Bebauungsplan Sonne: Jubel bei links und rechts

Emmer Parlament versenkt Bauprojekt nach Abstimmungskrimi

So hätte das Projekt ausgesehen. Wie es nach dem Nein des Parlaments nun weitergeht, ist unklar. (Bild: Steiner AG)

Der Bebauungsplan Sonne in Emmen erleidet Schiffbruch. Nicht aufgrund der acht Einsprachen, sondern im Parlament. Mitschuld trägt eine unheilige Allianz zwischen links und rechts.

Für die Gemeinde Emmen ist es ein Megaprojekt. Mitten in Emmen, an zentralster Lage zwischen Sonnenplatz und dem Bahnhof Gersag hätte eine neue Wohnsiedlung errichtet werden sollen. 275 neue Wohnungen waren vorgesehen, die Platz bieten für rund 500 Einwohnerinnen. Bebaut hätte das Areal die Steiner Investement Foundation aus Zürich, der selber zwei Grundstücke in der Zone gehören. Ein Verdichtungsprojekt wie aus dem Bilderbuch.

In der Bevölkerung polarisierte der Bebauungsplan jedoch mächtig. Nicht weniger als acht Einsprachen waren dagegen eingegangen. Von Bedenken zum Lärm über städtebauliche Kritik bis hin zur Sorge um einen möglichen Abriss des altehrwürdigen Restaurants Adler, das im Perimeter steht, deckten die Einsprachen allerlei Bedenken aus der Bevölkerung ab (zentralplus berichtete).

«Hier wird nicht für den Bürger, sondern für die Galerie gebaut.»

Mario Bucher, SVP-Einwohnerrat

Und weil das Parlament das politische Abbild der Bevölkerung ist, sorgte der Bebauungsplan auch an der Emmer Einwohnerratssitzung diesen Dienstag für aufgebrachte Diskussionen. In der Eintretensdebatte hagelte es Kritik aus allen politischen Lagern.

Parkplätze und Durchmischung sorgen für Diskussionen

Als einzige Partei äusserte die SVP schon von Beginn ihre zahlreichen Bedenken am Projekt. Die SVP befürchtet hohe Kosten für den Steuerzahler, aber nur einen geringen Nutzen für die Bevölkerung: «Das Projekt schafft Mehrkosten anstatt eines Mehrwerts. Hier wird nicht für die Bürger, sondern für die Galerie gebaut», brachte SVP-Einwohnerrat Mario Bucher diese Kritik auf den Punkt.

Das Areal mitten in Emmen bietet ideale Voraussetzungen für ein städtisches Verdichtungsprojekt. (Bild: Gemeinde Emmen)

«Wo, wenn nicht an dieser zentralen Lage, können wir auf so viele Parkplätze verzichten?»

Patrick Graf, Einwohnerrat Grüne

Auch die linken Parteien zeigten sich alles andere als überzeugt vom Bebauungsplan. Zwar räumten sowohl die Grünen als auch die SP ein, dass es richtig und wichtig sei, die Verdichtung der Gemeinde anzustreben. Das Grundstück direkt am Sonnenplatz sei dafür bestens geeignet. Doch beide Parteien hegten Bedenken wegen der Verkehrsbelastung und der sozialen Durchmischung in der neuen Siedlung.

So betonte Patrick Graf von den Grünen: «Die 195 geplanten Parkplätze sind deutlich zu viel. Wo, wenn nicht an dieser zentralen Lage, können wir auf so viele Parkplätze verzichten?» Und Judith Suppiger von der SP ergänzte im Hinblick auf die soziale Durchmischung und den geplanten Wohnungsmix: «Nicht die Investoren, sondern wir, die Gemeinde Emmen, sollten entscheiden, in welche Richtung es geht.» Beide, Graf und Suppiger, kündeten zudem an, später in der Debatte Anträge zu den Parkplätzen und zum Wohnungsmix einzubringen.

Kompromisse sind gefragt

Einzig die Mitte-Fraktion sprach vorwiegend positiv über den Bebauungsplan. Einwohnerrat Daniel Diltz lobte das «ausgewogene Projekt» und den Gemeinderat für dessen Vorgehen bei der Mitwirkung.

Das Gasthaus Adler steht an der Gerliswilerstrasse beim Sonnenplatz. Gegner des Bebauungsplans befürchteten, dass das Restaurant durch die neuen, hohen Gebäude «zerdrückt» wird. (Bild: cbu)

Insgesamt zeigte sich jedoch schon nach den ersten Voten, dass dem Gemeinderat ein rauer Wind entgegenweht. Dass das Parlament dem Bebauungsplan zustimmt, stand aufgrund der diversen Kritikpunkte auf der Kippe – obwohl Baudirektor Josef Schmidli (Mitte) bereits früh betonte, dass es keine Alternative zu diesem Projekt gäbe.

Das Gebiet sei bereits heute eingezont. Ohne konkreten Bebauungsplan bestehe darum die Gefahr, dass es trotzdem bebaut wird. Allerdings mit geringerer Bauqualität, weniger einheitlich und unter Umständen mit noch mehr Parkplätzen als im vorliegenden Projekt vorgesehen.

