So wirkt der Ukraine-Krieg auf die Zuger Wirtschaft

Heinz Tännler: «Zug macht keine ‹Deals› mit Unternehmen»

Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler betont, dass mit Unternehmen wie Nord Stream 2 keine «Deals» abgeschlossen würden. (Bild: mku/Archiv)

Der Ukraine-Krieg beeinflusst Zug – besonders in finanzieller und volkswirtschaftlicher Hinsicht. Dass aufgrund der Sanktionen Steuereinnahmen flöten gehen, findet der Regierungsrat verkraftbar. Aktiv gegen Firmen vorgehen kann und will er nicht.

Eigentlich äussern sich die Schweizer Kantone nicht zu aussenpolitischen Fragen. Die Zuger Regierung macht an diesem Freitag eine Aussnahme – und lädt zu einer Medienkonferenz zum Ukraine-Krieg.

«Der Kanton Zug ist als internationaler Wirtschaftsstandort und mit einer nicht unbedeutenden russischen Diaspora besonders betroffen», erklärt Landammann Martin Pfister (Die Mitte Kanton Zug). «Auch gibt es bei uns einige Unternehmen, die einen direkten Bezug zu Russland haben. Dass bei dieser Medienkonferenz vier Regierungsräte anwesend sind und dass zahlreiche Medienschaffende gekommen sind, zeugt davon, wie sehr uns das Thema des Ukraine-Kriegs beschäftigt», so Pfister.

Mit Spannung erwartet wurde die Haltung der Zuger Regierung zu den finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts auf den Kanton. Und zur Rolle, die Zug als Firmensitz verschiedener russischer Unternehmen spielt. Letztere ist ein kontroverses Thema, das schon vor Beginn des Kriegs für Unmut bei Zugern sorgte (zentralplus berichtete).

Wirtschaftliche Auswirkungen des Kriegs

Immer wieder wird die Zuger Regierung aktiv, um auf die russischen Unternehmen, die hier ihren Sitz haben, einzuwirken. Das ist aus Sicht von Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut (Die Mitte Kanton Zug) aber nicht so einfach. Und zwar, weil es keine anerkannte Definition des «russischen Unternehmens» gebe. Ihr Kollege, Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP), fügt an: «Es ist nicht eindeutig, wie nahe ein Unternehmen dem Kreml oder dessen Opposition steht.»

Tatsächlich gibt es in Zug Unternehmen, die als Kreml-nah bezeichnet werden können (zentralplus berichtete). Etwa mehrere Tochterunternehmen des russischen Konzerns Gazprom, der mehrheitlich der russischen Föderation gehört. Müsste da die Regierung nicht handeln?

Ihre Antwort liefert die Zuger Volkswirtschaftsdirektorin Silvia Thalmann-Gut im Video:

Thalmann-Gut weist darauf hin, dass für Interventionen die nötige Rechtsgrundlage fehlt. Die Grundüberlegung aller wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liege in der Ermöglichung unternehmerischer Tätigkeiten.

Die von der Schweiz verhängten Sanktionen würden deshalb nicht über das Verbot wirtschaftlicher Tätigkeit greifen, sondern vielmehr über den Finanzsektor, also die Sperrung von Konten. «Jeder, der schon einmal unternehmerisch tätig gewesen ist, weiss, dass es sehr schnell geht, wenn einem erst einmal die liquiden Mittel fehlen. Das ist sehr einschneidend», so Thalmann-Gut.

Wirkung der Sanktionen schwer fassbar

Die Wirkung der Sanktionen auf direkt oder indirekt betroffene Personen oder Unternehmen sei derzeit schwer abschätzbar. Statthalterin Silvia Thalmann-Gut erläutert: «Für die international vernetzte Zuger Wirtschaft sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Weltkonjunktur entscheidender als die Folgen der Sanktionen auf Unternehmen im Kanton Zug.»

