Trump, Betschart, Romer & Co: Wie man unliebsame Politiker los wird
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«Here they can't», würde Donald Trump vielleicht über Zug twittern und sich pudelwohl fühlen.
(Bild: Bildmontage zentralplus)Im Kanton Zug ist es seit den 90er-Jahren nicht mehr möglich, in Skandale verstrickte oder unfähige Exekutivpolitiker und Richter aus dem Amt zu hieven. Nun will man diese Gesetzeslücke wieder korrigieren. Wir kennen einige prominente Fälle, wo wir uns dies schon in den letzten Jahren wünschten.
In den USA strebt ein Demokrat bekanntlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump an. Was ennet dem grossen Teich möglich ist, bleibt in Zug höchstens ein Wunschtraum der Opposition.
Denn momentan kann man in Zug keine vom Volk gewählten Politiker oder Richter zum Teufel jagen, wenn sie ihren Job nicht richtig machen oder herauskommt, dass sie etwas auf dem Kerbholz haben.
«Es fehlen heute die gesetzlichen Grundlagen für eine Amtsenthebung. Deshalb kann eine Amtsperson heute nur freiwillig zurück treten. Zwingen kann sie niemand», sagt Ursula Uttinger, die neue Generalsekretärin der Direktion des Inneren, auf Anfrage von zentralplus.
Dies soll mit einer neuen Gesetzes-Vorlage geändert werden, die der Zuger Regierungsrat am Mittwoch publiziert hat. Der Gesetzesentwurf geht jetzt in die Vernehmlassung.
Die Vorlage schafft die Voraussetzung, dass die Mitglieder des Regierungsrats, der kantonalen Gerichte, die Organe der Einwohner-, Bürger- Korporations- und Kirchgemeinden sowie Friedensrichter und deren Stellvertreter vom Amt enthoben werden können. Mitglieder des Kantonsrats fallen nicht unter die Regelung.
Der Regierungsrat erfüllt mit dieser Vorlage eine 2015 erheblich erklärte Motion der CVP Kanton Zug.
Beglinger-Affäre am Kantonsgericht war der Auslöser
Auslöser für den CVP-Vorstoss, der die Wiedereinführung des Absetzungsverfahrens verlangte, war der Krach um den SP-Kantonsrichter Michael Beglinger. 2012 gelangte ein interner Machtkampf unter Kantonsrichtern an die Öffentlichkeit.
Beglinger wurde von der damaligen Obergerichtspräsidentin Iris Studer suspendiert, und es gab eine Administrativuntersuchung. Weil er als gewählter Richter unkündbar ist, bezog er weiterhin den vollen Richterlohn, woran sich die CVP und gewisse Kreise störten.
Aufgrund eines Vergleichs trat Beglinger im November 2014 als Richter zurück. Er wird seither bis zum Ablauf der Amtsperiode 2018 als «Jurist in besonderer Stellung mit besonderen Aufgaben» in der kantonalen Verwaltung beschäftigt. Sein neuer Lohn beruht auf dem Vergleich mit dem Kanton Zug. In der Folge wurde die Rechtsstaatlichkeit dieses Verfahrens in Zweifel gezogen, namentlich in Bezug auf die fehlenden Verteidigungsrechte.
Gründe für eine Amtsenthebung
Mit dem geplanten Gesetz wird eine Amtsenthebung neu aus triftigen Gründen möglich: Etwa aufgrund einer schweren Amtspflichtverletzung, der Unfähigkeit zur Amtsausübung oder einer rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens.
«Sobald man anfängt, Namen zu nennen, wird es es sehr schnell politisch.»
Ursula Uttinger, Generalsekretärin Direktion des Inneren Zug
Der Kanton Zug führt mit dem neuen «Verantwortlichkeitgesetz» nichts Neues ein, sondern etwas Abgeschafftes wieder ein: Bis in die 90er-Jahre existierte das Disziplinarverfahren im Kanton Zug.
Laut Ursula Uttinger wurde es damals abgeschafft, weil der Regierungsrat der Meinung war, dass es eher theoretischer Natur sei und nur in absoluten Ausnahmefällen zur Anwendung komme.
Keine Fallzahlen oder Namen
Im Berichts und Antrag des Zuger Regierungsrats findet man keine Fallzahlen zu allfälligen Amtsenthebungen. Geschweige denn Namen. «Sobald man anfängt, Namen zu nennen, wird es es sehr schnell politisch», sagt die Generalsekretärin der Direktion des Inneren.
Wir tun es dennoch und haben uns gefragt, ob Zug einige Skandale wohl erspart geblieben wären, wenn der Kanton bereits früher ein solches Gesetz gehabt hätte.
