Hoffnung+Kiwi erbost

zentralplus sabotiert Zuger Kunstwerk

Michel Kiwic an der Vernissage von «Die letzte Arbeit» im Kunstkiosk in Baar. Noch wissen die Besucher nicht, was im Buch steht.

(Bild: Brigitte Andermatt)

Wer hätte damit rechnen können? Da laden zwei Zuger Künstler zur Vernissage, um ihr neuestes Werk zu präsentieren. Zeitgleich berichtet zentralplus über diesen Anlass. Und betreibt damit Sabotage der schändlichsten Art – erschafft aber zugleich ganz ungeplant ein neues Kunstwerk. Was ist geschehen?

Es ist eine Anekdote in fünf Kapiteln. Die Geschichte geht so: Das Zuger Künstlerduo Hoffnung+Kiwi hat ein Buch geschrieben. Es trägt den Titel «Die letzte Arbeit», ist gut 200 Seiten dick und konnte vom 19. bis zum 29. Mai 2016 im Kunstkiosk in Baar vorbestellt werden. Der Clou an der Sache bestand darin, dass im Vorfeld keiner so wirklich eine Ahnung davon hatte, was in dem Buch steht. Und reinblicken konnte man erst zur Finissage.

Kapitel 1: Auf der Suche nach dem Inhalt

Das machte natürlich neugierig. Was haben die beiden umtriebigen Künstler wohl zwischen die Buchdeckel gepackt? «Gewohnt pointiert zeigen Hoffnung+Kiwi das Spannungsfeld zwischen Fantasie und Fülle auf. Verspielt und unberechenbar nimmt der Inhalt unerwartete Wendungen und verlangt des Lesers letzten Tropfen Glaube an Freiheit» – die Worte auf dem Buchrücken waren auf der Suche nach Antworten leider nicht sonderlich hilfreich.

Der Neugier tat dies allerdings keinen Abbruch, im Gegenteil. Ich verabredete mich einen Tag vor der Vernissage mit den Autoren, um durch sie in Erfahrung zu bringen, was genau es denn mit diesem sonderlichen Werk auf sich hat. Wie das Ganze damals vonstatten ging, lässt sich hier nachlesen. Die Kurzform des Treffens präsentiert sich so: Fülle und Leere sind zugleich Feinde und treibende Kräfte der Fantasie. «Wissen ist Macht und mässig wichtig», zitieren die beiden aus ihrem Werk und kommen damit der Bitte nach, die Quintessenz aus dem Buch in einem Satz zusammenzufassen.

Hoffnung+Kiwi an der Vernissage im Kunstkiosk in Baar.

Hoffnung+Kiwi an der Vernissage im Kunstkiosk in Baar.

(Bild: zvg)

Kapitel 2: Das Medium ist die Botschaft

Im Verlaufe des Gesprächs wurde zunehmend klar, dass es Severin Hofer und Michel Kiwic in erster Linie gar nicht um den Inhalt des Buches geht, sondern um dessen Form. Was letztlich drin steht, ist eigentlich egal. Denn wenn es nach ihnen geht, würde es ausreichen, wenn die Leute interessiert und gespannt sind. «Dann haben wir es eigentlich schon geschafft», sagte Kiwic, der das Buch am liebsten gar nie veröffentlicht hätte, weil er die Leute in ihrer gespannten Erwartungshaltung gefangen halten wollte.

«Letztlich könnten die Seiten ihres Buches auch alle leer sein», habe ich damals daraufhin geschrieben und grossen Gefallen an diesem Gedanken gefunden. Entsprechend fand diese meine Vermutung auch einen prominenten Platz in meinem Artikel über «das Buch, das keiner lesen sollte». Der Buchdeckel hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt notabene kein einziges Mal geöffnet.

«Du hast unser Projekt sabotiert.»

