Das bedeutet der Streit für die Mitarbeiterinnen

Suva-Knatsch: Luzerner Kantonsspital verliert vor Gericht

Das Luzerner Kantonsspital (Luks) darf nicht bei der Suva eine Unfallversicherung für die Mitarbeitenden abschliessen. (Bild: ber)

Das Luzerner Kantonsspital ist der grösste Arbeitgeber der Zentralschweiz: Seine Mitarbeiter gegen Unfälle zu versichern, ist ein Mega-Auftrag mit einem Volumen von mehreren Millionen Franken. Und genau darum ist nun ein Rechtsstreit entbrannt.

Die Schweizerische Unfallversicherungs-Anstalt (Suva) hat es gut. Sie braucht sich nicht darum zu sorgen, dass ihr die Kunden ausgehen. Grund: Dem Förster, der Metzgerin und auch dem Steinmetz bleibt gar keine Wahl: Das Gesetz schreibt vor, dass die Suva sie gegen Unfälle versichert.

Wie hoch die Prämien sind, ist weitgehend dem Ermessensspielraum der Suva überlassen, wie die «Basler Zeitung» vor einigen Jahren kritisierte. Und als Versicherung geht sie dabei gern auf Nummer sicher. «Die Suva hütet 60 Milliarden Franken», titelte die NZZ im Juni – und sprach damit die Reserven an.

Prämien Jahr für Jahr erhöht

Noch 2017 argumentierte die Suva vor dem Bundesverwaltungsgericht, die bestehenden Reserven seien aufgebraucht. Der Nettobedarf der Versicherten sei höher als die Prämien. Damit rechtfertigte sie damals gegenüber der BZ, dass sie vom Universitätsspital Basel Jahr für Jahr höhere Prämien verlangte.

«2014 10 Prozent mehr, 2016 über 30 mehr und 2017 erneut zwischen 5 und 10 Prozent mehr», schrieb die «Basler Zeitung». Dem Spital seien Aufwendungen in Millionenhöhe entstanden, die Mitarbeiter seien durch höhere Lohnabzüge belastet worden.

Hat die Suva ihre Macht missbraucht?

Das Problem: Hat sich ein öffentlich-rechtlicher Betrieb mal entschieden, seine Mitarbeitenden bei der Suva zu versichern, so bleibt das bis in alle Ewigkeit so. Das steht in der Verordnung über die Unfallversicherung, und diese Praxis hat das Bundesgericht in einem Leitentscheid 2015 bestätigt. Das Universitätsspital Basel musste in den sauren Apfel beissen und bei der Suva bleiben.

Politische Kritik gab es schon vorher. 2011 wetterte Nationalrat Jürg Stahl (SVP) in einem Vorstoss, die Suva habe mit ihrem Angebot von Dumping-Prämien im Rahmen der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen von drei Spitälern im Raum Basel bewiesen, dass nicht nur die Gefahr eines Machtmissbrauchs der Monopolanstalt bestehe. «Sie hat diese Macht bereits krass missbraucht», schrieb der Zürcher.

Luks ist ein lukrativer Auftrag für die Unfallversicherungen

Nun beschäftigt ein Knatsch zwischen einem privaten Unfallversicherer und der Suva auch die Luzerner Gerichte. Dabei geht es um Folgendes: Das Luzerner Kantonsspital ist im Juli in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft umgewandelt worden (zentralplus berichtete).

Die fast 7’300 Mitarbeiterinnen des grössten Arbeitgebers der Zentralschweiz gegen Unfälle zu versichern, ist ein äusserst lukrativer Auftrag. Bisher hatte eine andere private Unfallversicherung diesen inne. Doch im Juni wurde er offiziell im Kantonsblatt neu ausgeschrieben.

Sowohl private Anbieter als auch die Suva wurden zugelassen. Das ist speziell, denn die öffentliche Verwaltung kann nicht völlig frei entscheiden, ob sie ihre Mitarbeiter bei der Suva oder bei einer privaten Gesellschaft versichert. Eine Wahl besteht explizit nur dann, wenn neu geschaffene Verwaltungs- und Betriebseinheiten erstmals eine eigene Rechnung führen. 

Ist das Luks eine «neu geschaffene Einheit»? Nein.

Das Luks betrachtete sich nach der Umwandlung der Spitalbetriebe in gemeinnützige Aktiengesellschaften als eine solche «neu geschaffene Einheit»: Es erteilte den Zuschlag der Unfallversicherung der Suva, die am günstigsten offerierte.

Das Kantonsgericht sagt nun aber, dass das Luks diese Wahl gar nicht hätte treffen dürfen. Und zwar weil es eben nicht eine «neu geschaffene Einheit» sei. Schliesslich hätten die nun ausgelagerten Geschäftsbereiche schon vorher zur Organisation der öffentlichen Spitäler gehört und seien Teil der Rechnung gewesen. Das Kantonsgericht taxiert die Vergabe an die Suva daher als rechtswidrig.

