Michael Elsener: «Gute Polit-Satire transportiert immer eine Haltung»
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Der Zuger Michael Elsener nimmt in seinem neusten Video die Agrarlobby auseinander – und plädiert ausdrücklich für die Ja-Parole zur Trinkwasser-Initiative. Wieso bezieht der Satiriker derart klar politisch Position? Ist das nötig? Und wie einseitig darf man lustig sein? Elsener erklärt's.
Es geht eigentlich nur um Wasser. Doch die politischen Wogen gehen hoch vor dem Urnengang am 13. Juni. Das spürt auch Michael Elsener. Sein neustes Video zur Trinkwasser-Initiative ist auf grosses Echo gestossen: Innert weniger Tage wurde es bereits hunderttausende Male angeschaut und löste in den sozialen Medien zahlreiche Kommentare aus.
Elsener weist im 15-Minuten-Beitrag auf Absurditäten und Widersprüche in der Schweizer Landwirtschaft hin. Er gibt Gölä und Trauffer Recht (und glaubt es selbst nicht), nimmt Bauernverbandspräsident Markus Ritter in die Mangel («Du bist nicht einfach ein Bauernritter, Du bist ein Lügenbaron») und zeigt den planschenden Christoph Blocher («etwas Komisches schwimmt immer im Schweizer Wasser»).
Eine Abstimmungsempfehlung zum Abgang
Aber nicht nur das: Am Ende bezieht der Zuger Satiriker auch klar Position. Damit sich etwas ändere, brauche es ein Ja zur Trinkwasser-Initiative, so die Parole von Michael Elsener. Insofern überrascht es kaum, dass die Initianten mit dem Video werben und dazu aufrufen, es zu teilen.
Ein Satiriker mit einer deutlichen Botschaft vor einer umstrittenen Abstimmung: Das kommt wohl vielen bekannt vor. Eine Sendung des Luzerner SRF-Latenight-Hosts Dominic Deville zur Konzernverantwortungsinitiative sorgte für Gesprächsstoff. Letzte Woche wies die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) eine Beschwerde dagegen ab (zentralplus berichtete). Anders als Deville macht Elsener nicht öffentlich-rechtliche Satire. Dennoch bleibt die Frage: Wo hört die Satire auf, wo beginnt das politische Engagement?
zentralplus: Michael Elsener, in Ihrem neusten Beitrag äussern Sie sich zur Trinkwasser-Initiative, die am 13. Juni an die Urne kommt. Im Video treten Sie ja klar als Satiriker und nicht als Privatperson auf – oder machen Sie da gar keinen Unterschied?
Michael Elsener: Was in den letzten Jahren mit dem Schweizer Wasser gelaufen ist, ist derart grotesk, da kann ich nicht anders, als mich als Satiriker dazu zu äussern. Ich habe meinen Satire-Clip von YouTube bis Tik Tok auf meine offiziellen Kanäle hochgeladen. Von daher klar: Ein Satiriker macht Satire.
zentralplus: Was hat Sie dazu bewogen, zu dieser Vorlage ein Video zu produzieren?
Elsener: Vor jeder Abstimmung scanne ich die Abstimmungsvorlagen. Am liebsten würde ich jeweils zu jeder Vorlage ein Video machen, das die Vorlage unterhaltsam rüberbringt. Doch weil ich diese Satire-Clips selber finanziere, muss ich mich jeweils fokussieren und suche mir jene Themen aus, die mich besonders beschäftigen. Bei meinen vielen Gesprächen mit Trinkwasser-Kontrolleurinnen oder Bauern habe ich festgestellt, dass einiges nicht so läuft, wie es laufen sollte und nicht wirklich darüber geredet wird. Da muss ich als Satiriker den Finger draufhalten.
«Nichts sagen finde ich genauso politisch.»
zentralplus: Wo liegt für Sie die Grenze zwischen Aktivismus beziehungsweise politischem Engagement und der Arbeit als Satiriker?
Elsener: Ich mache Satire über politische Themen. Gute Polit-Satire transportiert immer eine Haltung. Und somit ist Satire natürlich auch politisch. Wenn man seine Meinung zu einem Thema sagt, fällt es mehr auf. Doch nichts sagen finde ich genauso politisch. Ich finde es schade, dass viele in der Schweiz zurückschrecken, ihre Meinung zu politischen Themen offen zu sagen. Mir ist es wichtig, dass man mitbekommt, wo ich stehe.
