Beurteilung der Stadtratsmitglieder

Ämterkumulation stösst auf viel Kritik

Die Luzerner Stadtregierung: V.l. Martin Merki, Stadtschreiber Toni Göpfert, Stefan Roth, Manuela Jost, Adrian Borgula und Ursula Stämmer.

Nach unserer Halbzeitbilanz zum Gesamtgremium beurteilen wir heute die Mitglieder Luzerner Stadtrates einzeln. Kritisch bewertet die Luzerner Politik vor allem die mangelnde Präsenz einzelner Stadträte in der Öffentlichkeit. Als positiv gesehen wird die Öffentlichkeitsarbeit zwar beim Stadtpräsidenten. Dennoch stösst auch Stefan Roth in einem Punkt auf negative Resonanz.

Die Halbzeitbilanz des Gremiums fällt ansprechend aus (siehe Artikel vom Sonntag). Der aktuelle Stadtrat erhält vor allem Lob von der SP, auch die CVP und die Grünliberalen geben eine tendenziell positive Beurteilung ab. Kritik kommt von grüner Seite, FDP und der SVP. Doch wie beurteilen die Parteien die Leistung der einzelnen Exekutivmitglieder?

Stefan Roth, Finanzdirektion und Präsidiales

Seine eigene Partei, die CVP, findet, Roth habe seine Rolle gefunden und kenne auch die Dossiers der anderen Direktionen. «Stefan Roth setzt finanzpolitisch und als Wirtschaftsförderer Akzente, könnte aber seine Positionen in wichtigen Geschäften gegenüber dem Parlament manchmal etwas energischer vertreten», sagt die CVP-Fraktionschefin im Grossstadtrat, Franziska Bitzi-Staub.

Die SP bezeichnet Roth als «Sparfuchs». «Er zieht sein eigenes Ding durch und bezieht Parteien nicht immer mit ein. Anders als etwa Martin Merki, der versucht, für seine Anliegen im Voraus eine breite Mehrheit hinter sich zu scharen», erklärt SP-Fraktionschef Nico van der Heiden.

«Besonders kritisch beurteilen wir die Leistung von Stefan Roth»

Korintha Bärtsch, Fraktionschefin Grüne-Junge Grüne im Grossstadtrat

Grüne und Junge Grüne üben ebenfalls Kritik. «Besonders kritisch beurteilen wir die Leistung von Stefan Roth», sagt die Fraktionschefin Korintha Bärtsch, «obwohl er seine Rolle als repräsentativer Stadtpräsident immer besser findet, ist seine Politik als Stadtrat einseitig auf die Finanzen statt auf die Gesamtleistung der Stadt Luzern ausgerichtet. Unsere Bedenken, dass sich das Präsidium mit dem Finanzdepartement schlecht vereinbaren lässt, sehen wir leider bestätigt.»

Die Grünliberalen sagen inhaltlich fast das Gleiche, formulieren es aber positiver. Fraktionschef Andras Özvegyi: «Stefan Roth meistert die Doppelfunktion als Stapi und Finanzdirektor ganz gut. Was nicht heisst, dass eine Trennung dieser zwei Aufgaben trotzdem unerlässlich ist.»

Die SVP findet, es gebe in der Finanzpolitik noch viel mehr mögliche Sparmassnahmen. Grossstadtrat und Parteipräsident Peter With: «In einzelnen Direktionen wie beim Bau und Verkehr ist angesichts der Luxusmassnahmen der letzten Jahre noch einiges Potential vorhanden.»

Adrian Borgula, Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit

Seine eigene Partei, die Grünen, lobt Adrian Borgula über den Klee: «Er hat klare Vorstellungen, welche Ziele in seiner Direktion UVS umgesetzt werden sollen», so Korintha Bärtsch. Im Vergleich zu vergangenen Legislaturen sei beeindruckend, wie viele Geschäfte aus dieser Direktion im Rat behandelt würden und wieviele heikle Fragen, die jahrelang Diskussionsstoff waren, inzwischen angegangen und teilweise auch politisch gelöst werden konnten.

Das Fazit von Bärtsch: «Adrian Borgula hat eine hohe Präsenz und Offenheit gegenüber verschiedenen durch seine Geschäfte betroffenen Kreise. Dies hat dazu geführt, dass er in breiten politischen Kreisen geschätzt wird. Er ist jedoch dem insgesamt bürgerlichen Stadtrat verpflichtet, was sich auch an den schwierigen verkehrspolitischen Diskussionen zeigt.» Ein wenig Kritik gibts doch noch: Seine Voten im Parlament seien oftmals etwas gar ausführlich, so die Fraktionschefin.

