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Auf archäologischer Spurensuche

Trugen die Zuger Pfahlbauer Schuhe?

Schuh-Repliken: Fellschuhe von «Ötzi», Lederschuh nach niederländischem Vorbild mit Moossohle, römische Carbatina, römische Sandale und ein mittelalterlicher Schuh mit Trippe.

(Bild: © Museum für Urgeschichte(n) Zug, Res Eichenberger)

Schuhe gehören zu seltenen archäologischen Funden, da die Materialien wie Leder, Bast oder Holz im Boden nur unter speziellen Bedingungen erhalten bleiben. Das Museum für Urgeschichte(n) begibt sich auf die Spuren der menschlichen Fussbekleidung und präsentiert archäologische Schuhfunde aus der Region.

Würden Sie ohne Not barfuss über Schneefelder, durchs Dornengestrüpp oder über heissen Sand gehen? Wohl kaum, und auch unsere Vorfahrinnen und Vorfahren versuchten sicher, ihre Füsse gegen äussere Einflüsse zu schützen. Dennoch finden sich in archäologischen Ausgrabungen kaum einmal Schuhe.

Aus der Ur- und Frühgeschichte des Kantons Zug kennen wir nur gerade zwei Stück bzw. deren Überreste. Zum einen handelt es sich um Sohlenteile einer römischen «solea», einer ledernen Sandale in der Art der heutigen Flipflops. Zum anderen wurde in der jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlung Zug, Schützenmatt, eine Einlegesohle aus Moos entdeckt.

Ein verzerrtes Bild der Vergangenheit

Bedeutet das nun, dass die Zuger früher alle barfuss unterwegs waren? Vermutlich nicht. Dass aus rund 15’000 Jahren Besiedlung nur gerade zwei Schuhen übrig geblieben sind, liegt wohl in erster Linie daran, dass diese aus Materialien hergestellt wurden, die sich im Boden schlecht erhalten: Leder, Bast, Holz und vielleicht Wolle oder Stoff. Nur in feuchten Böden, im ewigen Eis oder in beständiger Trockenheit haben Schuhe überhaupt die Chance, während Jahrtausenden erhalten zu bleiben.

Vergleichbare Probleme stellen sich auch bei der restlichen Kleidung des Menschen. Kaum einmal bleibt etwas davon erhalten, während andere Gegenstände des Alltags aus Keramik, Stein oder Metall – beispielsweise Gefässe, Werkzeuge oder Schmuck – ungleich bessere Chancen haben, die Jahrhunderte zu überdauern. Die Überlieferung zeichnet also ein stark verzerrtes Bild der Vergangenheit.

Wie lässt sich das Tragen von Schuhen nachweisen?

Doch warum sind Archäologen so sicher, dass Menschen schon in der Steinzeit regelmässig Schuhe trugen? Ist es überhaupt statthaft zu behaupten, etwas habe existiert, das nicht nachweisbar ist? Hier kommen die Forschungsergebnisse weiterer Disziplinen zu Hilfe.

So gibt es aus Sicht der Zoologie Argumente, die für das Vorhandensein von Schuhen sprechen: Tiere benötigen keine Fussbekleidung, da ihre Füsse perfekt an ihren jeweiligen eingeschränkten Lebensraum angepasst sind. Menschen hingegen besiedeln und begehen alle Klimazonen und greifen in manchen Regionen zu Hilfsmitteln, um die Füsse zu schützen, so im Eis und auf spitzen Steinen.

Weitere Indizien liefert die menschliche Anatomie: Schuhe lassen sich indirekt durch Veränderungen am Fusskelett nachweisen. Diese treten in China vor 40’000 Jahren und in Mitteleuropa vor etwa 26’000 Jahren erstmals auf, lange vor den ersten archäologischen Funden.

Eine Sohle aus der Pfahlbausiedlung Zug

Den frühesten archäologischen Nachweis von Menschen mit Fussbekleidungen zeigen mittelsteinzeitliche Felsbilder aus einer Schlucht in Spanien aus der Zeit zwischen etwa 10’000 und 5000 v. Chr. – zumindest dann, wenn man die Darstellung tatsächlich als Stiefel und nicht einfach als besonders stramme Waden interpretiert.

Mittelsteinzeitliches Felsbild: Die Waden der Jäger sind verdickt, was als Darstellung von Stiefeln gedeutet werden kann. (Bild: schuhtick, zvg. Museum für Urgeschichte(n))

Mittelsteinzeitliches Felsbild: Die Waden der Jäger sind verdickt, was als Darstellung von Stiefeln gedeutet werden kann. (Bild: schuhtick, zvg. Museum für Urgeschichte(n))

Die bislang ältesten Schuhe Mitteleuropas sind diejenigen von «Ötzi», dem Mann, der vor rund 5300 Jahren im Gletschereis konserviert wurde. Ähnlich alt, nämlich fast 5200 Jahre, ist auch die erwähnte Moossohle aus der Pfahlbausiedlung Zug, Schützenmatt.
Am unscheinbaren ovalen Stück Moos zeigten sich beim genaueren Hinschauen Spuren, die belegen, dass es als Einlegesohle diente – eine Art frühe Rheumasohle also. Die Sohle lag wohl in einem sogenannten Bundschuh, einem Schuh also, der aus einem einzigen Stück Leder zugeschnitten und mit Schnüren zusammengehalten wurde. Ähnlich simpel waren Schuhe während Jahrtausenden konstruiert.

Lederner Bundschuh nach einem Originalfund aus Buinerveen NL (Bronzezeit) mit Einlegesohle aus Moos nach einem Fund aus Zug-Schützenmatt (Jungsteinzeit).

Lederner Bundschuh nach einem Originalfund aus Buinerveen NL (Bronzezeit) mit Einlegesohle aus Moos nach einem Fund aus Zug-Schützenmatt (Jungsteinzeit).

(Bild: © Museum für Urgeschichte(n) Zug, Res Eichenberger)

Fund aus einer Opfergrube

Erst in der römischen Epoche kommen kompliziertere Modelle aus mehreren Teilen dazu. Einziges Zuger Zeugnis davon ist der «Flipflop» aus Cham-Hagendorn. Die in römischer Zeit in unserer Gegend ebenfalls neue Sitte, die Schuhsohle mit Eisennägeln zu benageln, führt dazu, dass der Nachweis von Schuhen nun einfacher wird.

Dies zeigt besonders schön ein Fund aus Sursee. Auf dem Hofstetterfeld, nördlich der Altstadt, fanden dort 2011 grossflächige Ausgrabungen statt. Dabei entdeckte man unter anderem einen römischen Friedhof aus der Zeit um etwa 100 n. Chr. In einer Grube innerhalb des Friedhofs war ein Paar Schuhe deponiert. Davon sind allerdings nur die Schuhnägel der beiden genagelten Sohlen erhalten geblieben, das Leder war bereits zersetzt. Menschliche Knochen waren in der Grube keine vorhanden, so dass es sich möglicherweise um eine Opfergrube handelt.

Mehr über Schuhe von der Steinzeit bis zum Mittelalter, aber auch im 21. Jahrhundert zeigt ab dem 20. November die Sonderausstellung «Der Schuh – 5000 Jahre unterwegs» im Museum für Urgeschichte(n) Zug. Schuhe nach urgeschichtlichen Vorbildern kann das Publikum dort sogar an- und ausprobieren.

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