Luzerner Kleinunternehmer in der Krise

So kämpft eine junge Unternehmerin um ihre Zukunft

Céline Estermann (links) vermittelt Sprachaufenthalte in aller Welt. (Bild: zvg)

Céline Estermann kämpft. Um ihre Kunden sicher nach Hause zu holen und um die Zukunft ihres Unternehmens. Manchmal einfach auch nur, um positiv zu bleiben. Die Zukunft ist ungewisser denn je.

In ihrem Büro am Luzerner Hirschengraben brennt noch Licht. Für Céline Estermann ist der Begriff «Feierabend» im Moment ziemlich relativ. «Ich bin mitten im Krisenbewältigungsmodus. Es sind teilweise sehr lange Tage», sagt die 29-jährige Inhaberin der Agentur für Sprachaufenthalte Small World.

Die Reisebranche ist praktisch komplett zum Erliegen gekommen. Für Estermann hat dies einen gewaltigen Effekt. Im Moment bedeutet er mehr Arbeit als je zuvor.

Telefonanrufe in alle Welt

«Es geht darum, die letzten Kunden sicher aus dem Ausland zurückzuholen und mit Personen, die bald abreisen sollten, Lösungen zu finden», sagt Estermann. Das kann etwa bedeuten, einen erst 16-Jährigen aus Kanada zurückzuholen. «Bei so jungen Menschen kann ich es einfach nicht verantworten, zu sagen, ‹schau selbst wie du heimkommst› und Feierabend zu machen», sagt Estermann.

Und so stehen weitere Telefonate und Absprachen mit der Schule im Ausland, den Eltern in der Schweiz und dem jungen Reisenden an. Rechnet man die Zeitverschiebungen zwischen den Standorten mit ein, kann man sich von einem geregelten Feierabend schnell mal verabschieden.

Mit 25 Jahren selbstständig

Die Reisebranche ist ein eigenes Universum. Estermann steht aber auch stellvertretend für viele junge Luzernerinnen und Luzerner, die sich in den letzten Jahren selbstständig gemacht haben und ein Klein- oder Kleinstunternehmen führen. Mit 25 Jahren übernahm sie die Agentur Small World von der Unternehmensgründerin, für die Estermann zuvor arbeitete. Vier Jahre ist das her. Estermann ist die einzige Festangestellte der Firma.

«Als Einzelunternehmerin bin ich natürlich emotional investiert», erklärt Estermann. «Der Markt für Sprachreisen ist ein sehr schwieriger und auch gesättigter. Vor allem wegen der engen persönlichen Betreuung habe ich mir aber trotzdem eine kleine Nische unter den grossen Agenturen aufgebaut.»

Auch Aufenthalte in ferner Zukunft werden storniert

Hinter vielem von dem, was Estermann sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, steht nun plötzlich ein gewaltiges Fragezeichen. Neben der Organisation von Heimreisen und den vielen Umbuchungen sind da nämlich auch noch die Stornierungen. Die tun richtig weh.

Die unvorhersehbare Lage bewegt viele dazu, ihren teils von langer Hand geplanten Sprachaufenthalt zu stornieren. Darunter auch Reisen, die noch in ferner Zukunft liegen. Nicht alle kann Estermann davon überzeugen, ihre Reise zu verschieben.

Und während Estermann im Moment noch in Arbeit versinkt, sieht sie die Erträge daraus vor ihren Augen wegbröckeln. Das geht nahe. «Wenn man eine Gruppenreise mit über 100 Personen stornieren und das Geld rückbuchen muss, ist das einfach brutal niederschmetternd.» Céline Estermann sagt’s – in ihrer Stimme ist aber keine Spur von Resignation erkennbar. «Aufgeben liegt einfach nicht drin. Mein Ziel muss es sein, diese Krise zu überstehen und danach wieder Boden gut zu machen.»

Riesige Erleichterung nach Entscheid des Bundesrates

Vor knapp einer Woche gab der Bund bekannt, dass auch Kleinstfirmen wie Small World Kurzarbeit anmelden dürfen. Als Ihr Antrag bewilligt wurde, war die Erleichterung immens: «Es wurden ein paar Freudentränen verdrückt», gibt sie unumwunden zu.

Auch wenn sie ihr Geschäft alleine führt, einsam fühlt sie sich in diesen turbulenten Tagen nicht. «Ich habe zum Glück den Support meiner Familie.» So half ihre Mutter ihr etwa bei den Unterstützungsgesuchen beim Kanton, während im Büro die Leitungen brannten.

Vernetzung mit anderen gibt Kraft

Kraft schöpft sie aber auch aus der Vernetzung mit anderen. «Es gibt im Moment in Luzern sehr viele tolle Ansätze, sich solidarisch zu zeigen und gegenseitig zu unterstützen.» So hat Estermann ihre Firma Small World etwa auf der Plattform «Wir Sind Luzern». Diese zeigt an, welche Angebote die geschlossenen Luzerner Geschäfte online bieten können.

Dort kann man nun auch Gutscheine für zukünftige Reisen mit Small World kaufen. «Es ist aber auch einfach ermutigend zu sehen, wie kleine Betriebe – etwa mit Take-away-Angeboten – neue Wege finden.»

Ruhe im Keller

Aber nochmals zum Feierabend. Gibt es für Céline Estermann überhaupt noch so was wie Freizeit? Ja, gibt es. Und die ist – zumindest sonntags – «Corona-frei», wie sie erklärt. «Ich schalte die News ganz bewusst ab. Hervorragend geht das etwa im Keller, wo man keinen Natelempfang hat.» Der Keller sei denn auch mittlerweile preisverdächtig gut aufgeräumt, versichert Estermann mit einem Schmunzeln.

Vom eigenen Keller soll es aber möglichst bald wieder in die weite Welt hinaus gehen. Darauf kann nicht nur Estermann kaum warten.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 29.03.2020, 18:06 Uhr

    Für mich ist die entscheidende Frage, wer in Zukunft noch das Risiko auf sich nehmen wird ein Geschäft zu eröffnen oder einen Grossen Vereinsanlass zu organisieren, wenn auf dem Staat kein Verlass mehr ist und er hysterisch handelt. Ein neuer Virus und schwupps es war alles für die Katze

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