Politik
Zickzack-Kurs in der Pandemie-Bekämpfung?

Corona-Kehrtwende: Luzerner Regierung verteidigt sich

Luzerns Gesundheitsdirektor Guido Graf fordert vom Bund strengere Corona-Massnahmen. (Bild: jru)

Sollen die Corona-Massnahmen nochmals verschärft werden? Erst noch sprach sich die Luzerner Regierung dagegen aus, nun fordert Gesundheitsdirektor Guido Graf genau das vom Bundesrat. Wie geht das auf? zentralplus hat nachgefragt.

«Noch vor zwei Wochen trat der Kanton Luzern bei den Corona-Verschärfungen lieber auf die Bremse, nun ist es laut Gesundheitsdirektor Guido Graf fünf nach zwölf», spottet der «Blick» derzeit über den Zickzackkurs des Luzerner Regierungsrats.

Graf hatte am Dienstag gefordert, dass der Bundesrat schweizweit die Corona-Massnahmen verschärft (zentralplus berichtete). Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) spielte den Ball umgehend zurück. Auch die Kantone hätten eine «gewisse Verantwortung».

Er erinnerte daran, dass diese noch vor zwei Wochen strengere Corona-Massnahmen abgelehnt haben (zentralplus berichtete). Auch die Luzerner Regierung hatte sich in einer Mitteilung gegen viele der Verschärfungen ausgesprochen, die der Bundesrat vorgeschlagen hatte.

War der Anstieg der Fallzahlen vorhersehbar?

Gesundheitsdirektor Guido Graf wehrt sich gegen den Vorwurf, eine Fahne im Wind zu sein. «Es ist nicht so, dass Luzern vor zwei Wochen auf die Bremse gestanden ist», schreibt er auf Anfrage von zentralplus.

Vielmehr habe sich der Regierungsrat aufgrund der damaligen Ausgangslage von den zwei vorgeschlagenen Varianten für jene mit den weniger einschneidenden Massnahmen ausgesprochen. «Die Pandemie verlangt aber, dass wir die Massnahmen immer wieder mit dem Pandemieverlauf abgleichen», so Graf.

«Es ist nicht so, dass wir tatenlos zusehen. Im Gegenteil!»

Guido Graf

«Vor zwei Wochen hatten wir noch Grund zur Annahme, dass wir die Omikron-Welle wie auch die bisherigen Wellen in den Griff bekommen», meint der Gesundheitsdirektor weiter. Aufgrund von verschiedenen Szenarien aus anderen Ländern und Berechnungen der Science-Taskforce des Bundes hätten sich nun aber die Anzeichen verdichtet, dass die Omikron-Welle die Schweiz viel stärker treffen werde als die bisherigen.

Die Taskforce rechnet bereits im Januar mit 20'000 Ansteckungen pro Tag, wie sie an einem Point de Presse am Dienstag sagte.

Neue Corona-Massnahmen: Feuerwerk zu Silvester abgesagt

Zwar seien die Verläufe häufig milder als bei der Delta-Variante, meint Graf. Aber wegen der extrem hohen Ansteckung sei damit zu rechnen, dass innert kurzer Zeit die Spitaleintritte sehr schnell zunehmen und einige dieser Patienten auf der Intensivstation behandelt werden müssen.

«Bei den meisten Massnahmen macht es jedoch keinen Sinn, oder es ist sogar kontraproduktiv, wenn es nur in einzelnen Kantonen gilt.»

Guido Graf

«Und gleichzeitig fällt auch mehr Spitalpersonal aus», befürchtet der Mitte-Regierungsrat. «Im Übrigen ist es nicht so, dass wir tatenlos zusehen. Im Gegenteil! So haben wir beispielsweise das Feuerwerk in der Stadt Luzern, das an Silvester geplant war, nicht bewilligt.» Zudem gelte ab Mittwoch ein Besuchsverbot in den beiden grossen Akutkliniken des Kantons Luzern.

Die Menschen weichen aus – und machen die Situation noch schlimmer

Es gebe Massnahmen, die Sinn machen, auch wenn sie nur regional gelten, wie etwa das Besuchsverbot in Spitälern. «Bei den meisten Massnahmen macht es jedoch keinen Sinn oder es ist sogar kontraproduktiv, wenn es nur in einzelnen Kantonen gilt.»

So wichen die Leute einfach in den Nachbarkanton aus, wenn im eigenen Kanton zum Beispiel eine Party verboten ist. «Damit nimmt nur die Reisetätigkeit zu und das wiederum fördert die Verbreitung des Virus. Zudem führt es beim Contact Tracing zu Mehrarbeit bedingt durch die kantonsübergreifende Koordination und Datenweitergabe», so Graf.

«Beim Bund hat es genügend Fachleute, welche beurteilen können, welche Massnahmen jetzt angezeigt sind.»

Guido Graf

Es sei zudem nicht so, dass nur Regierungsrat Guido Graf an den Bund appelliert habe. Auch der Vorstand der Kantonsärzte-Vereinigung habe den Bund am 23. Dezember gebeten, dringend zusätzlich weitergehende, notwendige, schweizweite Massnahmen zu ergreifen, um ein «Worst-Case-Szenario» zu vermeiden.

«In diesem Sinn fühlt sich Regierungsrat Guido Graf in seiner Forderung und Erwartung bestätigt», heisst es vonseiten der Regierung. Infrage kämen «ganz viele und unterschiedliche Einschränkungen». «Wir haben in den letzten zwei Jahren diverse Einschränkungen gehabt, die sich mehr oder weniger gut bewährt haben. Beim Bund gibt es genügend Fachleute, die beurteilen können, welche Massnahmen jetzt angezeigt sind.»

Kurz zusammengefasst, stellt sich die Luzerner Regierung auf den Standpunkt: Nicht ihre Meinung habe sich geändert, sondern die Ausgangslage.

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