Big Brother? Digitale Plakatwände in Zug sind mit Kameras ausgestattet
Als erste Schweizer Stadt hat Zug ihre herkömmlichen Stadtpläne aus Papier durch digitale ersetzt. Ausgestattet sind diese mit Kameras, die eine personalisierte Werbung ermöglichen würden. Eingesetzt werden dürfen sie aber nicht.
Seit einigen Tagen stehen in der Zuger Innenstadt an acht Plätzen grossformatige, doppelseitige Digital-Stelen. Zu finden sind sie etwa am Bahnhof, bei verschiedenen Haltestellen, Parkings und Einkaufszentren – und zu sehen ist darauf ein Stadtplan.
So manch eine Zugerin und manch ein Zuger dürfte sich beim Vorbeigehen schon gefragt haben: Ist das da oben ein Bewegungssensor? Oder eine Kamera? Werde ich gerade gefilmt? Und wenn ja, wozu werden die Aufnahmen verwendet?
zentralplus hat nachgefragt. Und zwar bei der Firma Livesystems, welche die Plakatwände geliefert hat. CEO Olivier Chuard bestätigt auf Anfrage, dass es sich nicht um einen Bewegungsmelder, sondern um eine Kamera handelt. «Sie läuft aber nicht, ist auch nicht am Strom angeschlossen und hat keine Verbindung zu einem Rechner», betont er.
Personalisierte Werbung – ein umstrittenes Thema
Seine Firma verbaue Stelen mit integrierter Kamera, weil das heute Standard sei. Zudem dienen die Kameras – nicht zu unterschätzen – der Prävention gegen Vandalismus.
Aber: «Die Stadt Zug verbietet die Nutzung von Sensoren und Kameras ausdrücklich; die Firma Livesystems hat weder in Zug noch anderswo in der Schweiz Pläne mit den integrierten Kameras», sagt Chuard.
Kameras in Plakatwänden sind ein umstrittenes Thema. Letztes Jahr berichtete die NZZ, dass in der Filiale der Zürcher Kantonalbank am Hauptbahnhof intelligente Kameras Alter und Geschlecht der Kunden analysieren würden. Das Ziel: Personalisierte Werbung.
Wenn die Kamera ältere Menschen erkennt, schaltet sie andere Werbung als bei jungen oder – anderes Beispiel – bei Frauen andere als bei Männern. Je nach Konstellation gewisser Parameter reagiert der Screen individuell – und spricht den Kunden anders an.
Zug ist restriktiv bei der Bewilligung von Kameras
Hinter der Software der Digital-Stelen steht die St. Galler Firma «Advertima». Gegenüber der SRF-Sendung «10 vor 10» sagte Co-Gründer Christian Naef vor zwei Jahren: «Wir betreiben keine Gesichtserkennung und wir speichern keine Daten.» Man sei nur an anonymisierten Merkmalen interessiert, damit sich die Werbung beispielsweise dem Geschlecht der Person anpassen kann.
Livesystems setzt die Technik bislang nicht ein. «Der Umgang mit dieser neuen Werbetechnik muss vom Gesetzgeber und im politischen Prozess definiert werden», sagt CEO Olivier Chuard.
Dieter Müller, Kommunikationsbeauftragter bei der Stadt Zug betont: «Im öffentlichen Raum laufen nur Kameras, die vom Kanton bewilligt worden sind.» Und Zug ist in dieser Hinsicht bislang sehr restriktiv.
Wie umstritten das Thema ist, zeigt die Debatte um die Videoüberwachung zwischen Bahnhof und Bossard-Arena. Obwohl die Zuger Kantonsregierung die Kameras schon 2017 bewilligt hat, sind sie aufgrund von Einsprachen bis heute noch nicht im Einsatz. Sie werden am «Eidgenössischen» in Betrieb genommen (zentralplus berichtete).
Schriftgrösse und Auflösung stimmen noch nicht
Die digitalen Stadtpläne haben übrigens noch eine Kinderkrankheit: Die Strassennamen lassen sich aufgrund der kleinen Schrift und der tiefen Auflösung des Bildschirms teils kaum erkennen. Dies soll sich gemäss Müller aber in naher Zukunft ändern:
«Wir arbeiten daran. Künftig wird auf den Karten nicht mehr die ganze Stadt, sondern nur der Ausschnitt zu sehen sein, in dem man sich gerade befindet.» Der Massstab wird dadurch grösser, sodass die Beschriftungen gut lesbar sein werden.