Väterberater nimmt in Luzern seine Arbeit auf

«Ein Vater muss kein Superheld sein»

Neben Elternratgebern und Crashkursen gibt es jetzt auch Berater für Väter. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Seit wenigen Tagen nimmt der erste Väterberater im Kanton Luzern die Telefonanrufe junger Väter entgegen, die Rat suchen. Manche hadern mit schlaflosen Nächten und der Angst, etwas falsch zu machen.

«Ich habe mir bis zum Schluss nicht vorstellen können, was mich erwartet», sagt Roger*. Der 35-Jährige hat zwei Söhne – der eine feiert bald seinen ersten Geburtstag, der andere ist dreijährig. So richtig realisiert, was auf ihn zukommt, hat Roger erst, als er seinen Sohn das erste Mal in seinen Händen hielt.

Klar gab es auch die «kleineren Momente». Wie er seine Frau zur Ultraschalluntersuchung begleitete und das erste Mal sah, wie das Herz des Kleinen schlug. Oder als Roger den Bauch seiner Frau berührte und er spürte, wie das Kind im Innern strampelte.

Gross vorbereitet habe er sich auf seine Rolle als Vater nicht. Er habe sich aber – auch noch nach der Geburt – mit Freunden und Verwandten ausgetauscht, die bereits Kinder hatten. Etwa wie andere mit schlaflosen Nächten umgehen. «Aber Vergleiche zu ziehen, ist schwierig. Schliesslich ist jedes Kind anders.»

Die Geburt eines Kindes stellt den Alltag eines Paares auf den Kopf. (Bild: Helena Lopes/Unsplash)

Von Mann zu Mann reden

Doch wohin, wenn Väter Rat suchen und kein Netzwerk haben, in dem es schon Väter gibt? Ratgeberbücher gibt es zwar en masse – aber Möglichkeiten, sich mit einem Väterberater auszutauschen, sind in der Schweiz spärlich gesät. So gibt es seit vergangenem Jahr einen ersten Väterberater in der Stadt Zürich, ebenfalls kennt der Kanton Bern einen solchen.

«Wir vermuten, dass es für Männer bei väterspezifischen Anliegen einfacher ist, von Mann zu Mann zu sprechen.»

Jim Wolanin, Zentrum für Soziales

Auch im Kanton Luzern hat sich etwas getan: Im April hat Sozialarbeiter Christoph Imgrüth seine Tätigkeit als Väterberater aufgenommen. Imgrüth ist Vater von zwei Kindern und arbeitet seit mehreren Jahren beim Zentrum für Soziales (Zenso), einem Verband von 27 Luzerner Gemeinden, der sozialen Nutzen für die Region schaffen will. Das Zenso hat die bestehende Mütter- und Väterberatung, für die ausschliesslich Frauen arbeiten, mit dem neuen Angebot des Väterberaters ergänzt.

Zenso-Geschäftsführer und FDP-Kantonsrat Jim Wolanin erklärt, warum es das Angebot braucht. «Wir vermuten, dass es für Männer bei väterspezifischen Anliegen einfacher ist, von Mann zu Mann zu sprechen», sagt er am Telefon. Etwa dann, wenn sich die Beziehung zur Frau oder die Frau selbst verändere oder ein Mann sich in seiner neuen Rolle als Vater finden müsse und sich überfordert fühle.

Hier finden Väter Rat

Der neue Väterberater, Christoph Imgrüth, steht jeweils am Mittwochnachmittag zwischen 14 und 16 Uhr für Väter zur Verfügung. Wer bei ihm Rat suchen möchte, erreicht ihn telefonisch oder per Mail. Mehr Infos findest du hier.

«Gerade die neuen Rollenbilder können dazu führen, dass sich emotionaler Stress anstauen und auch entladen kann», sagt Wolanin. War es früher beispielsweise üblich, dass vor allem Mütter sich um Gesundheitsthemen der Kinder kümmerten, wollen auch Männer heute Verantwortung übernehmen und mitreden.

Wie machen es andere Väter?

Obwohl das Zenso bereits heute eine Mütter- und Väterberatung anbietet, stehen nur bei circa vier Prozent aller Ratsuchenden Männer dahinter. «Wir gehen aber davon aus, dass viel mehr Väter froh wären um eine Unterstützung», so Wolanin. Zumal er Hoffnung schöpft, dass es Männern einfacher falle, bei einem anderen Mann seine Sorgen und Fragen zu deponieren. Väter sollen sich an Männer wenden können und sich mit diesen austauschen dürfen. Sie sollen erfahren, wie es anderen Vätern in ähnlichen Situationen ergeht und wie diese mit Herausforderungen umgehen. Wolanin: «Schliesslich gibt es nach wie vor viele Tabuthemen, über die Väter auch im Freundeskreis nicht sprechen.»

