«Gravierende Verfahrensmängel»

Luzerner Kantonsrichterin macht dem Bundesgericht schwere Vorwürfe

Am Bundesstrafgericht in Bellinzona soll es zu sexistischen Übergriffen gekommen sein. (Bild: zvg)

Marianne Heer ist eine Luzerner Kantonsrichterin, welche die Öffentlichkeit nicht scheut. Nun äussert sich die Professorin für Strafprozessrecht pointiert über das Bundesgericht. Sie wirft ihm gravierende Verfahrensmängel vor.

Das Bundesgericht hat die Aufsicht über das Bundesstrafgericht inne. In dieser Funktion musste die Verwaltungskommission des Bundesgerichts letzten Frühling diverse Vorwürfe prüfen, die an die Öffentlichkeit gekommen waren. Es ging um Mobbing, Sexismus und Spesenreiterei.

Bei der Erarbeitung des entsprechenden Untersuchungsberichts sind der Kommission jedoch aus Sicht der Luzerner Kantonsrichterin Marianne Heer gravierende Fehler unterlaufen. «Das rechtliche Gehör etwa wurde den Betroffenen offensichtlich nicht rechtsgenüglich gewährt», sagt sie in der «NZZ». «Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass das Bundesgericht nicht in der Lage ist, die elementarsten Verfahrensrechte einzuhalten», rügt sie.

Fehlende Führungskompetenz

Trotzdem würde sie nicht so weit gehen, von einer Krise der höchsten Gerichte zu sprechen. Es handle sich um einen Einzelfall. «Dieser muss genau unter die Lupe genommen werden, so wie es die Geschäftsprüfungskommissionen jetzt tun», sagt Heer weiter.

Sie betont, dass man es hier nicht mit einem juristischen Problem zu tun habe, sondern mit «fehlender Führungskompetenz und mangelnder Erfahrung bei der Durchführung einer administrativen Untersuchung.» Heer beurteilt denn auch das Auftreten des Bundesgerichtspräsidenten als kritisch. Er hatte sich im Laufe der Untersuchung selber sexistisch über eine Richterin geäussert.

Richterinnen wurden früher nicht ernst genommen

Die Zustände am Bundesstrafgericht in Bellinzona mussten untersucht werden, nachdem mehrfach Vorwürfe über Sexismus und Mobbing an die Öffentlichkeit kamen. Ersteres sei früher «gang und gäbe» gewesen, sagt Marianne Heer. «Lange hatten es Frauen in der von Männern geprägten Justiz sehr schwer, sich eine Position zu erkämpfen und anerkannt zu werden.»

In der jüngeren Zeit habe sie dies nicht mehr erlebt. Sie wolle aber keineswegs ausschliessen, dass es auch heute noch zu sexistischen Übergriffen komme. «Ich persönlich fühle mich heute sehr ernst genommen, obwohl ich denke, dass immer noch an Frauen höhere Anforderungen gestellt werden als an Männer.»

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