Person nach «Burglind»-Aufräumarbeiten in Lebensgefahr
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Glück im Unglück: Dieses Auto in der Moosmattstrasse ist nur knapp der ungestürzten Tanne entronnen.
(Bild: zvg)Das Sturmtief «Burglind», das vergangenen Mittwoch sein Unwesen auch in Luzern trieb, hinterlässt folgenschwere Spuren. Im Entlebuch ist jemand bei Aufräumarbeiten im Wald schwer verunfallt und schwebt derzeit in Lebensgefahr. Aber auch Obstbauern stehen vor einer kniffligen Aufgabe. Und die Dachdecker haben alle Hände voll zu tun.
Burglind hat gewütet: Die Schäden, die durch das Sturmtief im Kanton Luzern entstanden sind, betragen gemäss der Gebäudeversicherung rund zehn Millionen Franken – das ist fast dreimal so viel wie ursprünglich erwartet (zentralplus berichtete).
In der Luzerner Altstadt zeugten umgefallene Signaltafeln, Christbäume, bröckelnde Ziegelsteine und abgesperrte Wege von den Folgen der orkanartigen Verhältnisse (zentralplus berichtete).
In Wäldern und auf dem Land sind drastische Folgen sichtbar: Rund 100’000 Kubikmeter Sturmholz sind im Luzerner Wald gefallen. Waldeigentümer und Obstbauern sind damit beschäftigt, das Chaos, das Burglind veranstaltet hat, mindern zu können.
Gefährliche Aufräumarbeiten – zeitnahe Abarbeiten unumgänglich
Diese Aufräumarbeiten sind nicht ungefährlich. Geworfene oder gebogene Stämme können unter Spannung stehen. So erzählt Lukas Balmer, Betriebsförster Oberes Entlebuch, dass er erst vor wenigen Stunden von einem schweren Unglück erfahren habe.
«Es ist es nicht wert, ein Menschenleben für einen kaputten Baum zu opfern.»
Lukas Balmer, Betriebsförster Oberes Entlebuch
Jemand sei bei Aufräumarbeiten im Wald schwer verunfallt und schwebe in Lebensgefahr. «Es ist es nicht wert, ein Menschenleben für einen kaputten Baum zu opfern», meint Balmer betroffen. In vielen Baumkronen würden lose Teile hangen – die sich unberechenbar lösen können und eine grosse Gefahrenzone darstellen.
(Bild: zvg)
Trotzdem werden die Spuren des Unwetters weiter beseitigt. Schnelles Handeln sei wichtig, um Folgeschäden zu vermeiden. «Gefallene Fichten stellen eine Brutstätte für Borkenkäfer dar», so Balmer. Borkenkäfer würden sich schnell vermehren können und auf bestehende Bäume übergreifen.
«Der Anblick nach einem solchen Sturm ist traurig und trostlos.»
Martin Vogel, Obstbauer
«2003 erreichte der Borkenkäferanteil seinen Zenit, dies als Folge aus dem Sturm Lothar.»
Besonders hart getroffen hat es die Wälder in Luzern: Einzelbäume und ganze Baumgruppen wurden beschädigt. Obstbäume wurden entwurzelt, Waldstrassen und Wege blockiert. Im Luzerner Wald seien zwischen 50’000 und 100’000 Kubikmeter Sturmholz gefallen – was rund 30 bis 50 Prozent der durchschnittlichen Holznutzung der vergangenen Jahre entspricht, so Bruno Röösli, Abteilungsleiter Wald der Dienststelle «Landwirtschaft und Wald».
Bis im Sommer wolle man einen grossen Teil der Aufräumarbeiten abgeschlossen haben. «Der eine oder andere gefallene Baum wird im Wald liegen bleiben», so Balmer. «Es ist gar nicht möglich, jeden einzelnen gefallenen Ast aufgreifen zu können.»
