Schostakowitsch and Friends in Meggen

Zaubersee-Festival überzeugt mit Spezialisten

Diese beiden Streicher sind hoch konzentriert während des Konzerts.

(Bild: Ingo Höhn)

Rachmaninoff, Tschaikowsky, Prokofjew. Diese klangvollen Namen brachte das jährliche Zaubersee-Festival in den letzten Tagen im Hotel Schweizerhof und im KKL zu Gehör. In Meggen standen dagegen gestern mit Weinberg und Schebalin zwei weniger bekannte Komponisten auf dem Programm.

Weinberg. Wajnberg? Vainberg?! Die Schwierigkeiten fangen bei Mieczysław Weinberg schon mit der richtigen Übersetzung seines Namens ins Deutsche an. 1939 floh der Musikstudent vor der Wehrmacht von Warschau nach Moskau. Zeit seines Lebens war er den Sowjets zu polnisch, den Polen zu sowjetisch und allen zu jüdisch. Sein grosses Glück war die Freundschaft zum weltbekannten Komponistenkollegen Dmitri Schostakowitsch, der sich auch für Weinberg einsetzte, als dieser in den letzten Wochen von Stalins Terrorherrschaft wegen angeblicher jüdischer Verschwörungen inhaftiert wurde.

Zaubersee setzt auf Spezialisten

Am Samstagmittag brachte das Quatuor Danel in der malerisch gelegenen St. Charles Hall in Meggen Weinbergs «Improvisation & Romance» als Weltpremiere zu Gehör. In dieser kurzen musikalischen Skizze steckt viel: Die Violine beginnt gedämpft ein melancholisches Thema, in welches das Quartett einstimmt. Dem auch in Filmmusik geübten Komponisten fällt es leicht, innerhalb kürzester Zeit glaubhaft eine romantische Gefühlskulisse aus dem sparsamen, aber elegant verarbeiteten musikalischen Material zu zaubern.

In der St. Charles Hall in Meggen fand das Konzert statt.

In der St. Charles Hall in Meggen fand das Konzert statt.

(Bild: Ingo Höhn)

Ehe man sich versieht, verklingt bereits der letzte Ton – da bittet kurzerhand Numa Bischof Ullmann, Intendant des Luzerner Sinfonieorchesters, das Quartett um eine spontane Wiederholung. Die Musiker lassen sich gerne darauf ein, vielleicht auch, weil sie seit langem eine innige Verbindung zu Weinbergs Œuvre pflegen. Ihre Gesamteinspielung der Quartette Weinbergs legte die Grundlage, dessen weitestgehend unbekanntes Werk auch der breiteren Klassiköffentlichkeit zugänglich zu machen. Der voll besetzte Rittersaal lässt sich bereitwillig auf die gemeinsame Entdeckung der neuen Töne ein.

Gemeinsam Musik entdecken

Darauf folgt Wissarion Schebalins fünftes Streichquartett, sein heute noch bekanntestes Werk. Es feiert seinem Beinamen nach die «slawische Kultur» und wurde 1943 mit dem Stalinpreis, dem höchsten Staatspreis der Sowjetunion ausgezeichnet. Es ist aber keineswegs ein plumpes Propagandawerk, sondern eine gelungene Hommage an die Volksweisen und Lebensfreude seiner Landsleute – trotz, oder vielleicht gerade wegen der Kriegsumstände.

Schebalins fünftes Streichquartett

 

Einer kurzen Einleitung folgt die erste Melodie, ein simples, fallendes Thema, welches das Quartett ausdrucksvoll durchführt und in einer fröhlichen Wendung abschliesst.  Alle fünf Sätze folgen einer losen Form, die trotzdem verständlich und vor allem lebhaft ist. Besondere Freude machen die Kontraste zwischen den dunkleren und den tänzerisch-leichten Passagen.

Im zweiten Teil stösst die russische Pianistin Anna Vinnitskaya zum Geschehen, sie folgt damit zum zweiten Mal einer Einladung des Zaubersee-Festivals. Der geballten Kompetenz in Fragen russischer Musik des Quatuor Danel steht sie in nichts nach, wie ihre Einspielungen belegen. Sie stellt zuerst Schostakowitschs Puppentänze vor, eine Reihe kurzer Tanzmusiken, zusammengestellt aus verschiedenen früheren Kompositionen. Unter der charmanten Oberfläche stecken, wie immer bei Schostakowitsch jedoch immer kleine Irritationen und Überraschungen, die Vinnitskaya anschaulich akzentuiert.

Auch eine Pianistin stand im Einsatz.

Auch eine Pianistin stand im Einsatz.

(Bild: Ingo Höhn)

In Luzern treffen sich Gleichgesinnte

Zuletzt kommen das Quartett und die Pianistin für Schostakowitschs Klavierquintett, op. 57, gemeinsam auf die Bühne. Einem dramatischen g-Mollakkord vom Klavier folgt eine lyrische, intensive Melodie, die zuerst vom Klavier, später vom Cello und dann von den hohen Streichern getragen wird. Der langsame erste Satz kostet die Streicherharmonien theatralisch aus, während in der folgenden ausführlichen Fuge das Klavier den Ton angibt.

Schostakowitschs Klavierquintett:

 

Schostakowitsch nutzte gerne klassische Formen, nicht aber, ohne sich auch von ihnen zu emanzipieren. So streut er immer wieder «falsche» Noten in die Idylle des Scherzos und dehnt die harmonischen Grenzen im ansonsten strahlenden Finale. Den Musikern macht das Zusammenspiel sichtlich Spass. Auch sie profitieren davon, in Luzern auf gleichgesinnte Kollegen zu treffen, die sich mit dem speziellen Repertoire wie kaum andere auskennen.

Neue Musik

Mit diesem Konzert zeigt das Zaubersee-Festival, dass es nicht immer grosse Namen braucht, um ein grosses Konzert zu bestreiten. Und vielleicht, jedenfalls wenn es nach dem Quatuor Danel geht, sind bald Weinberg und Schebalin ebenso bekannt wie ihr Freund und Kollege Schostakowitsch. Verdient hätten sie es.

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