Michel Kiwic, Hoffnung+Kiwi

Kapitel 3: Der Zorn der Autoren

Nun ja, während ich das Buch wie versprochen erst einen Tag nach der Vernissage öffnete, stiessen die einleitenden Worte meines Artikels den beiden Künstlern gelinde gesagt etwas sauer auf. «Du hast unser Projekt sabotiert», liess mich Michel Kiwic wissen. Weil ich geschrieben hatte, dass es höchst ungewiss sei, ob die Seiten im Buch überhaupt bedruckt sind, nährte ich ihren Unmut. Denn für sie war klar: Ich hatte den Leuten einen Floh ins Ohr gesetzt, und nun ging jeder davon aus, dass da tatsächlich gar nichts drin stand.

So war es letztlich auch. Also zumindest die Tatsache, dass das Buch leer war. 200 jungfräulich weisse Seiten. Ein einziger Satz steht ganz am Anfang geschrieben: «Wissen ist Macht und mässig wichtig.» Nicht schlecht, dachte ich, als ich die Blankoseiten erstmals durchblätterte. Leere als treibende Kraft der Fantasie. Sich von der Energie der Vorfreude gefangen nehmen. Diese Energie und damit den essentiellen Teil des Kunstwerks hätte ich zerstört, so die Anklage der beiden.

«Eigentlich ist es ziemlich genial, wie alles abgelaufen ist.»

Michel Kiwic

Kapitel 4: Der Plot nimmt eine unerwartete Wendung

Zwischenzeitlich hat sich der Unmut der Künstler allerdings gelegt. «Zuerst war ich mächtig sauer», sagt Kiwic heute rückblickend. «Aber dann habe ich mir selbst die Frage gestellt, wo meine Wut eigentlich herrührte. Und eigentlich ist es ziemlich genial, wie alles abgelaufen ist.» Denn die Geschichte ist an dieser Stelle noch nicht am Ende. Sie fängt gerade erst an.

Die beiden liessen sich nicht frusterfüllt im Jammertal nieder und mimten schmollend den Miesepeter. Hofer und Kiwic hatten einen Geistesblitz. Die Buchkäufer sollten ihre Exemplare nicht so bekommen, wie dies eigentlich geplant war – also leer. Das Buch musste mit Inhalt gefüllt werden. Nur, die Zeit war knapp, zur Finissage sollten die vorbestellten Ausgaben verschickt werden. Und womit füllt man auf die Schnelle 200 Seiten?

Die Idee des Künstlerduos ist genauso simpel wie originell. Ja, im Buch steht nun tatsächlich etwas drin: Hofer und Kiwic haben die Vernissage von «Die letzte Arbeit» verschriftlicht und zwischen die Buchdeckel gepresst. Die Protagonisten sind also all jene, die zur Buchvernissage gingen und sich eine Ausgabe kauften, ohne zu wissen, was drin stand, oder gar vermuteten, das Werk sei leer. Zehn Tage später wurde ihnen das Buch zugeschickt und sie durften feststellen, dass sie selber der Inhalt der Publikation sind.

Einblick in das letztlich doch bedruckte Buch. (Bild: Hoffnung+Kiwi)

Einblick in das letztlich doch bedruckte Buch. (Bild: Hoffnung+Kiwi)

(Bild: Hoffnung+Kiwi)

(Bild: Hoffnung+Kiwi)

«Die Geschichte ist das Kunstwerk.»

Michel Kiwic

Kapitel 5: Epilog

«In dieser Form, wie es nun besteht, ist das Werk nur durch den Bericht auf zentralplus entstanden», sagt Hofer. Der böswillige Sabotageakt ist mittlerweile vergessen. Kiwic fügt an: «Letztlich ist die ganze Geschichte das Kunstwerk. Nicht das Buch an sich oder das, was drin steht. Sondern das, was jenseits dessen geschehen ist.»

Ende gut, alles gut, ist man da geneigt zu sagen. Wobei: Die Originalausgaben von «Die letzte Arbeit», also jene mit leeren Seiten, existieren nach wie vor. Stapelweise liegen sie in den Gefilden der beiden Zuger Künstler. Man darf gespannt sein, was Severin Hofer und Michel Kiwic dereinst damit zu tun gedenken. Man wird von ihnen hören. Ganz bestimmt.

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