Gefahrenzonen werden geräumt, Wege freigemacht. Innerhalb der Waldgenossenschaft oberes Entlebuch, zu der 800 Waldbesitzer gehören, würde man sich koordinieren und austauschen. «Es ist wichtig, dass nicht jeder für sich alleine etwas vor sich hin faustet», erklärt Balmer. «Wenn man als Waldbesitzer der Situation nicht gewachsen ist, muss man einen Profi zu Hilfe ziehen.»
Obstplantagen erlitten grosse Schäden
«Der Anblick nach einem solchen Sturm ist traurig und trostlos», sagt Martin Vogel, Obstbauer aus Neudorf, der auch Obstplantagen im Seetal betreibt. Besonders Obstanlagen angrenzend an einen Buchenwald seien stark beschädigt worden, rund 15 Prozent aller Obstbäume wären betroffen: «Der Sturm hat die Buchen nicht abgeknickt. Sie wurden ausgewurzelt oder ausgestockt. Die riesigen Bäume liegen wild durcheinander inmitten der Obstanlage.»
(Bild: zvg)
Betroffene Obstbäume, Hagelnetz und Konstruktion haben durch Burglind Totalschaden erlitten, so Vogel. Auch ein Bienenhaus sei durch den Wind in Schieflage geraten. Da sich Obstanlage und Wald an einem steilen Hang befinden würden und es nach dem Sturm extrem viel Regen gegeben hat, habe man mit den Aufräumarbeiten noch nicht beginnen können.
«Das Aufräumen kann man sich wie ein Mikadospiel vorstellen – alles liegt kreuz und quer.»
Martin Vogel
Laufend wäre man am Organisieren und Planen, erklärt Vogel. «Das Aufräumen kann man sich wie ein Mikadospiel vorstellen – alles liegt kreuz und quer. Man muss mit viel Verstand und mit viel Geduld und Ruhe mit dem Räumen beginnen.» Der Schaden sei momentan noch schwer einzuschätzen.
Dachdecker wurden aus dem Nest gerissen
Des einen Leid, des anderen Freud: Dachdecker werden mit Aufträgen überhäuft: «Momentan werden wir sehr stark beansprucht», so Christian Distel, Geschäftsführer der Ruedi Distel AG, einer Spenglerei und Dachdeckerei in Luzern. «Man kann zwar behaupten, dass es in Luzern nur ein flaues Lüftli war – aber es traf uns dennoch unerwartet.»
«Alle paar Minuten klingelt das Telefon.»
Christian Distel, Geschäftsführer einer Dachdeckerei
Die Dachdeckerei, die zu diesem Zeitpunkt Betriebsferien hatte, musste die Arbeit frühzeitig wieder aufnehmen. Zusätzlich habe man von einem Partnerbetrieb in Uri zwei Mitarbeiter zur Verfügung gestellt bekommen, um die ganzen Schadensarbeiten abrüsten zu können.
Auch bei der Dachdeckerei Erich Haldi AG, die einen Betrieb in Littau und einen in Luzern betreibt, habe man Mitarbeiter, die in den Ferien sind, frühzeitig zurückbeten müssen. «Sonst könnten wir das alles gar nicht bewältigen», sagt Monika Haldi, die Frau von Erich Haldi. Um die 120 Aufträge habe man erhalten, so Monika Haldi.
(Bild: zvg)
Christian Distel erzählt von herunterfliegenden Ziegeln, kaputten Blechdächern und Storen – auch einen ganzen Kamin habe es auf einem Dach runtergefegt. «Gegen die 100 Notfälle durch Sturmschäden wurden uns gemeldet», so Distel. Viele der eingegangenen Meldungen hätte man bis anhin gar noch nicht abarbeiten können.
«Alle paar Minuten klingelt das Telefon», sagt Distel. Es sei wichtig, Schadensmeldungen richtig einschätzen zu können und Prioritäten zu setzen. «Momentan eruieren wir dies alles noch», erklärt Distel. «Dort, wo es jemandem auf den Kopf regnet, müssen wir schneller handeln, als wenn es nur in eine Ecke tropft.»
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