Denn es gibt und gab im Kanton Zug durchaus Fälle, wo umstrittene oder überforderte Amtsträger sich einem Amtsenthebungsverfahren hätten stellen müssen – oder wo ihre politischen Gegner sich diese Möglichkeit sehnlichst herbei wünschen oder gewünscht hätten.
(Bild: wia)
Franz Keiser (parteilos), Neuheim:
Der jüngste Fall betrifft die Gemeinde Neuheim: Franz Keiser, der parteilose Sozialvorstand von Neuheim, weigert sich zurück zu treten. Er machte von sich aus publik, was der Gemeinderat der Öffentlichkeit lange verschwiegen hatte: Seit acht Jahren herrsche Misswirtschaft in seinem Amt für Gesundheit und Soziales. Der Gemeinderat verteilte in Robin-Hood-Manier Geld (zentralplus berichtete).
Der nach eigenen Worten überforderte Landwirt ist seit 2016 praktisch funktionslos, er bezieht aber nach vor sein Gemeinderatsgehalt. FDP und SVP Neuheim forderten wiederholt seinen Rücktritt, er weigert sich standhaft zu gehen. Sein Amt wird heute teilweise mit externer Hilfe der Gemeinde Baar geführt.
Ivo Romer (ehemals FDP), Zug:
Der Zuger FDP-Stadtrat und Finanzvorstand führte ein Doppelleben. Als privater Vermögensverwalter einer betagten Millionärin sorgte er über Jahre dafür, dass sich deren Vermögen nicht vermehrte, sondern bis zum Tod der alten Dame nur noch ein paar lumpige tausend Franken auf ihrem Konto übrig blieben (zentralplus berichtete).
Romers Stadtratskollegen schauten Jahre weg oder nicht so genau hin. Der ehemalige Banker Ivo Romer trat freiwillig zurück und aus der FDP aus. Er ist vom Strafgericht Zug zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, zieht das Urteil aber ans Obergericht weiter gezogen.
Karl Betschart (SVP), Baar:
Karl Betschart war Kantonalpräsident der SVP, kurz im Kantonsrat und sass 2011 bis 2012 im Gemeinderat Baar. Er trat als Sicherheitsvorsteher im Dezember 2012 zurück. Zum Verhängnis wurde ihm eine Strafuntersuchung der Zuger Staatsanwaltschaft gegen ihn. Der ehemalige Gemeinderat zahlte 2013 eine Wiedergutmachung von 450’000 Franken an eine holländische Firma, damit die Untersuchung gegen ihn eingestellt wurde. Es ging um den Vorwurf der Erschleichung einer falschen Beurkundung.
Alles paletti, meinte der bürgerlich dominierte Baarer Gemeinderat damals und erteilte ihm die Absolution. Der Skandal war da: In Baar war von «Filz», «Omerta» und Intransparenz die Rede. Karl Betschart beteuert bis heute seine Unschuld. Im einem Zivilprozess wurde er zu einer Zahlung von 800’000 Franken verurteilt.
(Bild: Andreas Busslinger)
Hans-Beat Uttinger (SVP), Zug:
Der langjährige Stadtzuger Gemeinderat wurde 2001 für den verstorbenen Jean-Paul Flachsmann in den Regierungsrat gewählt. Hans-Beat Uttinger war als Baudirektor nur eine kurze Amtszeit beschieden. Der gelernte Müller, der Mühe hatte mit Computern, trat nach 5,5 Jahren aus gesundheitlichen Gründen (Burnout) zurück. Ein Grund: In seiner Amtszeit wurde der SVP-Regierungsrat wegen Kostenüberschreitungen beim Neubau der Strafanstalt heftig attackiert. Er sprach von einer Kampagne (der CVP und der «Neuen Zuger Zeitung»). In einem Zeitungs-Nachruf wurde dem inzwischen verstorbenen Politiker «ein gutes kollegiales Verhältnis im Regierungsrat» beschieden, «das man auch nach der Sitzung zu Tisch pflegte.»
Seby Elsener und Herbert Zürcher (Freie Wähler), Menzingen:
Die beiden Gemeinderäte der Freien Wähler (heute Alternative-die Grünen Menzingen) traten 2000 nach einem fünfjährigen zermürbenden Machtkampf in der Exekutive zurück, die Gemeinde war zeitweise gelähmt. Elsener war der Bauchef, Zürcher der Sicherheitsvorsteher gewesen. Beide zogen sich aus Protest gegen den Führungsstil der FDP-Gemeindepräsidentin Annemarie Staub zurück und warfen ihr ausserdem vor, Gemeinde-Politik nach Parteibüchlein zu betreiben. Gegen wen da ein Amtsenthebungsverfahren hätte angestrengt werden müssen, bleibe dahin gestellt.
(Bild: PD)