Gastbeitrag von Josef Lang

Das Zuger Modell in der Putin-Falle

Die Zuger Alternativen bei einem Rundgang diesen Februar – die Partei macht schon lange auf die Verflechtungen der Wirtschaft mit Putin aufmerksam. (Bild: wia)

Russische Firmen und deren Spitzenkader haben in den letzten zwei Jahrzehnten Putin geholfen, die Kriegskasse zu füllen. Und jetzt tragen sie zur täglichen Fütterung von dessen Kriegsmaschine bei. Zug hätte diese ethische und politische Katastrophe verhindern können, schreibt alt Nationalrat Josef Lang in seinem Gastbeitrag.

Dass es mit dem «Zuger Modell» so nicht mehr weitergeht, das hat Heinz Tännler am letzten Mittwoch im Schweizer Fernsehen grossartig dargestellt (zentralplus berichtete). Er spielte die Rolle des Eingesperrten derart stark, dass sich sein Büro in einen Käfig verwandelte.

Bereits der Medienauftritt der vier Regierungsmitglieder hatte den Eindruck eines Kollegiums hinterlassen, das verzweifelt einen Ausweg sucht. Dabei waren sie sich weder bei der Zahl der betroffenen Gesellschaften noch bei der Botschaft an die Öffentlichkeit einig (zentralplus berichtete).

Während der Finanzdirektor die Willfährigkeit gegenüber Oligarchen wie Vekselberg oder Gesellschaften wie Nord Stream als «Willkommenskultur» verharmloste, verteidigte sich die Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut mit dem Hinweis, dass man diese Firmen nicht verbieten könne. Einig waren sie sich unter dem mächtigen Barockkreuz bloss darin, dass die ethische Frage, die Alimentierung des Krieges, kein Thema ist.

Pfisters wertefreie Polemik

16 Jahre zuvor waren sich die Zuger Rechtsbürgerlichen ihrer Sache noch sicherer gewesen. Am 24. März 2006 polemisierte der CVP-Nationalrat Gerhard Pfister vor dem Gewerbeverein Risch/Rotkreuz gegen die alternativen Warnungen vor der «Ostmafia». Im neoliberalen Vortrag mit dem Titel «Der Kanton Zug und der Steuerwettbewerb» bekamen auch der St. Galler CVP-Finanzdirektor Peter Schönenberger, die Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf und selbst der Zuger alt Nationalrat Peter Hess ihr Fett ab. Die kleinste Kritik an der zugerischen Tiefststeuerpolitik oder an russischen Firmen wurde vom späteren Wertedebattierer mit wertefreiem Sarkasmus abserviert.

Pfister hielt sein Referat zehn Wochen nachdem 2006 eine Medienmitteilung erschienen war mit dem Titel: «Zuger Alternative distanzieren sich von Putin-Gesellschaften». Darin warnten wir vor den Gazprom-Firmen, die sich im Dezember 2005 in Zug niedergelassen hatten. Unter anderem wiesen wir darauf hin, dass deren «Hintermann» der «russische Demokratieabbauer Wladimir Putin» ist. Wir riefen in Erinnerung, dass demselben Staatspräsidenten «im Oktober 2002 im Zuger Casino von Michael Gorbatschow der Friedenspreis einer besonders dubiosen Nukleargesellschaft verliehen» worden war.

Die Erwähnung der Pro-Putin-Gala verband sich mit der Vermutung, dass es der Kreml auf den Standort Zug abgesehen hatte. Zum Glück hatte der Kanton Zug 2002 einen alternativen Landammann, der einen Boykott der Putin-Feier durch die Zuger Regierung durchsetzte.

Von der Stasi zur Gazprom

In der Medienmitteilung vom Frühjahr 2006 zeigten wir weiter auf, dass mit der Gazprom «das alte Stasi-Gespenst und das alte Ostmafia-Gespenst» wieder auftauchten. Chef der Gazprom war der ehemalige Stasi-Offizier und Putin-Freund Matthias Warnig. Und deren wichtigster Zuger Verwaltungsrat war der ehemalige CVP-Gemeinderat und Anwalt Urs Hausheer, früherer Verwaltungsrat einer Firma, welche die Stasi belieferte.

Die Ostmafia hatte in den 90er-Jahren versucht, sich in Zug einzunisten. Es gehört zu den wichtigsten Verdiensten des damaligen Justiz- und Polizeidirektors Hanspeter Uster, dies mit dem Ausbau der Wirtschaftspolizei und mit dem Gegenteil einer «Willkommenskultur» verhindert zu haben.

Auch unsere Kampagne gegen die neue Ostmafia, die Putin-Gesellschaften, wurde von vielen Bürgerlichen nicht goutiert. Als wir im Juli 2006 anlässlich eines Arbeitsbesuchs des Gazprom-Aufsichtsrats Gerhard Schröder enthüllten, dass sein Begleiter namens Warnig eine ehemalige Stasi-Grösse ist, wurden wir von der politischen Rechten belehrt, dass es die Stasi nicht mehr gäbe. Aber es gab noch die beiden Berliner und Zuger Seilschaften aus den 1980er-Jahren, deren Knoten ein gewisser Putin war. Hier lag die verhängnisvolle Bedeutung des «alten Stasi-Gespenstes».

Alternative Vorschläge

Wir schlugen 2006 zwei Sachen vor: Die Gazprom, zu der auch die Nordstream gehört, als unerwünscht zu erklären und auch entsprechend zu behandeln. Und mit der Steuersenkungspolitik endlich aufzuhören: «Tiefe Steuern haben auf dubiose Firmen eine besonders attraktive Wirkung, erst recht, weil sie davon ausgehen, in der Steuerfluchtwelle untertauchen zu können.»

Hätte sich Gerhard Pfister damals von den Putin-Gesellschaften statt von uns Alternativen distanziert und wäre ihm dabei ein Teil der Bürgerlichen gefolgt, befände sich Zug heute nicht in der Putin-Falle. Gemeinsam mit der Linken hätte es eine politische, gesellschaftliche und vielleicht sogar gewerbliche Mehrheit gegeben – wie in den 90er-Jahren gegen die erste Ostmafia. Fast alle, welche die Gefahr bei uns Alternativen statt bei den Putin-Firmen und seinen Oligarchen sahen, sind in den letzten Wochen kleinlauter geworden.

Aber von der Einsicht, dass sich Zug von der Tiefsteuerpolitik und von der grassierenden Willfährigkeit verabschieden muss, ist bislang wenig zu spüren. Am wenigsten beim laut gebliebenen Finanzdirektor.

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