Luzernerin über positive Rollenbilder

In diesem Kinderbuch kommt garantiert keine Prinzessin vor – weshalb das wichtig ist

Valery Volken und ihr Kinderbuch, das Stereotypen brechen will. (Bild: ida)

Für Jungs Blau, für Mädchen Rosa? Regenbogenfurzende Einhörner für Mädchen, Piraten für Jungs? Die Zeiten sind längst vorbei – findet die Luzerner Illustratorin Valery Volken.

Feuerwehrfrau werden – geht das? Das fragt sich Kira im Kinderbilderbuch von Monica Hinrichs-Mayer. Die Luzernerin Valery Volken hat das Buch illustriert.

«Kira und die Feuerwehr» ist ein Buch voller starker Frauen und Männer. In der Geschichte gehts um ein Mädchen, das am Tag der offenen Tür in die Feuerwehrausrüstung schlüpfen darf. Zu Hause fragt sie ihre Mutter, ob es nur Feuerwehrmänner gibt – denn sie träumt davon, Feuerwehrfrau zu werden. Die 39-jährige Volken kennt das nur zu gut. Sie war bei mehreren Freiwilligen Feuerwehren tätig und hatte teilweise mit Vorurteilen zu kämpfen.

zentralplus: Valery Volken, wie sehr erinnert Sie Kira in Ihrem Kinderbuch an Sie selbst?

Valery Volken: Nicht sehr. Aber ich wünsche es für mein Kind, das es mal solche Fragen stellt. Sie lacht.

zentralplus: Weswegen?

Volken: Kira träumt davon, Feuerwehrfrau zu werden. Und das wünsche ich für mein Kind: Dass es als Mädchen zum Beispiel die Frage stellt, ob sie zur Feuerwehr gehen kann. Und Dinge zu machen, welche die Gesellschaft eher nur Jungs zutraut. Ich finde, man soll Kinder einfach Kinder sein lassen. Das Mädchen will Piratin und der Junge Prinz werden – das ist doch völlig okay.

Im Buch träumt Kira davon, Feuerwehrfrau zu werden. (Illustration: Valery Volken)

zentralplus: War das bei Ihnen auch so?

Volken: Mit sechs Jahren war ich ein wildes Kind. Ich habe viel im Dreck rumgerotzt, bin mit Jungs in verfallene Häuser gegangen. Ich war mehr mit Jungs unterwegs. Doch ich hatte auch eine allerbeste Freundin und meine Pink-Phase, in der ich in einen Prinzessinnenrock geschlüpft bin.

«Als ob ich mich beweisen müsste, nur weil ich eine Frau bin.»

zentralplus: Sie selbst sind bei der Freiwilligen Feuerwehr. Wann wurden Sie mit Vorurteilen konfrontiert?

Volken: Als es darum ging, ob ich einen Unteroffizierskurs machen soll, sagte der Verantwortliche: «Du musst es doppelt so gut können wie ein Mann.» Als ob ich mich beweisen müsste, nur weil ich eine Frau bin.

zentralplus: Dabei haben wir Frauen teilweise den Eindruck, uns doppelt so fest beweisen zu müssen …

Volken: Für ihn war es selbstverständlich. Er meinte es nicht böse. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl, mich schützen zu müssen. Es verärgerte mich aber. Die Meinung, ich müsse mehr leisten als andere, um ernst genommen zu werden. Dieses Gefühl hatte ich vorher noch nie.

zentralplus: Wie war das für Sie?

Volken: Wie ein Schlag ins Gesicht. Ich sagte nichts mehr. Ich war Anfang 30, noch nicht weit genug, um dem entgegenzutreten, und war fassungslos. Heute würde ich dafür ganz klare Worte finden.

zentralplus: Gab es weitere Situationen, in denen Sie aufgrund Ihres Geschlechts diskriminiert wurden?

Volken: Ich wuchs in einem Umfeld auf, in dem mir klargemacht wurde: Frauen sind zum Heiraten und Kinderkriegen da. Mir war es wohl immer wichtig zu zeigen, dass ich als Frau alles machen kann. Also auch das, was die Gesellschaft eher einem Mann zutrauen würde. Heute ist es mir zudem wichtig, dass auch Männer alles machen können, was Frauen können. Wir haben in unserer Gesellschaft in beide Richtungen noch viel zu viel Ungleichbehandlung.

zentralplus: Wie entstand die Idee, ein Buch für Kinder zu machen, das Stereotypen durchbrechen soll?

Volken: Alles begann damit, dass meine Freundin Moni eine Nichte bekam. Frauenthemen und Gleichberechtigung haben mich schon immer umgetrieben. Moni war zu der Zeit aktiv bei der Frauengruppe Terre des Femmes in Nürnberg. Wir fragten uns: Gibts überhaupt Bücher für Kinder mit positiven Rollenbildern? Vieles ist klischeebehaftet. Wir dachten: Wenn es kein solches Buch gibt, dann nehmen wir das eben selbst in die Hand.

