Zu Besuch beim Hypnotiseur

«Jeder Verkäufer benutzt suggestive Techniken»

Franz Sieber empfängt seine Klienten in seinem Behandlungsraum an der Bahnhofstrasse in Zug. (Bild: mbe.)

Franz Sieber pflanzt seinen Klienten positive Gefühle in die Seele. In seiner Praxis in Zug legt sich neben vielen anderen Menschen so mancher Topmanager auf den Sessel. Er ist nachher erfolgreicher, glücklicher – oder wechselt den Job.

Hypnose macht Angst. Das weiss auch Franz Sieber. Bei seiner Arbeit muss er deshalb behutsam vorgehen, denn sie hat mit Vertrauen zu tun. Man muss sich einem Unbekannten öffnen. Wird man weinen? Etwas Peinliches verraten? Man weiss nicht, wie das Ganze herauskommt. Also genau das Gegenteil von dem, was die meisten von uns jeden Tag tun: Sich schützen, abschirmen und unsere Rolle perfekt spielen. «Zu mir kommen Leute, die etwas verändern wollen. Ich helfe ihnen, sich selbst zu helfen. Indem sie ihre eigenen Muster mit Hilfe des Unterbewusstseins erkennen, um sie zu verändern», sagt der Hypnose- und Mentaltherapeut.

«Wir sind täglich in Trance»

Sieber zerstreut die Ängste durch rationale Erklärungen. In «Trance» seien wir tagtäglich, sagt er, ohne uns dessen bewusst zu sein, «Mit Schlaf hat dieser Zustand wenig zu tun.» Eher mit Fokussierung oder Konzentration. «Beim Reden, beim intensiven Lesen eines Buchs oder beim Schauen eines spannenden Films sind wir ebenfalls in diesem Zustand.» Sieber schaut einem auch nicht tief in die Augen und schwingt ein Pendel, damit man in Trance fällt. Seine Methoden hätten nichts mit dem Hokuspokus in TV-Shows zu tun, betont er.

Inhaber einer eigenen Firma

Franz Sieber ist professioneller Hypnose- und Mentaltherapeut. Er hat eine Praxis in Zug namens Hypnoswiss. Inspiriert hat ihn vor allem Milton H. Erickson (1901-1980). Der US-amerikanische Psychiater, Psychologe und Psychotherapeut prägte die «Hypnotherapie» massgeblich und förderte ihren Einsatz in der Psychotherapie. Sieber ist Mitglied der International Association of Professional Conversational Hypnotists (IAPCH) und der National Guild of Hypnotists (NGH) in den USA. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Oberwil. Aufgewachsen ist er in Horgen am Zürichsee.

Grenze zum Unbewussten knacken

Wenn man in den Zustand der Hypnose sinke, könne die «natürliche Barriere» zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein kurzfristig aufgelöst werden, erklärt Sieber. «So können die ansonsten verborgenen inneren Ressourcen für das gewünschte Ziel zugänglich gemacht werden.»
Dazu muss man sich zuerst entspannen, und dazu dient der Liegesessel im Hypnoswiss-Behandlungsraum. Mit einem von Sieber entwickelten Methode namens TSI (technical supported induction) kann er den Klienten auf Wunsch mit abgestimmter Musik oder seiner Stimme beruhigen, kann das Licht im Raum dimmen, farblich verändern, Düfte einsetzen und sogar die mit Lautsprechern bestückte Liege scheinbar schweben lassen.

Mind Bending Language

Ist die Person erst einmal entspannt und fokussiert, beginnt Siebers suggestive Arbeit. Er setzt hauptsächlich Gesprächshypnose respektive Mind Bending Language ein. Im Grundsatz geht es dabei um (künstlich erzeugte) Gefühlsteuerung durch Sprache. «Ich verwirre und überrasche meinen Klienten, in dem ich ungewohnte Fragen stelle.» Beispielsweise: «Wie geht es dir jetzt nicht?» Oder wie in einem Beispiel auf Youtube demonstriert (siehe Links rechts vom Artikel): «Sie finden Ihr Rauchen also schlecht. Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie nicht mehr rauchen würden? Und was finden Sie an sich nicht schlecht?» Die ungewohnten Perspektiven verwirren, der Geist rebelliert. Irgendwann gibt der Verstand auf, man sinkt in eine Art Trance. Die Arbeit des Hypnotiseurs beginnt.

