der 53-Jährige führt in Menzingen gemeinsam mit seiner Frau einen landwirtschaftlichen Bio-Betrieb mit rund 40 Stück Vieh. Bieri ist Vater von drei Söhnen.

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