Viele Schweine werden nicht artgerecht gehalten
434'500 Schweine leben im Kanton Luzern. Die hohe Zahl führt nicht nur dazu, dass es um das Tierwohl nicht immer zum Besten steht. Auch mussten zwei Seen für 100 Millionen Franken saniert werden. Trotzdem will Luzern zum Nutztierbestand keine Vorgaben machen. Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie Mensch und Tier profitieren können.
Im Kanton Luzern leben mehr Schweine als Menschen. Aufgrund der zu hohen Einträge von Phosphor über die Gülle muss zum Beispiel der Baldeggersee immer noch künstlich belüftet werden und viele Gewässer im Kanton leiden unter der hohen Phosphor- und Stickstoffbelastung.
Auch für das Klima sind die Emissionen ein Problem. Die Schweinemastbetriebe können jedoch nur dank der hohen Anzahl Schweine pro Betrieb ausschliesslich von der Landwirtschaft leben.
Schweine sehen kaum das Tageslicht
Wer im Kanton Luzern über Land fährt, sieht viele Bauernhöfe und immer wieder Kühe – nur keine Schweine. Doch wo leben diese 434'500 Schweine und was hat die Schweinemast für Auswirkungen auf unsere unmittelbare Umgebung? Die Hälfte der Luzerner Schweine verbringt ihr ganzes Leben in Betonbuchten, mit minimaler Bewegungsfreiheit.
Die hochintelligenten und neugierigen Schweine sind chronisch unterbeschäftigt und zeigen häufig mehr oder weniger starke Verhaltensstörungen. Entsprechend leiden viele der Tiere aufgrund der geschlossenen Ställe mit schlechter Luftqualität unter Atemwegserkrankungen, wie der Schweizerische Tierschutz festhält.
Nur wenige Betriebe haben Ställe mit Auslaufmöglichkeiten oder sogar Zugang zur Wiese, wie eine Statistik zum Schweinemarkt des Bundesamtes für Landwirtschaft zeigt.
Erfreulicherweise gibt es auch im Kanton Luzern Betriebe, die ihre Schweine in tierfreundlichen Systemen halten, mit Auslauf, Wühl- und Suhlbereichen und artgerechter Futteraufnahme (zentralplus berichtete).
Kanton setzt Priorität beim Güllemanagement ...
Neben dem Tierwohl gibt es noch weitere Gründe, die Schweinehaltung im Kanton Luzern zu überdenken. Speziell ist nämlich der sehr hohe Anteil an Nutztieren im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Das heisst, wir produzieren als Kanton viel Gülle und durch die Nähe zu den Gewässern braucht es ein sehr gutes Güllemanagement.
Dies ist nicht nur für die Produzenten und die Gewässer relevant, sondern für uns alle. Denn wir als Gesellschaft tragen die hohen Kosten, welche die sehr hohe Nutztierdichte verursacht. Das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD) des Kantons hält im Umweltbericht 2018 fest, dass die Umweltauswirkungen der Landwirtschaft zu den hauptsächlichen Herausforderungen im Umweltbereich im Kanton Luzern gehören.
Daniel Christen, Leiter Dienststelle Umwelt und Energie des BUWD: «Die Nutztierdichte im Kanton Luzern ist im schweizerischen Vergleich überdurchschnittlich hoch. So führen Emissionen von Nährstoffen zu einer Beeinträchtigung von Luft, Boden, Gewässern und nährstoffarmen Biotopen.» Die Mittellandseen sind überdüngt und müssen belüftet werden. Die Massnahmen haben bereits gegen 100 Millionen Franken Steuergelder für die Sanierung des Sempacher- und des Baldeggersees gekostet.
... und sieht von Eingriffen in die unternehmerische Freiheit ab
Ungeachtet dieser Tatsachen hat der Regierungsrat des Kantons Luzern vor einem Jahr zum wiederholten Mal Forderungen aus dem Kantonsrat, die Nutztierdichte im Kanton zu senken, abgewiesen. Begründung: «Die Forderungen nach einer Reduktion des Schweine- und Rindviehbestandes können nicht über direkte Massnahmen angegangen werden. Wir erachten dies als einen zu grossen Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Landwirtschaftsbetriebe. Aus diesem Grund sind auch in der Strategie keine direkten Massnahmen oder Steuerungsmechanismen zur Senkung der Tierbestände vorgesehen.»
Es gab zwar einzelne indirekte Massnahmen wie Gülle in andere Kantone zu exportieren, jedoch haben sie bei weitem nicht gereicht, um die Ziele bei den Phosphor- und den Ammoniak-Emissionen zu erreichen. Obwohl das effektive Problem der zu hohen Nutztierdichte im Umweltbericht 2018 klar festgehalten wird, lehnt der Regierungsrat Massnahmen zur Reduktion der Nutztiere ab.
Aktuell sei der Teilplan Ammoniak in der Landwirtschaft Massnahmenplan II in Ausarbeitung, soweit die Kommunikation des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements.
Politik schafft zu wenig Anreize
Die Schweinemast im Kanton Luzern hat ein zentrales Problem: Für viele Betriebe ist es aus wirtschaftlichen Gründen schwierig, auf tierfreundlichere oder ökologischere Systeme umzustellen, denn dafür braucht es Investitionen.
Dass die Rechnung nicht aufgehen kann, liegt unter anderem daran, dass die Detailhändler teilweise Labelfleisch zu konventionellen Preisen verkaufen (müssen). Es bräuchte aus Politik und Gesellschaft dringend mehr Unterstützung für die Produzenten, die gerne auf ein tierfreundlicheres Haltungssystem umstellen möchten.
Ausserdem benötigen sie genügend Beratung auch in Bezug auf die Emissionsreduktion in die Gewässer, Böden und die Luft. Es muss aber auch für ein existenzsicherndes Einkommen reichen. Das kann entweder über höhere Preise beim Konsumenten oder mehr Direktzahlungen und kantonale Unterstützungsbeiträge gesteuert werden.
Konsumenten steuern durch ihr Verhalten
Für Konsumenten noch ein kleines Zahlenspiel: In den letzten zwölf Monaten hat ein durchschnittlicher Schweizer Haushalt für über 1000 Franken Fleischprodukte im Detailhandel eingekauft.
Davon wurden laut dem Bundesamt für Landwirtschaft 440 Franken für Schweinefleisch ausgegeben. Wenn wir nun durchschnittlich 4 Franken mehr pro Kilogramm bezahlen und dafür Wiesenschwein oder Bioschwein kaufen würden, reichten uns die 440 Franken für 18 kg statt der bisherigen 22 Kilogramm Schweinefleisch pro Jahr. Wären uns das die bald etwas saubereren Gewässer und die artgerechter gehaltenen Schweine beim Sonntagsspaziergang auf der Wiese nicht wert?