Hilfe für Stadtvögel

Unsere Spatzen pfeifen aus dem letzten Loch

Brotkrümel, Pommes Frites, Kuchen: Spatzen mögen fast alles, was wir Menschen auf der Strasse liegen lassen. (Bild: zvg)

Bis zu 40 Prozent weniger Spatzen leben in Luzern. Darum soll nun dem kleinen Vogel unter die Arme – oder besser: Flügel – gegriffen werden. Dabei haben Spatzen bei uns Menschen ein eher schlechtes Image. Warum also sollen sie geschützt werden?

Hat man Ihnen auch schon gesagt, dass Sie ein Spatzenhirn haben oder gar ein Drecksspatz sind? Haben Sie auch schon erlebt, wie Spatzen Ihnen beim Frühstück auf der Terrasse die Butter vom Brot wegpicken? Ich jedenfalls hätte schon hie und da am liebsten mit Kanonen auf sie geschossen. Und mit dem Satz, «lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach», kann ich ganz und gar nichts anfangen. Weder mit der Taube noch mit dem Spatz. Stadtvögel verschmutzen doch nur alles mit ihrem Kot. Zudem übertragen sie Krankheiten.

Spatz als Sonderfall

Und nun das: Eine Kampagne für die Spatzen in Luzern. Eine Stadt, die ihre Bevölkerung dazu ermahnt, Tauben und Schwäne nicht zu füttern, weil es zu viele von ihnen gibt oder weil sie den öffentlichen Raum verschmutzen. Jetzt soll beim Spatz plötzlich alles anders sein?

Ja, finden die Verantwortlichen der Dienstabteilung Umweltschutz der Stadt Luzern. Die Spatzenbestände seien in der Schweiz seit 1980 um 20 bis 40 Prozent zurückgegangen, heisst es in einer Mitteilung. «Wie viele Spatzen es in Luzern heute gibt, wissen wir zwar nicht, weil niemand sie zählt», sagt dazu Sebastian Meyer, Präsident der Ornithologischen Gesellschaft Luzern. Aber man könne annehmen, dass der Rückgang hier genauso stattfindet wie andernorts. Offenbar ist es generell schwierig, die kleinen Vögel zahlenmässig in den Griff zu bekommen: Europaweit schätzt man deren Zahl auf «63 bis 130 Millionen» – eine ziemlich breite Spanne also.

Es fehlt an Insekten und Spinnen

Dennoch ist man sich unter Fachleuten sicher, dass heute nicht mehr so viele von ihnen von den Dächern pfeifen wie auch schon. Laut Sebastian Meyer hat dies verschiedene Gründe. «Die Tiere finden heute in modernen Gebäuden weniger Nischen und Lücken, um ihre Behausungen zu bauen.» Unter Ziegeln, in Rollladenkästen oder in Mauerlücken fanden sie früher ideale Nistplätze. Das können «energieeffiziente Neubauten» mit Flachdächern meist nicht bieten.

Das zweite Problem ist das Futter. Die ausgewachsenen Spatzen kommen mit Körnern, Samen, Pommes Frites und anderen menschlichen Speiseresten zwar problemlos über die Runden. Nicht so aber die Jungtiere: Sie brauchen eiweissreiche Nahrung, die sie in Insekten vorfinden. Insekten wiederum hat es dort, wo auch genügend Grünfläche vorhanden ist. Und genau das wird in urbanen Zentren immer mehr zur Mangelware – auch in Luzern. «Im Hirschmattquartier zum Beispiel gibt es wenig Grünfläche und damit auch wenig Insekten», weiss Meyer.

Zwiespältiges Image

So weit, so verständlich. Trotzdem sei die Frage erlaubt, warum einem Vogel, der von vielen als eher lästiger Zeitgenosse wahrgenommen wird, nun plötzlich geholfen werden soll. Sebastian Meyer gibt zu, dass das Image des Spatzen nicht so gut sei. «Ähnlich wie bei der Taube stört man sich unter anderem am Kot auf dem Fensterbrett oder an der Hausfassade.» Aber er weist darauf hin, dass Spatzen, wenn man historisch etwas weiter zurückschaut, ein positiveres Ansehen hatten. Da und dort liest man etwa, dass Spatzen den Menschen am Herzen liegen. Sicher ist, dass sie kulturell schon über viele Generationen mit den Städten und ihren Bewohnern verbunden sind. «Zudem ist der Hausspatz eine Art Sinnbild für die Natur in der Stadt», sagt Meyer.

Info-Kampagne

Der Umweltschutz Stadt Luzern und die Ornithologische Gesellschaft Luzern (OGL) lancieren eine Kampagne für die Spatzen und wollen damit für ein gutes Zusammenleben mit Hausspatzen sensibilisieren. Am kommenden Samstag, 28. März, gibt es einen Infostand am Schwanenplatz. Infos zu weiteren Veranstaltungen unter www.luzerngruent.ch.

Ob Luzern die Spatzen braucht, kann auch der Ornithologe nicht beantworten. «Wir wissen nicht, welchen Einfluss Spatzen auf das Ökosystem haben.» Aber sicher ist der kleine Vogel ein nicht unerheblicher Indikator: Wenn nicht einmal mehr der anpassungsfähigste aller Vögel unter uns leben kann, wie können es dann andere? Schliesslich leben auch zahlreiche Singvögel wie zum Beispiel der Star, die Kohlmeise oder der Buchfink in urbanen Zentren.

Nisthilfen für Spatzenfreunde

Darum möchten die Stadt und die Ornithologische Gesellschaft die Bevölkerung mit ihrer Kampagne sensibilisieren. So werden etwa günstig Nisthilfen abgegeben. Sebastian Meyer gibt allen potentiellen Spatzenhelfern gleich noch einen Tipp mit auf den Weg: «Den Nistkasten würde ich nicht oben am Gartensitzplatz aufhängen.» Das könne zu unliebsamen Überraschungen von oben führen, wenn man abends eine Wurst verspeisen will.

Die Kampagne soll auch dazu anregen, dass in Privatgärten vermehrt wieder Sträucher und Blumen wachsen sollen, damit sich auch viele Insekten ansiedeln. Die Spatzenaktion soll vor allem informieren und aufklären – teure Veranstaltungen stehen nicht auf dem Programm. Die Kosten bewegen sich im Bereich von wenigen hundert Franken, heisst es auf Anfrage.

Ob das hilft, dass Spatzen wieder zahlreicher werden, weiss niemand so genau. Es sei schwierig, die Population wieder zu erhöhen, heisst es von den Initianten. Die Tiere haben übrigens auch auf dem Land einen schwierigen Stand. Meyer: «Dort, wo intensive Landwirtschaft betrieben wird, ist der Bestand an Spatzen sogar geringer als in der Stadt.»

Immerhin weiss Meyer, dass am Bahnhof Luzern regelmässig etwa 20 bis 25 Spatzen herumfliegen. Das ist nicht gerade viel, aber immerhin ein Anfang.

 

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