Höhenklinik Montana muss bei der Suva bleiben

Aus dem Urteil geht weiter hervor, dass der Zuschlag nun nicht einfach an die Zweitplatzierte gehen darf. Dies, weil die seit letztem Jahr integrierte Höhenklinik als «nicht neue Einheit» ebenfalls beim bestehenden Versicherer bleiben muss. Und das ist die Suva.

Dies führe bei allen offerierenden Anbieterinnen «zu einer veränderten Berechnungsgrundlage und letztlich zu veränderten Offertsummen». Deshalb könne der Zuschlag nicht direkt dem zweitplatzierten Anbieter erteilt werden.

Die Unfallversicherung freut sich über Luks-Auftrag – zu früh?

Während des Verfahrens vor dem Kantonsgericht hatte die bisherige Unfallversicherung die Mitarbeiterinnen des Luks weiter versichert. «Die Rechtslage war im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umwandlung und Neustrukturierung der Beschaffungsstelle nicht eindeutig», rechtfertigt ein Sprecher des Luks den Entscheid, auch die Suva zur Ausschreibung zuzulassen.

Nun herrscht immerhin Klarheit, denn das Luks akzeptiert den Entscheid des Luzerner Kantonsgerichts. «Der Zuschlag wird nun direkt dem zweitplatzierten Anbieter erteilt, welcher nach dem Ausschluss des erstplatzierten Anbieters das wirtschaftlich günstigste Angebot eingereicht hat», so der Luks-Sprecher.

Mitarbeiterinnen profitieren von tieferen Prämien

Wie ist das möglich, nachdem das Kantonsgericht ebendies aufgrund der veränderten Berechnungsgrundlage ausgeschlossen hatte? Im Urteil stehe lediglich, dass das Gericht nicht direkt einen Zuschlag erteilen kann, meint der Sprecher. «Das Gericht hat daher lediglich den Zuschlag aufgehoben und die Sache zurückgewiesen. Dies ausdrücklich, ohne diesbezüglich Vorgaben zu machen.»

Da sich sowohl die Berechnungsgrundlage als auch insbesondere die Bewertungen der Angebote durch den Ausschluss des erstplatzierten Anbieters nicht entscheidend verändert hätten, sei der Zuschlag korrekterweise direkt an den zweitplatzierten Anbieter erteilt worden.

Und was heisst der Entscheid für die Unfallversicherung der 7’300 Mitarbeiter des Luks? «Die Mitarbeitenden profitieren in jedem Fall von der Ausschreibung, indem die Nichtberufsunfallversicherung günstiger wird als im aktuellen Vertrag», schreibt der Sprecher dazu.

Verwendete Quellen
  • Artikel in der NZZ: Der Schatz über Luzern: Die Suva hütet 60 Milliarden Franken
  • Artikel in der «Basler Zeitung»: Unispital wehrt sich gegen massiv steigende Suva-Prämien
  • Verordnung über die Unfallversicherung, Art. 98
  • Leitentscheid 141 V 221 des Bundesgerichts
  • Antwort des Bundesrats auf die Interpellation: Teilnahme der Suva an öffentlichen Ausschreibungen
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»: Die grössten Arbeitgeber der Zentralschweiz
  • Urteil 7H 21 246 des Kantonsgericht Luzern
  • Medienmitteilung des Luzerner Kantonsspitals vom 1. Juli 2021
  • Ausschreibung im Luzerner Kantonsblatt vom 5. Juni 2021, S. 1994
  • Bundesgesetz über die Unfallversicherung, Art. 66: Betriebe, die zwingend bei der Suva versichert sein müssen.
  • Mailkontakt mit der Medienstelle des Luzerner Kantonsspitals
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2 Kommentare
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    Think Deeper, 21.09.2022, 09:07 Uhr

    Das künstlich aufgebauschte Problem liegt darin, dass die SUVA genügend Reserven aufgebaut hat und damit kaufmännische Vorsicht walten lässt, dies im Gegensatz zur Privatassekuranz, die übermässige Löhne und Dividenden ausschüttet.
    Man kann bei der Assekuranz geteilter Meinung sein, aber wenn am Schluss wegen to big to fail, nach vielen Abschöpfungen, der Staat einspringen muss, dann gehört das Ganze Thema in ein Volksvermögensfond der den Bürger gehört und dem auch die Reserven und Gewinne zustehen. Dann hört vlt. auch trickigen Leistungssauschluss und -verweigerung auf

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  • Profilfoto von Christina Birbaumer
    Christina Birbaumer, 20.09.2022, 21:32 Uhr

    Zur Info : ja, die Metzgerin kann nicht wählen wo sie versichert ist. Jedoch ist sie nicht bei der Suva versichert, den diese lehnte die Metzgerei Branche damals ab wegen zu hohem Unfallrisiko. Daher wurde eine eigene Versicherung gegründet, die Metzgerkasse.

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