Kinderbetreuung, Job, Beziehung – das alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. (Bild: zvg)

Luzerner Väter freuen sich über das neue Angebot

Bei der neuen Väterberatung handelt es sich um ein maximal zweijähriges Pilotprojekt, ohne finanzielle Risiken, da niemand extra dafür angestellt wurde. «Erfahrungen aus Bern und Zürich zeigten, dass überraschend viele Männer das neue Angebot nutzten», sagt Wolanin. «Ob die Väterberatung auch im Kanton Luzern auf Anklang stösst, wird sich zeigen. Wir versuchen es jetzt einfach – und werden danach unvoreingenommen beurteilen, ob wir das Angebot weiterführen.»

Emanuel*, Vater einer neunjährigen Tochter und eines fünfjährigen Sohnes, freut sich über das neue Angebot. «Es ist längst überfällig, dass es auch einen Berater für Väter gibt.» Klar sei längst nicht jeder auf seinen Rat angewiesen. «Aber gerade für Väter, die in ihrem sozialen Umfeld keine anderen Väter kennen, ist es super, wenn sie sich an jemanden wenden können.»

Schlafmangel – und das Gefühl, alles perfekt machen zu müssen

Er selbst sei nie auf externe Hilfe angewiesen. Doch der 42-Jährige nennt gleich mehrere Themen, die Väter – und natürlich auch Mütter – beschäftigen könnten. «Etwa wie man als Vater damit umgeht, konstant übermüdet zu sein – und zugleich funktionieren zu müssen.»

«Deswegen musste ich mir auch mal eingestehen: Dann ist die Wohnung halt nicht geputzt – dafür habe ich die Energie, um drei Uhr morgens den Schoppen zu machen und die Windeln zu wechseln.»

Emanuel

Bei der Geburt der Tochter habe sich die Mutter dem Schlafrhythmus des Kindes angepasst. «Wenn die Kleine schlief, hat sich auch meine Frau hingelegt. Ich wollte in dieser Zeit alles andere erledigen – also putzen, einkaufen und den Haushalt erledigen.» Neben dem Job war das nicht immer einfach. «Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass ich so an meine Grenzen stosse und auch ich Momente zum Erholen brauche. Deswegen musste ich mir auch mal eingestehen: Dann ist die Wohnung halt nicht geputzt – dafür habe ich die Energie, um drei Uhr morgens den Schoppen zu machen und die Windeln zu wechseln.»

«Ein Vater muss kein Superheld sein – und darf auch Schwäche zeigen.»

Roger

Fragen könnten sich auch stellen, weil sich die Paardynamik verändere, so Emanuel. Wenn da nicht mehr «nur» ein «sie und ich» sei, sondern eine Familie entstehe. Oder man habe Fragen, wie man Beruf und Familie vereinbare. Was Emanuel selbst umgetrieben hat, war die Angst, ständig etwas falsch zu machen. «Das betraf die kleinsten Dinge, wie beispielsweise das Baby nicht richtig zu halten oder die Windeln zu eng zu binden.»

Väter, die Fragen haben, können sich jeden Mittwochnachmittag an den Väterberater wenden. (Bild: Kelly Sikkema/Unsplash)

Auch er betont, dass man sich nicht «richtig» auf die Rolle als Vater vorbereiten könne. Zumal sich die Rolle mit jeder Phase des Kindes ändere. «Klar kann man Dutzende Bücher und Ratgeber lesen – doch damit können sich Eltern selbst auch verrückt machen.»

Roger pflichtet ihm bei. Er gibt zu, dass er ordentlichen Respekt davor hatte, Vater zu werden. Ein einziges Buch hat er vor der Geburt seines ersten Sohnes übrigens gelesen, das ihm ein ehemaliger Nachbar gegeben hat. Was er davon mitgenommen hat? «Ein Vater muss kein Superheld sein – und darf auch Schwäche zeigen.»

*Hinweis: Die Namen wurden geändert.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Jim Wolanin
  • Persönliches Gespräch mit Roger
  • Telefonat mit Emanuel
  • Medienmitteilung Zentrum für Soziales
  • Website von Zenso
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Franz
    Franz, 16.04.2023, 17:26 Uhr

    Der Nannystaat wuchert weiter. Nanny, f. Aber wie nennt man eigentlich ein* männlich* Nanny für den Mann?

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    • Profilfoto von Michael
      Michael, 17.04.2023, 12:45 Uhr

      Super gibt es dieses Angebot!

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