«Adrian Borgula verlässt seine frühere Oppositionsrolle aber nur zögerlich und wird noch zu wenig als ‚Magistrat’ wahrgenommen.»

Franziska Bitzi-Staub, CVP-Fraktionschefin

Für die städtische SP ist Borgula «top, dossierfest, engagiert, und er reisst Projekte an.» Die CVP findet, Adrian Borgula habe mit der städtischen Mobilitätsstrategie ein wichtiges Instrument verankern können. Fraktionschefin Franziska Bitzi-Staub: «Er verlässt seine frühere Oppositionsrolle aber nur zögerlich und wird noch zu wenig als ‚Magistrat’ wahrgenommen.» Die Grünliberalen betonen, dass sie abgesehen vom Parkhaus Musegg, alle stadträtlichen Vorlagen aus dieser Direktion unterstützt hat.

Die SVP stellt, entgegen der Tatsache der bürgerlichen Mehrheit fest, in Verkehrsfragen «regiere in Luzern Rot-Grün», da sei keine Massnahme zu teuer, um den öffentlichen und den Langsamverkehr zu finanzieren. Adrian Borgula, findet SVP-Chef Peter With, «setzt sein Parteiprogramm konsequent um, ohne dass ihn die anderen Stadträte stoppen würden.»

Manuela Jost, Baudirektion

Die Grünliberalen finden, ihre Stadträtin Manuela Jost mache ihre Arbeit «gut und seriös». «Sie stellt die Haltung des Stadtrats vor ihre eigene», erklärt Fraktionschef Andras Özvegyi.

Die Sozialdemokraten äussern sich, Jost habe von ihrem Vorgänger (Anm. d. Red. FDP-Stadtrat Kurt Bieder) eine schwierige Direktion übernommen. «Sie setzt noch relativ wenige Akzente und ist politisch sehr zurückhaltend. Wir wünschten uns in der Stadtentwicklung etwas mehr ‹Drive›. Bei der Wohnraumpolitik und bei der Industriestrasse sind wir aber sehr zufrieden mit ihrer Arbeit. Hier setzt sie Volksentscheide konsequent um», so die städtische SP.

«Klare eigene politische Vorstellungen und Visionen, sind bisher kaum sichtbar bei Manuela Jost.»

Korintha Bärtsch, Fraktionschefin Grüne-Junge Grüne

Die Grünen vermissen eigene Akzente. «Sie versucht, es möglichst allen politischen Kräften recht zu machen. Oftmals, wie zum Beispiel bei der Diskussion zur Industriestrasse, ist dies aber kaum möglich». Manuela Jost führe ihre Dossiers sorgfältig, sachlich und überlegt und versuche Mehrheiten zu suchen, was manchmal sehr zeitaufwändig sei. «Klare eigene politische Vorstellungen und Visionen, sind bisher kaum sichtbar. Eine Vernetzung zwischen Städtebau und sozialpolitischen Fragestellungen ist nicht sichtbar». Der frühere grüne Grosssstadtrat und Kantonsrat Hans Stutz seinerseits stellt einen «positiven Paradigmenwechsel in der Wohnungspolitik» fest.

Die FDP-Fraktion hat Wünsche an die beiden neuen Exekutivmitglieder Manuela Jost (Grünliberale), aber auch Adrian Borgula (Grüne). «Man merkt, dass die Neuen die Abläufe teilweise noch zu wenig kennen. Inbesondere bei den B+A der Baudirektion ist man als Grossstadtrat manchmal zu wenig dokumentiert. Es fehlen wichtigen Informationen, die für eine Entscheidung nötig sind. Doch das ist nicht die Schuld Frau Josts, es gab eben viele Wechsel im Bauamt», sagt FDP-Fraktionschefin Sonja Döbeli Stirnemann.

Martin Merki, Sozialdirektion

Sonja Döbeli Stirnemann (FDP) lobt ihren eigenen Stadtrat («gut vorbereitete Kommissionssitzungen, differenzierte Anträge»). Doch auch die anderen Parteien von links bis rechts äussern sich mehrheitlich positiv zu Merki. Er sei «der letzte Liberale im Stadthaus», sagt SP-Fraktionschef Nico van der Heiden, «Martin Merki hat die Dossiers im Griff und ist sehr um Konsens und Einbezug der Parteien bemüht.» Leider folgte ihm die eigene Partei aber nur noch selten, fügt van der Heiden hinzu und platziert einen Seitenhieb: «Die heutige FDP-Fraktion macht fast nur noch Politik à la SVP, etwa in den Bereichen Verkehr und Sozialem.»