Gemäss der Kontaktstelle Wirtschaft des Kantons Zug sei man in den letzten acht Jahren mit circa 40 Unternehmen und 900 Beschäftigten im Kontakt gewesen, die einen «russischen Konnex» aufweisen. Hauptsächliche Branchen seien Energie, Rohstoffe, Dünger sowie Finanzen.

Zum Vergleich: Im Kanton Zug sind rund 37'000 Unternehmen mit 117'000 Beschäftigten tätig. Der wirtschaftliche Erfolg des Kantons Zug basiere auf einer langfristigen Entwicklungsstrategie und guten Rahmenbedingungen, die für alle Unternehmen gelten.

«Der Wegfall der 21 Millionen Franken wird uns nicht in finanzielle Bedrängnis bringen.»

Heinz Tännler (SVP), Zuger Finanzdirektor

Basierend auf den Zahlen 2020, habe die Finanzdirektion rund 20 Gesellschaften mit direktem Bezug zu Russland identifiziert. Zudem weise das Steuerregister von über 80'000 Steuersubjekten etwa deren 300 mit Staatsangehörigkeit Russland aus.

21 Millionen von russischen Firmen und Personen

Der Bund habe für die Steuerperiode 2020 von den russischen Gesellschaften und den natürlichen Personen insgesamt rund 29 Millionen Schweizer Franken eingenommen. Der Kanton Zug habe rund 21 Millionen Franken erhalten und die zugerischen Gemeinden insgesamt etwa 10 Millionen Franken. Finanzdirektor Heinz Tännler erklärt: «Die 21 Millionen Franken stellen für den Kanton Zug einen substanziellen Beitrag dar. Ihr Wegfall wird uns allerdings nicht in finanzielle Bedrängnis bringen.»

Die Volkswirtschaftsdirektion spricht von 40 russischen Firmen, die Finanzdirektion von 20. Wie kommt das? Grund sei die Handelsfreiheit, wie Thalmann erklärt: «Wenn jemand aktiv wirtschaften will, kann er das. Auf die Nationalität bezogen gibt es keine Einschränkungen bezüglich der wirtschaftlichen Berechtigung.»

Wo man letztere jedoch anerkennen müsse, sei, wenn eine Firma eine Bankverbindung eröffne. «Darum wurden die Sanktionen unter diesem Aspekt gemacht», so die Regierungsrätin.

«Auch wir erhalten von frustrierten Personen Hinweise, dass wir Russen ausweisen sollen.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor

Finanzdirektor Heinz Tännler spürt vermehrt Missmut gegenüber russischstämmigen Firmen im Kanton. «Auch wir erhalten von frustrierten Personen Hinweise, dass wir Russen ausweisen sollen. Das geht jedoch nicht. Wir leben in einem Rechtsstaat, es gilt die Niederlassungsfreiheit.» Man könne daher nicht einfach das Heft in die Hand nehmen und eine eigene Rechtsposition schaffen. «Ich verstehe den Frust der Bürger. Wir sind jedoch kein Bananenstaat», so Tännler.

Weltoffener Kanton Zug

Ausserdem zeichne sich der Kanton Zug als weltoffener und liberaler Wirtschaftsstandort aus. «Er verfügt über hervorragende Rahmenbedingungen und eine etablierte Willkommenskultur», sagt der Finanzdirektor.

An dieser Stelle betont er: «Wir weisen Aussagen zurück, wonach die Zuger Steuerverwaltung ‹Deals› mit Unternehmen abschliesse. Der Kanton Zug kennt keine Spezialvereinbarungen und bevorzugte Besteuerungen.» Das würden auch die intensiven Kontrollen des Bundes zeigen, betont Tännler.

«Ich rufe die Bevölkerung auf, auch mit der kleinen Diaspora aus Russland weiterhin freundlich umzugehen.»