Veränderungen möglich

Franz Sieber: «Während dieses Prozesses können die inneren Strukturen positiv beeinflusst werden, um gewünschte Änderungen in unseren Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zu erzielen.» Sogar lang zurückliegende negative Ereignisse, die sich in der Kindheit im Unterbewusstsein verankert haben, könnten positiv verarbeitet werden. Im Gegensatz zur klassischen Psychotherapie geht die Sache schneller: Nach ein bis drei Sitzungen mache es bei vielen Klienten «klick», sagt Sieber.

Hypnose und Mind Bending Language seien keine Magie, erklärt der Oberwiler zentral+. Politiker wollten ihren Wählern mit Worten ein positives Gefühl vermitteln. Beim Verkauf wird die Gefühlssteuerung eingesetzt – in der Werbung wird ein Gefühl mit einem Produkt verbunden. Musik ist ebenfalls hypnotisch. Und das Vaterunser bezeichnet Sieber als «hypnotische Sprache». «Positiv besetzte Begriffe, wie Kraft oder Herrlichkeit, werden verwendet und durch Liturgie und Sprechgesang noch verstärkt.»

Beinahe gestorben

Sieber war am Anfang seiner Karriere sein eigenes Versuchskaninchen. Mit 24 Jahren stürzte er mit dem Gleitschirm ab und wäre beinahe gestorben. Er verletzte sich an den Rückenwirbeln. Damals studierte er Psychologie in Zürich. «Weil ich nach dem Unfall nicht mehr sitzen konnte, musste ich das Studium abbrechen», erinnert er sich. Dann begann er sich intensiv mit der Mentalarbeit und Autosuggestion auseinander zu setzen. «Damals lernte ich, meine Ängste zu besiegen und es wurde mir bewusst, welchen Einfluss die Seele auf den Körper haben kann», sagt er. Er lernte, seinen Körper wieder zu beherrschen.

Erster Kunde rannte davon

Einer seiner ersten Klienten sei ein Mann mit Tinnitus (Ohrensausen) gewesen. Der dynamische Mann «im besten Alter» hatte schon verschiedene Therapien erfolglos ausprobiert. Er kam zu Sieber und dieser wandte das Mind Bending an. «Nach zehn Minuten stand er plötzlich auf, sagte ‹Adieu Danke vielmals›, gab mir die Hand und ging. Ich dachte, da sei etwas schief gegangen.» Nach einigen Wochen vernahm Sieber, dass der Mann einen neuen Job angenommen habe, sehr erfolgreich und zufrieden sei. «Ob sein Tinnitus dadurch weggegangen ist, weiss ich nicht, aber er störte den Mann nicht mehr und und wurde nebensächlich. Genau das soll passieren.»

Funktioniert es?

zentral+ verbindet das Interview gleichzeitig mit einem Selbstversuch. Im Raum fällt einem als erstes der schwarze Liegesessel ins Auge. Daneben steht ein Apparat mit Bildschirm, Mikrofon, vielen Knöpfen und Kopfhörern, vor den Sieber sich setzt. Ich darf mich also hinlegen, schön, nach einem stressigen Vormittag. Bei welchem Problem er mir helfen kann? Zu persönlich solls nicht werden. Ich hasse Enge und viele Menschen, quetsche mich aber täglich in einen Pendlerzug, sitze in einem engen Büro mit vielen Leuten, wie im Hühnerstall.

Sieber schreibt auf einen Zettel, was ich mir wünsche: Weite, Glück, Liebe! Sieber spielt mit den Begriffen und nimmt auch meine Worte auf, baut sie in Sätze ein, die Suggestion beginnt. Der Verstand arbeitet allerdings weiter… Als ich aufstehe, wird mir ein wenig schwindlig. «Deshalb habe ich jetzt aufgehört», sagt Sieber, «hier würde eigentlich die Therapie respektive das Coaching anfangen. Ihr Körper hat reagiert und zeigte deutlich Trancephänomene. Er war bereit für die Veränderungsarbeit. Das sollte aber nur ein amuse bouche und keine Therapiesitzung werden. Sie haben also nur eine ‹Hypnoseinduktion› erlebt. Bei manchen Menschen geht schon dann ein Licht auf.» Aha…!

