«Potenzielle Terroristen werden nicht in der Moschee rekrutiert»
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Der Vorstand der Islamischen Gesellschaft Luzern, Naser Callaku, in der Moschee in Ebikon.
(Bild: giw)Zu wenige Parkplätze und hohe Mietkosten: Die Muslime in Ebikon teilen die gleichen Alltagsprobleme wie viele andere Luzerner. «Moscheen zu schliessen ist ein grosser Fehler», sagt Naser Callaku von der Islamischen Gesellschaft Luzern. Denn in den Glaubenshäusern finde eine soziale Kontrolle statt.
Die Nur-Al-Huda-Moschee in Ebikon befindet sich in einem unauffälligen Gewerbegebäude an der Schachenweidstrasse 46. «Nur Al Huda» bedeutet soviel wie leitendes Licht in der arabischen Sprache, wie Naser Callaku, Vorstandsmitglied der Islamischen Gesellschaft Luzern (IGL) erklärt. Im Rahmen der Asylwoche öffnen zwei Moscheen in Luzern ihre Türen für die Öffentlichkeit.
Anwesend ist auch der Vereinspräsident der Moschee, Ali Mohamed Abdulle. Der Somalier lebt seit 24 Jahren in der Schweiz und steht einer Gemeinschaft von rund 300 Mitgliedern vor. Viele kommen aus dem Raum Luzern, die Nationalitäten sind bunt gemischt. Kosovo-Albaner, Somalier, Tunesier oder Syrer.
Im Innern der Moschee ist der Boden mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt, der ohne Schuhe besonders gut zur Geltung kommt. Zahlreiche Büchergestelle mit aufwendig verzierten Koran-Übersetzungen säumen die Wände. Im Gegensatz zur Moschee in Emmenbrücke gibt es keinen fest angestellten Imam in Ebikon. «Dafür fehlt uns das Geld», sagt Abdulle. Anders als in der Moschee in Emmenbrücke.
Reisebusse laden muslimische Touristen ab
Denn die Mitgliederbeiträge und Spenden der Passivmitglieder reichen gerade einmal, um die Miete von 6’300 Franken für das 340 Quadratmeter grosse Gebetshaus monatlich zu bezahlen. Die Vereinsarbeit wird ehrenamtlich gemacht.
Statt einem Imam führen verschiedene Mitglieder der Glaubensgemeinschaft, die sich mit der Schrift gut auskennen, durch die fünf täglichen Gebete. Frauen und Männer können in Ebikon im gleichen Raum ihren Gott anrufen. Manchmal ist die Moschee leer – manchmal sind es 15 Personen, sagt Abdulle. Der Höhepunkt und wichtigste Akt im religiösen Alltagsleben der Muslime ist das Freitagsgebet – dann ist die Moschee rappelvoll, bis zu 200 Personen nehmen jeweils an diesem Gottesdienst teil.
«Der Austausch mit den Behörden ist sehr gut in Luzern.»
Naser Callaku, Vorstandsmitglied der Islamischen Gesellschaft Luzern (IGL)
«Dann kommt es hier jeweils zu einem kleinen Chaos um die Moschee, weil so viele Fahrzeuge in der Umgebung parkieren müssen», sagt Abdulle lächelnd. Neben Besuchern aus der nahen Umgebung kämen jeweils auch muslimische Touristengruppen aus dem Fernen Osten, darunter Malaysier, Indonesier oder Brunesen, die am Freitag ihren religiösen Pflichten trotz Ferien nachkommen wollen. Dennoch höre man kaum je Klagen aus der Nachbarschaft – manchmal würden von der Polizei jedoch Bussen für Falschparker verteilt.
(Bild: giw)
Schliessung von Moscheen ist ein «grosser Fehler»
«Der Austausch mit den Behörden ist sehr gut in Luzern», sagt Callaku von der IGL. Man suche bewusst den Kontakt mit der Öffentlichkeit, wie eben im Rahmen der Asylwoche. Besonders mit den christlichen Kirchen gebe es einen regen Austausch und monatliche Sitzungen. Dazu gehören auch interreligiöse Gebetstage und gemeinsame Projekte.
Doch das politische und gesellschaftliche Umfeld ist für gläubige Muslime nicht einfach. Erst kürzlich wurden in Österreich sieben Moscheen durch die christlich-konservative ÖVP-Regierung geschlossen und Imame des Landes verwiesen. «Moscheen zu schliessen ist ein grosser Fehler», sagt Callaku.
Dies sei rein politisch motiviert. Denn Moscheen seien nicht der Ort, an dem die Menschen radikalisiert würden – im Gegenteil. Das zeige etwa eine Studie der UNO. In den Glaubenshäusern finde eine gewisse soziale Kontrolle statt und die muslimischen Gläubigen würden sichtbar. «Diese Transparenz ist sehr wichtig für das gegenseitige Verständnis zwischen Muslimen und anderen Teilen der Bevölkerung», so Callaku. Wenn eine Moschee geschlossen werde, dann stosse man auch moderate Muslime vor den Kopf und schüre so deren Misstrauen gegenüber dem Staat.
Seit 30 Jahren in der Schweiz
«Radikale Menschen äussern sich in der Öffentlichkeit und auch in den Moscheen kaum zu ihren Ansichten», sagt Callaku. Sie verstecken sich – sonst würden sie in der Moschee und gegenüber den Behörden ja exponiert. Für Callaku ist klar: Potenzielle Terroristen würden im Netz, in isolierten Quartieren oder hoffnungslosen Nachbarschaften rekrutiert – aber kaum in einem Gotteshaus.
Doch das schlechte Image der Muslime und der Generalverdacht mit denen man konfrontiert sei, nage an der Lebensqualität, erklärt Callaku mit belegter Stimme. Er arbeitet als Teamleiter Pflege bei Viva in der Stadt Luzern. «Der Generalverdacht gegenüber Muslimen ist sehr traurig und bedrückend», sagt der Vater dreier Kinder. Immer wieder würden sie erschüttert nach Hause kommen, weil sie mit den negativen Bildern über Muslime konfrontiert würden. Der Kosovo-Albaner lebt seit 30 Jahren hier und sagt, es brauche noch mehr Offenheit und Austausch vonseiten der muslimischen Gemeinschaft, um dem entgegenzuwirken.
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