«Die heutige FDP-Fraktion macht fast nur noch Politik à la SVP, etwa in den Bereichen Verkehr und Sozialem.»

Nico van der Heiden, SP-Fraktionschef

Dort vertrete Merki oft eine andere, gemässigtere Haltung. Zur Privatisierungsvorlage der Altersheime meint der SP-Vertreter, Martin Merki habe ein «schwieriges Dossier  von seinem Vorgänger gut übernommen – wenn auch nicht in unserem Sinne.» Die SP war gegen die Auslagerung der Altersinstitutionen in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft.

Merki habe die Heimauslagerung «mit Bravour durchgezogen», findet die CVP. Er gehe die Herausforderung mit der alternden Gesellschaft offensiv an. In Geschäften anderer Direktionen sei er nicht wahrnehmbar. Die SVP, die für die Privatisierungsvorlage war, stellt fest, bei der Sozialdirektion laufe die Auslagerung der Altersheime wunschgemäss. «Es fragt sich bloss, was der Stadtrat in der nun frei gewordenen Zeit tut», frotzelt SVP-Präsident Peter With.

Die Grünen stellen fest, Martin Merki habe in den sozialpolitischen Dossiers gezeigt, dass er die aktuellen Probleme und Herausforderungen im Sozialbereich erkenne und dass er offen sei für pragmatische Lösungen, fern von der Parteipolitik. «Bei der Auslagerung der Heime, seinem bisherigen Hauptgeschäft, hat dies zu einer verbesserten Lösung und am Schluss zu einer Mehrheit an der Urne geführt. Ob er allerdings proaktiv und vorausschauend die zukünftigen Fragen im Sozialbereich angeht, ist bisher nicht erkennbar.»

Ursula Stämmer, Bildungsdirektion

Um Ursula Stämmer ist es nach ihrer Niederlage bei der Kampfwahl ums Stadtpräsidium 2012 und ihrem Wechsel in die Bildungsdirektion ruhig geworden. Das äussert sich auch in den Kommentaren der Stadtparteien.

Ihre eigene Partei die SP findet, Stämmer habe die Krise um das Schulhaus Staffeln gut gemeistert, sei erfahren, habe die sozialpolitischen Anliegen zur Personalpolitik bei der HAS-Vorlage gut eingebracht. «Mit der Kulturargenda ist unsere Stadträtin ebenfalls auf Kurs», stellt die SP fest.

Viel eigenen Spielraum in der Bildung habe die Stadt aufgrund übergeordneter gesetzlicher Vorgaben ohnehin nicht, erklären verschiedene Parteien.

Betont wird die lange Erfahrung der Stadträtin in der Exekutive. «Sie kann in Geschäften aller Direktionen aufgrund ihrer Erfahrung öffentlich mitreden und tut dies manchmal auch», sagt CVP-Fraktionspräsidentin Franziska Bitzi Staub.

«Ursula Stämmer schöpft aus ihrer  Erfahrung, ihrem Wissen und ihrer Vernetzung, sie kann so bei Geschäften anderer Direktionen mitreden, was den drei neuen Stadtratsmitgliedern noch etwas fehlt», hält Korintha Bärtsch namens der Fraktion der Grünen und Jungen Grünen fest. So hätte sie sicher noch stärker die Rolle der Vernetzerin im Stadtrat übernehmen können. «Obschon der Schulbereich stark kantonal geprägt ist, könnte die städtische Schule noch ein erkennbares, eigenes Gesicht entwickeln, was bisher kaum geschah», so die Fraktionschefin.

«Bei der Bildung läuft nicht viel, ausser dass man ein frisch teilsaniertes Schulhaus schliesst und neu bauen will.»

Peter With, SVP-Grossstadtrat und Parteipräsident

Auch zum Schulbereich äussert sich die Schweizerische Volkspartei sarkastisch. Peter With: «Bei der Bildung läuft nicht viel, ausser dass man ein frisch teilsaniertes Schulhaus schliesst und neu bauen will, ohne dass irgendwelche Grenzwerte überschritten würden.» Und dann wolle der Stadtrat gleich noch eine Rochade mit dem Ruopigenschulhaus machen, das neu ein Oberstufenschulhaus werden soll. «Auch hier sind die Finanzen Nebensache», stellt With fest.

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