Martin Pfister, Zuger Landammann

«Wir sind transparent, behandeln alle gleich und halten somit höchste Standards ein. Gerade deswegen sind in Zug viele innovative, internationale Unternehmen ansässig, die zum Wohlstand der gesamten Schweiz beitragen.»

Seid lieb mit den Russen in Zug

Last but not least betont Landammann Pfister an der Medienkonferenz: «Wir wollen eine warme Gesellschaft sein. Eine, die ihre humanitäre Aufgabe erfüllt, eine, in der man gerne lebt und in Beziehung zueinander steht.» Er sei beeindruckt von der Solidarität, die er in der Bevölkerung spüre.

Dies zeigt sich auch in der Zahl der Hilfsangebote von Zugerinnen, die Geflüchtete bei sich aufnehmen wollen. Für dieses Thema zuständig ist Andreas Hostettler (FDP), Direktor des Innern. Er bezeichnet den Krieg in der Ukraine als «unaufhaltsame Tragödie, nur vier Auto-Tankfüllungen von uns entfernt». Darüber, wie der Kanton die Aufnahme von Geflüchteten organisiert – und welche Rolle Freiwilligen dabei zu kommt, berichtete zentralplus hier.

Martin Pfister richtete sich am Ende der Medienkonferenz mit einem Appell an alle Zuger: «Ich rufe die Bevölkerung auf, auch mit der kleinen Diaspora aus Russland weiterhin freundlich und gastfreundlich umzugehen und diese willkommen zu heissen.» Eine differenzierte Betrachtung der Ereignisse sei wichtig.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme an der Medienkonferenz
  • Gespräch mit Silvia Thalmann-Gut
  • Medienmitteilung des Kantons Zug
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Daniel
    Daniel, 25.03.2022, 23:00 Uhr

    Heinz Tännler ich wäre mir nicht so sicher ob man mit so einer Politik wiedergewählt wird. Die freie Demokratie wünscht kein solches Verhalten. Danke für ihren Rücktritt

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  • Profilfoto von Heinrich Vogelsang
    Heinrich Vogelsang, 05.03.2022, 18:41 Uhr

    Die Zuger Regierung weiss also nicht, welche und wieviele russischen Unternehmen in ihrem Kanton wirtschaften, sie weiss nicht, wer von den Sanktionen betroffen ist und sie ist auch nicht zuständig, um diese durchzusetzen. Aber wenn sich ein putintreuer Oligarch in Zug niederlassen will, dann darf er das gerne mit dem Segen der Zuger Regierungsräte tun.

    So sieht also die Anwendung der Sanktionen am Wirtschaftsstandort aus. Mir scheint, ein wenig Nachhilfe täte bei der Dame und den Herren not.

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  • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
    Kasimir Pfyffer, 04.03.2022, 17:57 Uhr

    «Die Grundüberlegung aller wirtschaftlichen Rahmenbedingungen liege in der Ermöglichung unternehmerischer Tätigkeiten.» – Ja genau. Moralische oder gar ethische Überlegungen würden den Kanton Zug nur bei seiner Prostitutions-Arbeit stören. Und die «fehlenden gesetzlichen Grundlagen» sind die ultimative Allzweck-Ausrede. Wie hiess es doch noch früher? Wir sind verantwortlich für das, was wir tun. Aber eben auch für das, was wir nicht tun. Im Nicht-Tun, im Wegschauen, im Nicht-Wissen-Wollen ist der Zuger Filz einsame Spitze. Erst unter massivem internationalem Druck – und der baut sich gerade auf – wird man widerwillig und greinend anfangen, den Saustall ein kleines bisschen aufzuräumen.

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    • Profilfoto von Mark
      Mark, 05.03.2022, 22:19 Uhr

      Genau! Der Filz ist von einer schieren Undurchlässigkeit geprägt. Mit seiner FIFA-Vergangenheit konnte Heinz Tännler sicher nicht in den Bundesrat gewählt werden. Das hat er eingesehen. Aber als Zuger Finanzdirektor reicht es moralisch abermals!

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