Luzerner Regierungsrat bringt Quarantäne-Ende ins Spiel

Durchseuchung? Guido Graf erklärt umstrittene Aussage

Aufhebung der Quarantäne und «stille Durchseuchung». Über diese Themen schreibt Guido Graf in seinem Blog. (Bild: jal)

Es sind brisante Themen, die Guido Graf in seinem neusten Blog anspricht. Der Luzerner Gesundheitsdirektor sinniert über die Aufhebung der Quarantäne-Pflicht und eine «stille Durchseuchung». Und dies, nachdem er erst kürzlich schärfere Massnahmen forderte. Das sei kein Meinungsumschwung, beteuert er.

Findet eine Durchseuchung statt? Eine Frage, die sich angesichts der aktuellen Fallzahlen und dem Ausbleiben strengerer Massnahmen manche Zeitgenossen stellen. Und über die jetzt auch der Luzerner Gesundheitsdirektor sinniert.

In seinem neusten Blogbeitrag «Wort zum Freitag» macht der Mitte-Regierungsrat einige überraschende Äusserungen. Denn erst noch sorgte er über Luzern hinaus für Schlagzeilen, als er vor der drohenden Triage in Spital warnte und eine härtere Gangart vom Bundesrat forderte (zentralplus berichtete).

In der Zwischenzeit hinterfragt er nun den Sinn der Quarantänepflicht und bezeichnet eine Durchseuchung «vielleicht sogar vertretbar».

Macht Quarantäne überhaupt noch Sinn?

Doch von vorne: Die Fallzahlen steigen durch die Omikron-Variante immer weiter an. Dementsprechend sind auch viele Menschen in Quarantäne oder in Isolation.

Dies führt zu wirtschaftlichen und betrieblichen Problemen. Der Bund und die Kantone haben reagiert und so ist auch in Luzern die Dauer der Quarantäne von zehn auf sieben Tage verkürzt worden. Auch müssen nur noch Personen in Quarantäne, die im selben Haushalt leben wie die positiv getestete Person (zentralplus berichtete).

«Wichtig ist, dass wir ehrlich und transparent über verschiedene Strategien und ihre Konsequenzen nachdenken.»

Guido Graf, Gesundheitsdirektor

Aktuell laufen Diskussionen zur einer weiteren Verkürzung – so soll die Quarantäne einheitlich auf fünf Tage reduziert werden. Eine einheitliche Lösung begrüsst Guido Graf. Doch: «Ob eine anschliessende Quarantäne von fünf Tagen dann noch Sinn macht, ist aus meiner Sicht fraglich. Allenfalls müssen wir vielmehr diskutieren, ob es nicht sinnvoller wäre, diese aufzuheben. Und falls die Quarantäne tatsächlich aufgehoben würde, müssten wir uns auch überlegen, wie wir mit dem Testen weiter verfahren.»

Auf Nachfrage von zentralplus betont Graf, dass er nicht eine Aufhebung der Quarantänepflicht fordert. «Ich rege lediglich dazu an, auch über diese Option mit allen möglichen Konsequenzen nachzudenken.»

Eine davon ist klar: Ohne Quarantäne wird dem Virus freie Bahn gelassen. Graf rechnet damit, dass wegen der vielen gleichzeitigen Krankheits- und Personalausfälle die Gesundheitsversorgung für eine gewisse Zeit teilweise wahrscheinlich nur noch mit Einschränkungen zur Verfügung stehen würde. Er nennt auch andere Dienstleistungen wie Polizei oder Feuerwehr, die eingeschränkt sind (zentralplus berichtete).

Guido Graf sieht keinen Widerspruch

Ob dies wirklich schlecht ist? Guido Graf schreibt: «Mit der Aufhebung der Quarantäne würde sozusagen eine ‹stille Durchseuchung› toleriert. In Anbetracht dessen, dass die Omikron-Variante zwar hoch ansteckend ist, gleichzeitig aber zu weniger schweren Verläufen und Hospitalisierungen zu führen scheint, ist dies vielleicht sogar vertretbar, weil wir so rasch eine Herdenimmunität erlangen und das Virus schliesslich endemisch werden könnte.»

Zuerst strengere Massnahmen fordern und dann eine stille Durchseuchung zum Thema machen? «Das ist kein Meinungsumschwung», sagt Guido Graf auf Nachfrage. Er rege lediglich dazu an, so betont er erneut, in Anbetracht der Eigenschaften der Omikron-Variante auch über diese Option nachzudenken. «Und genau solche möglichen Konsequenzen, wie wir sie bereits kommuniziert haben – etwa dass die Spitäler zeitweise überlastet sein könnten, müssten dann ehrlich und transparent kommuniziert werden.»

Positive und kritische Reaktionen

Die Reaktionen auf seinen Blogbeitrag liessen nicht lange auf sich warten. Auf Twitter muss Graf einige Kritik einstecken. Gleichzeitig erfährt er aber auch Zustimmung. Er selber habe bis anhin mehrheitlich positive Rückmeldungen erhalten, sagt Graf.

Adrian Nussbaum, Mitte-Fraktionschef im Luzerner Kantonsrat, stimmt Guido Graf zu:

Kritiker von Grafs Beitrag monieren, dass die Durchseuchungsstrategie asozial sei, die Folgen von Long Covid vernachlässige und schwer Erkrankte in Kauf nehme. Hält Guido Graf eine stille Durchseuchung tatsächlich für vertretbar?

«Diese Frage kann und will ich so nicht beantworten. Ich weiss es schlichtweg nicht und ich bin auch kein Experte für epidemiologische Fragen», sagt er auf Anfrage von zentralplus.

Beide Strategien hätten Vor- und Nachteile. «Wichtig ist, dass wir ehrlich und transparent über verschiedene Strategien und ihre Konsequenzen nachdenken und uns fragen, welche Konsequenzen wir kurz-, mittel- und langfristig eher zu tragen bereit sind.» 

Darauf dürfte wohl auch der Schlusssatz seines Blogbeitrages abzielen. Dort stellt er die Frage: «Wollen wir lieber ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende?»

Wie diese Aussage zu verstehen ist und für welche Variante sich Guido Graf ausspricht, lässt er selbst auf Nachfrage hin offen. «Auch diese Frage kann und will ich so nicht beantworten.» 

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