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Vielleicht das wichtigste Jubiläum der (jungen) Zuger Geschichte

1995 (Privatarchiv) (Bild: Privatarchiv)

Dieses Jahr wird man regelrecht überschwemmt mit Jubiläumsfeierlichkeiten. Mercedes Lämmler widmet sich in diesem Jahr einem kleineren Zuger Jubiläum – der Galvanik.

Dieses Jahr wird man regelrecht überschwemmt mit Jubiläumsfeierlichkeiten. Man denke nur an all die wichtigen Daten der Schweizer Geschichte: 1315 (Schlacht bei Morgarten), 1415 (Eroberung des Aargau), 1515 (Schlacht bei Marignano), 1815 (Verhandlung über Schweizer Verfassung am Wiener Kongress), die zurzeit landauf, landab diskutiert werden. Ich widme mich in diesem Jahr auch einem Jubiläum – keinem geschichtspolitischen Schwergewicht, wenn auch die Geschichte dieses Hauses nie unpolitisch war – der Galvanik. Vor rund zwei Jahrzehnten wurden in der gleichnamigen Fabrik und späterem Kleidervertrieb in der Chollermüli die Wände und Böden rausgerissen, um ein neues Stück Zuger Geschichte zu schreiben. Als Präsidentin der Interessengemeinschaft Galvanik Zug begab ich mich ins Archiv auf der Suche nach alten Quellen aus der Entstehungszeit.

Wie es begann

Der Gründerverein der Galvanik, «Durchzug – Verein für Kulturpower», bestand aus jungen unerschrockenen Persönlichkeiten der Zuger Kulturszene, die man als verwegen, vielleicht sogar als frech bezeichnen kann. Unter ihrem Label wurden Anfang der 1990er Jahre Konzerte und Partys an verschiedenen Orten in Baar und Zug wie dem sogenannten Jugi (Industrie 45) veranstaltet. Kerngedanke des Vereins war, dass Zuger Bands vor Zuger Publikum auftreten sollten. Zu dieser Zeit befand sich die Zuger Musikszene in einem kreativen Hoch, doch fehlte es ihr an Konzerträumlichkeiten, insbesondere für alternative Musik, um das Feuer am Brennen zu halten.

Mit diesem Bestreben stand «Durchzug» jedoch nicht allein da. Zur gleichen Zeit war auch der Verein Kurzum (Kulturraum Zug Musik) als Vertreter der Zuger Musikerinnen und Musiker auf der Suche nach einem Kulturzentrum mit einer Aktionshalle und Proberäumen. Ihr Ziel war, das ehemalige Fabrikgebäude Theilerhaus an der Hofstrasse zu nutzen, das damals schon mehrere Jahre leer stand. Die Kurzum-Mitglieder suchten das Gespräch mit den Behörden, erstellten Konzepte und Gesuche, reichten eine Petition ein und suchten Verbündete. Aber auch die musikalische Besetzung des Regierungsgebäudes im Jahr 1994 führte nicht zum Ziel. Sie wurden nicht gehört.

Ein kultureller Grabenkampf

Parallel dazu entschied sich «Durchzug» dafür, im Chollerareal die Liegenschaft «Wilhelm» zu mieten. Mit der Baubewilligung in der Tasche begannen sie im Januar 1995 mit den Umbauarbeiten. Die offizielle Eröffnung (die inoffizielle wurde bereits im Mai gefeiert) fand schliesslich nach einer rauschenden Silvesternacht am Neujahrstag 1996 statt. Das neue Kulturzentrum war plötzlich da – und sollte privat finanziert werden. Nur umgebaut wurde mit der Unterstützung der öffentlichen Hand. Kurzum war enttäuscht und fühlte sich hintergangen. Die Mitglieder befürchteten, dass ihre Bemühungen nun versanden würden. Von einem «kulturellen Grabenkampf» war damals in den Zeitungen die Rede: Galvanik kontra Theilerhaus – Durchzug kontra Kurzum.

Doch das eigentliche Ziel wog schwerer: Mit der Galvanik hatten die Zuger Musikschaffenden und Musikliebhaber das lange ersehnte Zuhause gefunden. Nach und nach fanden die Bands den Weg in die Proberäume vor Ort: Die Galvanik wurde zum wichtigsten Bezugspunkt der Zuger Musikszene in den Bereichen Rock, Hip Hop, Pop und elektronische Musik, auch die Graffiti- und Breakdance-Szene fand hier ihren Platz. Nachtschwärmer und Begeisterte pilgerten von überallher in die Galvanik. Das Tanzverbot an den Ostertagen wurde stets ignoriert – die polizeiliche Busse nahm man in Kauf. Ja, sie waren unerschrocken und versuchten unabhängig zu sein in einer Zeit, als die Ausgangswege nach Zürich und Luzern noch nicht alle weglockten, der Gemeinschaftssinn genug stark war, um im konservativen Zug ein Stück Freiheit zu schaffen, sei es auch nur für einige Stunden auf der Bühne oder der Tanzfläche.

Schreckensmoment für die Galvanik

Im Jahr 2000 kündigte der Verein «Durchzug»  seinen Konkurs an. Aus dem Wunsch, den Galvanik-Gedanken weiterzuführen, wurde im selben Jahr die Interessengemeinschaft Galvanik Zug gegründet, welche sich die finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand sicherte. Und nun feiert das Haus sein 20-jähriges Bestehen. Wenn ich zurückschaue, denke ich, dass es ein geschichtspolitisch mindestens so wichtiges Jubiläum ist wie 1315, 1415, 1515 oder 1815.

 

Schauen Sie sich die Geschichte des Hauses in der Bildergalerie an.

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