Ü60-Künstler präsentieren Werke mit geballter Lebenserfahrung
Kunst von heute muss mordern sein, frisch, hip, neu-entdeckt. Überall finden Austellungen zur Förderung von jungen Künstlern statt. Und was ist mit den alten? Ist ihre Kunst wirklich von gestern? Die Ausstellung «Frisch von heute» geht dieser Frage auf den Grund.
«Ich sehe ein grosses Potential in den Arbeiten der Künstler meiner Generation und will das der Öffentlichkeit zugänglich machen», erzählt Brigitte Moser, die Initiantin der Ausstellung. Moser selbst führt eine Schmuckgalerie in Baar und verdient ihr täglich Brot als Goldschmiedin. «Vor knapp einem Jahr kam mir die Idee, dass man als Variante zur ‹Jungkunst› doch mal eine ‹Altkunst›-Ausstellung machen könnte. Jeder der sich Künstler nennt, soll dabei sein. Einzige Bedingung ist, dass der Künstler über 60 Jahre alt ist.»
Mit Hilfe der Gemeinden Zug und Baar und des Kantons Zug erstellte sie eine Liste von 100 lokalen Künstlern, die für die Ausstellung angefragt wurden. 58 haben sich daraufhin gemeldet.
Ein langes Leben in einem Bild
Die Shedhalle in der Hofstrasse ist voller schwarzer Stellwände, eine oder auch mal zwei pro Künstler, was grob geschätzt etwa 200 Kunstwerke ergibt. «In so einem Werk stecken die Erfahrungen eines ganzen Lebens», schwärmt eine Besucherin.
Es ist berührend den Besuchern, oft im ähnlichen Alter wie die Künstler selbst, beim Wandern durch die Ausstellung zuzuschauen. Oft kennen sie den einen oder anderen persönlich und tauschen Geschichten oder Grüsse aus und blicken mir, die den Altersdurchschnitt im Raum beträchtlich senkt, interessiert hinterher.
«In so einem Werk stecken die Erfahrungen eines ganzen Lebens.»
Besucherin der Ausstellung
Mitten in der Ausstellung treffe ich dann auf Angela, eine altersmässig Gleichgesinnte und die rechte Hand von Brigitte Moser. Ihr absolutes Lieblingsobjekt sei die Rasierklingenkette von Patricia Jacomella. «Die Idee einer solchen Halskette hat, zusammen mit dem Titel ‹Happiness is a sharp blade›, in meinem Kopf ein Bild ausgelöst, dass sich dort festgebissen hat«, erzählt sie und schlendert weiter durch die Ausstellung, obwohl sie jedes einzelne Bild bereits kennt.
Mal top modern, mal altmodisch
Mittlerweile laufe auch ich schon zum zweiten Mal durch den Stellwand-Parcour und habe das Gefühl, dass das dritte Mal auch gleich folgen wird. Es ist unmöglich allen Werken die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken.
Hier abstrakt, da realistisch, dann wieder graphisch, Collagen, Stencil, Illustrationen, Scherenschnitte, auf Leinwand, hinter Glas, Objekte und eine Videoinstallation, mal top modern, mal altmodisch, da ein Blumenbild und dort Landkarten-Aktzeichnungen-Hybride.
Fast wünscht man sich einen Kunstlehrer als Begleitung, der die verschieden Strömungen und Stilistiken identifiziert. So bleibt mir nichts anderes übrig, als weiterhin durch die Halle zu gehen und mich zu wundern, was für ein Leben wohl für so ein Werk verantwortlich sein könnte.
Gut, dass mein Atelier gleich gegenüber liegt, so kann ich während meinen Kreativ-Pausen ein viertes oder auch fünftes Mal durchlaufen und weiter in diese Reise durch die Kunstgeschichte eintauchen.