Zuger Stadtrat überarbeitet Lärmreglement

Musik am See zu hören ist nur noch diesen Sommer illegal

Hier tanzt der Bär – allerdings nur zu Musik in Zimmerlautstärke: Alpenquai in Zug. (Bild: Markus Mathis)

100 Franken Busse riskiert, wer in Zug auf öffentlichem Grund seine Lieblingsmusik hört. So will es ein Regelung aus dem Jahr 1972. Der Stadtrat Zug will die Bestimmung aus der Zeit jetzt lockern. Dies ist ein heikles Unterfangen.

In Zug muss man nicht immer laut Musik hören, um eine Busse zu kassieren. Manchmal reicht Pech und eine ungeschickte Kommunikation mit Polizisten und Lärmpatrouillen, wenn diese die Besitzer von laufenden Musikgeräten am Zuger Seeufer zur Rede stellen.

Dies ist Jungpolitikern aus vier verschiedenen Parteien zu Ohren gekommen. Unter der Federführung von Jérôme Peter (SP) und Joshua B. Weiss (FDP) verlangen sie, dass der Stadtrat den Paragrafen 7 des städtischen Lärmreglements aus dem Jahr 1972 ersatzlos streicht. Dieser untersagt apodiktisch «auf öffentlichen Strassen, in öffentlichen Anlagen und Badeanstalten» den «Gebrauch von Radios, Tonbandgeräten und ähnlichen Apparaten».

Neue Regeln bis Ende Jahr

Dieser Passus diene der Polizei offensichtlich als Rechtfertigung für Bussen, die unabhängig von Zeitpunkt und Lautstärke der Musik ausgesprochen werden, kritisieren die Jungparlamentarier. Der Stadtrat soll sich eine andere Regelung ausdenken, die ein tolerantes Miteinander am Seeufer möglich mache.

Die gute Nachricht lautet: Der Stadtrat möchte die Motion der Jungen erheblich erklärt wissen. Dies beantragte er Anfang April in einem Zwischenbericht zur Motion. Die schlechte Nachricht: Für diesen Sommer reicht’s nicht mehr. «Mein Ziel ist es, bis Ende Jahr ein revidiertes Lämreglement zu haben», sagt der zuständige Stadtrat Urs Raschle (CVP). Motionär Jérôme Peter meint: «Wir sind schon sehr gespannt, was die Stadtregierung uns vorlegt.»

Mittlerweile gibt’s übergeordnetes Recht

Man sei bereits seit zwei Jahren dabei, Abklärungen zu treffen, sagt Urs Raschle. Denn die FDP hatte bereits 2016 den Stadtrat per Motion verpflichtet, alle alten Erlasse systematisch zu überprüfen. Der Vorsteher des Departement Soziales, Umwelt, Sicherheit (SUS) gibt zu bedenken, dass das Lärmreglement der Stadt Zug auch deshalb überholt ist, weil es mittlerweile übergeordnetes Recht gibt, welches Lärm regelt. Daher wolle man auf Gemeindeebene nur noch festlegen, was Bund und Kanton nicht geregelt haben.

Konkret gibt es seit 2013 ein Übertretungsstrafgesetz im Kanton Zug, das sich unter anderem zu Lärm äussert. Danach kann jemand mit einer Busse bestraft werden, der die Nachruhe stört oder «der aussergewöhnlichen Lärm verursacht, der über das üblicherweise zu tolerierende Mass am fraglichen Ort hinausgeht». Der Zuger Stadtrat geht davon aus, dass die Polizei ihre Bussen am Seeufer gestützt auf dieses Gesetz ausspricht.

Tag und Nacht sind unterschiedlich

Der Bund seinerseits hat Regelungen erlassen, wie viel Lärm wo zu tolerieren ist, oder, genauer: wie viele Dezibel in fremden Ohren ankommen dürfen. Dies wiederum hilft zu entscheiden, was überhaupt aussergewöhnlicher Lärm ist. «Ausserdem spielt die Uhrzeit eine Rolle», sagt Raschle. Vor 20 Uhr sei vieles erlaubt, zwischen 20 und 22 Uhr dann weniger und nach 22 Uhr gelte die Nachtruhe.

«Wir erhalten in letzter Zeit mehr Reklamationen aus der Nachbarschaft.»

Urs Raschle (CVP), Vorsteher Departement Soziales, Umwelt, Sicherheit (SUS)

Doch sehen wir uns die konkrete Situation an: Musik wird tagsüber in unbeaufsichtigten Badeanlagen wie dem Brüggli gehört, wo aber ohnehin noch eine separate Badeordnung gilt. Hier herrscht derzeit ein verhältnismässig rigides Regime des patrouillierenden Sicherheitspersonals.

Augenschein am Alpenquai

Ausserdem läuft Musik des Abends am Seeufer – vorab zwischen Rössliwiese und Jachthafen. Der Hotspot liegt beim Alpenquai, wo sich an warmen Abenden Hunderte Jugendliche tummeln. Ein Augenschein am Freitag um 20 Uhr ergab, dass verschiedene Grüppchen Aktivlautsprecher dabei haben, die aber kaum in Zimmerlautsärke laufen. Auch zwei Stunden später drang vom Alpenquai keine Musik an weiter entfernte Abschnitte der Uferpromenade – sondern nur menschliche Stimmen.

«Wir erhalten in letzter Zeit aber mehr Reklamationen aus der Nachbarschaft», sagt Urs Raschle. Er könne den Ärger gut verstehen, zumal sich neben dem bekannten Litteringproblem Akte von Vandalismus ereignen. Was den Lärm betreffe, so versuche man wegen der Coronapandemie Toleranz zu üben. «Die Jungen brauchen einen Ort, an dem sie sich treffen und unterhalten können», so Raschle.

Die Pandemie dürfte ausgestanden sein, wenn das neue Lärmreglement der Stadt Zug in Kraft tritt. Raschle macht sich aber keine Illusionen. «Dass Anwohner sich danach nicht mehr aufs alte Reglement stützen können, sondern aufs Zivilrecht und dass sie jedes Mal die Polizei benachrichtigen müssen – das dürfte nicht allen gefallen.»

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Stefan Koch
    Stefan Koch, 26.04.2021, 09:24 Uhr

    Falscher Ansatz! Das permanente Gezische (mittlerweile hat ja das Hi-Hat die Bassdrum als dominantes Geräusch abgelöst) ist nervtötend. Es bräuchte auf jedem öffentlichen Platz ein Verbot von Musik, die lauter ist als leise Gespräche. Zumal ja kaum jemand die Musik hört – sie tönt einfach vor sich hin.

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    • Profilfoto von Himmy
      Himmy, 26.04.2021, 12:10 Uhr

      kann ich voll unterstützen

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