(Illustration: Valery Volken)

zentralplus: Wieso ist ein solches Kinderbuch nötig?

Volken: Ich wollte lange nicht wahrhaben, wie verbreitet Stereotypen auch heute noch sind. Wenn eine Frau zum Beispiel ein Kind kriegt, ist es für viele klar, dass sie ihr Arbeitspensum reduziert oder den Job ganz aufgibt. Und der Mann das Geld verdient.

zentralplus: Sagen Sie das einfach so oder sprechen Sie aus Erfahrung?

Volken: Seit viele meiner Freundinnen und ich selbst Kinder bekommen, fällt es mir vermehrt auf. Meine Freundinnen reduzieren ihr Pensum wie selbstverständlich. Ihre Partner hingegen nur selten bis gar nicht. Bei mir ist es gleich. Oftmals heisst es auch heute noch im Beruf, je nach Funktion: Das Pensum zu reduzieren ist nicht möglich. Bei meinem Partner sehe ich das sogar bis zu einem gewissen Grad ein.

zentralplus: Weshalb?

Volken: Es ist einfach noch viel zu stark in den Köpfen verankert. Zudem lassen es die Strukturen, wie ein Betrieb organisiert ist, teilweise nicht zu. Ich und mein Partner sind beide in der Baubranche tätig. Vom Arbeitgeber her wird bereits bei der Formulierung des Auftrags explizit von den Auftragnehmern verlangt, dass die Auftraggeberseite nur eine Ansprechperson pro Baustelle hat. Ich kenne keinen Bauführer oder Polier, der nicht 100 Prozent arbeitet.

zentralplus: Sie sind im sechsten Monat schwanger. Im Vorgespräch erzählten Sie, dass Sie sich selbst schon dabei ertappt haben, in die Stereotypen-Falle getreten zu sein.

Volken: Ja, das ist extrem. Sie lacht. Ich weiss nicht, ob ich ein Mädchen oder einen Jungen bekomme. Immer wieder tappe ich in diese Blau-Rosa-Falle. Ich habe zwei, drei pinke Kleidungsstücke gekauft. Das eine sogar mit Herzen und Sternen drauf. Ich frage mich, ob ich das auch einem Jungen anziehen werde. Vielleicht schon – einfach, weil es für das Baby keinen Unterschied macht und es mir ja gefällt. Sonst hätte ich es nicht gekauft. Sie lacht.

«Wenn es eine Quote aufgrund des Geschlechts geben sollte, dann auf beiden Seiten.»

zentralplus: Sie arbeiten beim Tiefbauamt der Stadt Luzern als Projektleiterin. Im Tiefbauamt gibt es 17 Projektleiter auf 4 Projektleiterinnen. Wären Sie angesichts dieser Zahlen für eine Frauenquote?

Volken: Nein, ich bin total gegen eine Frauenquote. Wenn es eine Quote aufgrund des Geschlechts geben sollte, dann auf beiden Seiten. Also beispielsweise auch eine Quote bei Kindergartenlehrpersonen, damit es mehr Kindergärtner gibt.

zentralplus: Befürworterinnen und Befürworter einer Frauenquote sagen, dass Chancengleichheit nicht von alleine entsteht. Weshalb sind Sie dagegen?

Volken: Ich selbst wäre auch nicht gerne eine Quotenfrau. Viel wichtiger finde ich, familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen: Dass eben auch Männer Teilzeit arbeiten können, dass es auf Führungspositionen Job-Sharing gibt.

zentralplus: Zurück zu Kira. Macht es überhaupt einen Unterschied, wenn ein einziges Buch die Rollenbilder durchbricht?

Volken: Davon bin ich überzeugt. Kinder schauen fern, blättern durch Bücher. Mit einem Kinderbuch können Kinder spielerisch dem Umgang mit positiven Rollenbildern lernen. Sie merken, dass sie alles machen und werden können – egal, ob Mädchen oder Junge.

zentralplus: Angenommen, Sie bekommen einen Jungen. Folgt dann ein zweites Kinderbuch von Ihnen – eines für Jungs?

Volken: Das wäre unser Traum. Wir dachten schon daran, ein Buch zu kreieren, in dem Tim zum Beispiel Balletttänzer werden möchte.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von mebinger
    mebinger, 14.03.2020, 21:23 Uhr

    Lasst doch Mädchen, Mädchen sein und zerstört niht alles im nmen der Genderreligion

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    • Profilfoto von allyourbasearebelongtous
      allyourbasearebelongtous, 15.03.2020, 00:13 Uhr

      Macht sie ja. Das ist vielmehr die Abschaffung der Genderreligion.

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