«Elsener erklärt's» zur Trinkwasser-Initiative:
zentralplus: Am Ende des Videos steht eine Abstimmungsempfehlung. Wieso haben Sie sich dafür entschieden? Oder anders gefragt: Wieso reichen die Mittel der Satire nicht aus?
Elsener: Während 14 Minuten zeige ich satirisch, was das Bundesamt für Landwirtschaft, der Chemiekonzern Syngenta, das Bundesverwaltungsgericht und der Bauernverband mit seinem Präsidenten Markus Ritter für ein Spiel mit «unserem» Wasser treiben. Zum Schluss fand ich ein persönliches Fazit richtig und wichtig. Weil: Wasser ist persönlich. Wir trinken es. Wir sind selbst zu einem Grossteil Wasser. Und von offizieller Seite wird gerade so getan, als hätten wir kein Problem.
zentralplus: Die Initianten werben mit Ihrem Video. Wurden Sie für Ihren Beitrag finanziell unterstützt – von Seiten der Initianten oder anderen politischen Akteuren?
Elsener: Alle, die mögen, können das Video teilen. Ich mache diese Polit-Satire-Videos aus eigenem Antrieb. Da schlägt mein Politologen-Herz. Weil ich die Produktion alleine stemme, sage ich im Clip, dass man gerne einen Beitrag twinten kann, wer meine Arbeit unterstützen mag. Ich mache die Videos aus der Überzeugung, dass sich viel mehr Menschen – auch viel mehr junge Leute – für politische Themen interessieren würden, wenn die Themen einfach erklärt und unterhaltend präsentiert werden. Ich möchte möglichst viele zum Debattieren anregen.
«Es hat eine gewisse Absurdität, wenn eine öffentlich-rechtliche Behörde versucht, im Jahr 2021 Satire zu definieren.»
zentralplus: Nach der Sendung von Dominic Deville über die Konzernverantwortungs-Initiative wurde intensiv über politische Satire in der Schweiz gesprochen. Im Unterschied zu Deville machen Sie ja nicht öffentlich-rechtliche Satire und sind insofern freier. Welche Richtlinien sind für Sie wichtig?
Elsener: Satire ist immer eine Gratwanderung. In meiner Satire nehme ich unsere Politikerinnen und Politiker beim Wort. Ich denke ihre Aussagen konsequent zu Ende und sage, was daraus resultiert. Ich spitze die Sachverhalte zu. Ich ziele mit meinen Pointen auf die, die mehr Macht haben; auf jene, die meiner Meinung nach etwas verbockt haben. Meine Argumentation untermauere ich mit Fakten. Diese Fakten müssen stimmen. Dafür beschäftige ich eigens einen Fakten-Checker.
zentralplus: Wie empfanden Sie die Diskussionen, die diesbezüglich in den letzten Monaten geführt wurden?
Elsener: Es hat eine gewisse Absurdität, wenn eine öffentlich-rechtliche Behörde versucht, im Jahr 2021 Satire zu definieren. Allen, die sich mit Satire beschäftigen, ist seit jeher klar: Satire ist nie neutral. In der Satire bezieht man Position. Das liegt schon an der Grundkonstitution einer Pointe. In meinem Clip wird der Bauernverbandspräsident Markus Ritter wegen seinen seltsamen Äusserungen von Pointen getroffen, alle anderen nicht. Sprich eine Pointe selbst ist nie neutral und somit nie ausgewogen. Das liegt in der Natur der Sache.
«Innerhalb von fünf Stunden wurde das Video allein auf Facebook 100'000-mal geschaut und 100-fach geteilt.»
zentralplus: Ihr Video hat bereits viele Reaktionen und Kommentare ausgelöst und wird in den sozialen Medien rege kommentiert. Manche begrüssen es, andere geben sich enttäuscht. Ist es für Sie kein Problem, wenn sich Fans von Ihnen abwenden, weil Sie politisch Stellung beziehen?
Elsener: Die erste Welle der Reaktionen am Sonntag war extrem positiv. Innerhalb von fünf Stunden wurde das Video allein auf Facebook 100'000-mal geschaut und 100-fach geteilt. Einige haben danach in den Kommentaren ihre Sicht der Dinge geäussert. Andere haben wieder dagegen gehalten. Solange argumentiert wird, entspricht dies genau dem, was ich möchte: Die Menschen zum Debattieren bringen.
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