Diät, Raucher, Stress- und Angstgeplagte

Sieber empfängt ganz unterschiedliche Klienten. Die einfacheren Fälle seien Leute, die abnehmen oder eine Raucherentwöhnung machen wollten. Aber auch Spitzensportler kommen zu Sieber, um ihre mentalen Kräfte noch besser zu aktivieren und fokussiert zu sein, wenn es darauf ankommt. Doch auch mancher kritische Manager legt sich bei ihm auf den Stuhl. Und will zum Beispiel eine Angst überwinden. «Oder er will einfach das Quäntli Plus bei mir aktivieren, um noch erfolgreicher sein zu können», sagt der Therapeut. Positives Feedback erhalte er auch von Eltern, deren Kinder zum Beispiel ein Aufmerksamkeitsproblem wie ADS haben. Und er coacht andere Therapeuten und gibt ihnen sein Wissen weiter.

Pfarrer Sieber hat Respekt vor ihm

Nur sein prominenter Onkel war noch nie bei ihm in der Praxis: der Zürcher Obdachlosen-Pfarrer Ernst Sieber. «Er nennt mich den Doktor Hypnotikus und würde nie bei mir auf den Stuhl sitzen», lacht Franz Sieber. Nicht etwa, weil er nicht an diese Methode glaube, genau das Gegenteil sei der Fall.

Auch in Zug, das scheinbar so glücklich und ruhig lebt, gebe es viele versteckte Probleme, meint Sieber. «Jeder Mensch spielt eine bestimmte Rolle im Leben. Das Aufrechterhalten dieser Maske kostet viel Kraft und Energie. Bei mir kann man diese Maske zeitweise ablegen, und das tut gut.» Doch auch den Therapeuten selbst kostet es Kraft, auf so viele Menschen einzugehen. Zeitweise hatte Sieber bis zu acht Patienten täglich. Vor einem Jahr erlitt er dann einen Herzinfarkt und geht seither alles etwas ruhiger an.

Beim Attentat als Feuerwehrmann im Einsatz

Sieber handelt oft intuitiv. Das bringt ihm gelegentlich Kritik ein: Beim Attentat in Zug 2001 half er als Zuger Feuerwehrmann, die Verletzten vor dem Parlamentsgebäude zu betreuen und zu retten, erinnert er sich. «Ich habe die Perspektive gewechselt und versucht, mich in eine verletzte Person hinein zu versetze, um zu fühlen, was sie jetzt braucht. Statt ein entsetztes Gesicht zu machen, habe ich gelächelt und einem Verletzten die Hand gehalten», erinnert sich Sieber.

Empathie wurde falsch verstanden

Sein Pech war nur, dass ein Reporter vom «Spiegel» diesen Moment fotografierte. Man sah einen im Angesicht der Katastrophe lächelnden Feuerwehrmann und verstand das nicht. Die negativen Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten. «Die Leute waren geschockt. Dabei wollte ich der verletzten Person während diesem brutalen Ereignis nur ein gutes Gefühl geben», erinnert sich Sieber an die schrecklichsten Momente in der Geschichte Zugs. Heute würde er es wohl anders machen. Doch positive Gefühle vermitteln ist mittlerweile sein Beruf geworden.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Martin Messmer
    Martin Messmer, 17.05.2015, 14:56 Uhr

    Lieber Franz

    Ich kenne Dich seit Jahrzehnten und weiß, wie gewissenhaft Du arbeitest, wie nahe Dir der Mensch ist, wie sehr Du ihn wahr- und ernst nimmst, in ihn hineinsiehst und ihn erkennst, verstehst und … ihn trotzdem zutiefst lieb hast.

    Dies schenkt Dir die Fähigkeit, jenen zu helfen, die sich ernsthaft sorgen; wenn lähmende Zweifel wuchsen übers Leben, kannst Du diese liebe- und kraftvoll neu definieren und hinterleuchten, das Zagen zum Wanken bringen und neue Kraft in die Herzen setzen – und dies nicht auf billige Weise, sondern aus Deinen Lebenserfahrungen, Deinen Gaben allen sowie aus Deiner Nächstenliebe heraus.

    Ich wünsche Dir anhaltende Freude an Deinem wertvollen und bitternötigen Wirken und nachhaltigen «Erfolg» mit all Deinen Methoden: dass Du vielen Seelen neue Perspektiven geben und Lebenswege neu ausrichten kannst.

    Vergiss dabei Dich selber nicht, denn Du brauchst auch alles «Wasser des Lebens» – für Dich und für alles, was Dir im Leben ach so lieb ist …

    Gott segne Dich! Sie ganz lieb gegrüßt —

    Martin

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