Krimi um Parkplätze

In der folgenden Debatte zu den einzelnen Anträgen zeigte sich darum insbesondere die Mitte kompromissbereit. Die Partei unterstützte zuerst einen Antrag der SP, wonach jeweils mindestens 20 Prozent der neu gebauten Einheiten Eigentumswohnungen sowie bezahlbare Wohnungen sein sollten. Die SP erhoffte sich davon eine grössere soziale Durchmischung im neuen Quartier.

Die neuen Gebäude auf dem Areal wären bis zu sieben Geschosse hoch.

Und selbst den Antrag der Grünen, die Zahl der geplanten Parkplätze um rund 25 Prozent von 195 auf 150 zu reduzieren, winkte die Mitte durch. Zu gross war offenbar die Angst, die Grünen könnten das gesamte Geschäft am Ende versenken.

Das zeigte sich nicht zuletzt daran, dass Christian Blunschi, Mitte-Einwohnerrat und Präsident der Bau- und Verkehrskommission, für die Besprechung des Parkplatzantrags der Grünen mehr Zeit forderte. Also steckten die Fraktionen konspirativ die Köpfe zusammen und einigten sich – von aussen betrachtet – auf einen vermeintlichen Deal. Die Mitte stimmt dem Anliegen der linken Parteien zu, dafür stimmen diese dem Bebauungsplan als Ganzes zu. Mit 17 zu 16 Stimmen setzte sich die Parkplatzreduktion letztlich hauchdünn durch.

Zwar hatten sowohl die SP-Fraktionssprecherin Judith Suppiger und Grüne-Fraktionsschef Patrick Graf bereits zu Beginn der Debatte betont, dass ihre Zustimmung zum Projekt keinesfalls gesichert ist – unabhängig der Abstimmungsresultate zu den einzelnen Anträgen der Kommission und der Parteien. Trotzdem schien das Geschäft nach der gesicherten Reduktion der Parkplätze unter Dach und Fach.

Unheilige Allianz versenkt das Geschäft

Bis es zur Schlussabstimmung kam. Denn als die Ratspräsidentin Maria-Rosa Saturnino (SP) nach den zustimmenden Voten fragte, hoben längst nicht alle Räte der SP, der Grünen und der FDP die Hand. Die Mitte stimmte geschlossen dafür, während die SVP wie angekündigt gegen das Geschäft stimmte. So versenkte das Emmer Parlament den Bebauungsplan Sonne letztlich mit 21 zu 15 Stimmen.

Für den Gemeinderat ist es eine herbe Schlappe. Einen entsprechend geknickten Eindruck machte der zuständige Gemeinderat Josef Schmidli im Anschluss an die Abstimmung. Empörung machte sich auch unter den Einwohnerräten der Mitte breit. Sie hatten sich aufgrund ihrer Kompromissbereitschaft ein Ja zum Geschäft erhofft.

Jubel bei links und rechts

Anders die Gefühlslage bei den Gegnern des Bebauungsplans. Einwohnerräte der SVP, der SP und der Grünen klatschten sich gegenseitig ab und gratulierten sich zum Erfolg ihrer unheiligen Allianz.

Und die FDP? Gerade sie war wohl das entscheidende Zünglein an der Waage. Die Partei betonte zu Beginn der Debatte zwar, dass sie den Bebauungsplan überhaupt nicht perfekt finde. Dass sich aber zahlreiche FDP-Einwohnerräte, die während der Lesung still im Hintergrund verharrten, gegen das Geschäft aussprachen, kam dennoch überraschend.

So oder so steht der Gemeinderat Emmen nun vor einem Scherbenhaufen. Denn das Projekt war – wie Baudirektor Josef Schmidli mehrmals betonte – alternativlos.

Bemerkung: In einer ursprünglichen Version des Artikels, hiess es, dass es einen fixen Deal zwischen Mitte und Links gab. Das stimmte jedoch nicht und entsprach nur den Beobachtungen des Autors. Grüne und SP betonten schon zu Beginn der Sitzung, dass sie nicht geschlossen für oder gegen das Projekt stimmen würden. Unabhängig des Verlaufs der Debatte.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Melchior Hoffmann
    Melchior Hoffmann, 23.03.2022, 10:31 Uhr

    Meine Güte, wie dumm. Das war ein schön ausgearbeitetes, farbenfrohes Projekt, Verdichtung am exakt richtigen Ort. Ob durch und durch perfekt… Aber während ich von der SVP nichts anderes erwarte, enttäuscht mich diese Kleingeistigkeit von linker Seite immer wieder sehr. Da gibt es eine Freude am Verhindern, an Sturheit und Kompromisslosigkeit, die ich als extrem unangenehme Selbstzufriedenheit empfinde. Kindische Verhinderungsmachtspielchen. Man schämt sich darob nicht mal, sich mit der SVP unter eine Decke zu begeben. Am Ende muss ich noch Wahlabstinenzler werden.

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  • Profilfoto von Walti
    Walti, 23.03.2022, 07:19 Uhr

    um das gesamte Projekt geht es wohl auch darum das der Bahnhof Gersarg Ausgebaut werden sollte mit Bus Bahnhof, was eine enormer zusätzlicher Verkehr hervorgerufen hätte, ,,
    Ales und jeder letzte Grüne Fleck soll überbaute werden, Es kommt sicher noch jemand dieses Fleckchen Erde es zu überbauen , z,b 2 Hochhäuser a 30 Etagen,,

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