Ein römischer Brunnen zieht um
Anfang der Dreissigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wurde im Gebiet südlich des Instituts Heiligkreuz ein Sodbrunnen entdeckt. Dieser wurde anschliessend ins Museum für Urgeschichte gebracht. Wie dieser Umzug vonstattenging, wo der Brunnen heute steht und welche Fundstücke noch entdeckt wurden, zeigt der Blogpost des Museums für Urgeschichte.
Eine Grossbaustelle der SBB erstreckt sich momentan bis aufs Areal des Zuger Schulhauses «Athene» an der Zuger Hofstrasse. Darunter verbirgt sich – gut geschützt durch Schaltafeln – ein wenig bekanntes Kulturgut aus römischer Zeit.
Zwischen Fussballwiese und Mänibach steht nämlich ein römischer Sodbrunnen. Dieser versorgte nicht etwa eine römische Siedlung hier in Zug mit Wasser, sondern wurde einst in Cham-Heiligkreuz erbaut. Doch wie gelangt ein römischer Brunnen von Heiligkreuz an die Zuger Hofstrasse?
Eine aussergewöhnliche Entdeckung
Im Frühjahr 1933 stellte der Chamer Emil Villiger fest, dass im Gebiet südlich des Instituts Heiligkreuz noch bis ins 18. Jahrhundert der Flurname «Muracher» gebräuchlich war. «Muracher» weist auf frühere Steinbauten hin, oft aus römischer Zeit. Tatsächlich entdeckte Villiger bald eine erhöhte Stelle im Feld, wo nach dem Pflügen viele Steine und charakteristische römische Leistenziegel an die Oberfläche kamen.
Dies sorgte für Aufsehen, waren doch im Kanton Zug bis anhin keine römischen Siedlungsspuren bekannt. Umgehend beauftragte das Museum für Urgeschichte den Archäologen Diethelm Fretz aus Zollikon damit, eine Ausgrabung durchzuführen. Von 1933 bis 1935 untersuchte Fretz in Heiligkreuz annähernd 3'000 Quadratmeter archäologisch. Er stiess dabei auf verschiedene Mauern, wohl von Wirtschaftsgebäuden eines römischen Gutshofs.
Das feuchte Gelände war mit einem System von Kanälen entwässert worden. Zudem waren dort zwei – zeitlich vermutlich aufeinanderfolgende – Sodbrunnen angelegt worden.
Umzug eines Brunnens
Das Interesse an Archäologie war im Kanton Zug zu der Zeit gross. 1930 war im Keller des Schulhauses «Athene» das Kantonale Museum für Urgeschichte eröffnet worden. So kam die Idee auf, einen der Brunnen als Ausstellungsstück ins Museum zu zügeln – kein ganz einfaches Unterfangen, handelte es sich doch um einen immerhin 2,10 Meter tiefen Schacht!
Zur Stabilisierung wurde der Brunnen mit Gips ausgegossen. Anschliessend wurde er vorsichtig abgebaut und, unter Zuhilfenahme von reichlich Beton, im Keller der «Athene» wieder aufgebaut.
Dort bereicherte das ungewöhnliche Exponat die Ausstellung zur Zuger Archäologie, bis das Museum 1946 an die Ägeristrasse verlegt wurde. Der Brunnen blieb zurück, bis er 1997 erneut umziehen musste: Anlässlich des Umbaus der «Athene» wurde er abgebaut und am heutigen Standort im Aussenbereich platziert.
Dort ist er nun – wenn ihn nicht gerade eine Grossbaustelle verbirgt – jederzeit öffentlich zugänglich. Nicht zu verwechseln ist der römische Brunnen übrigens mit einem weiteren, deutlich jüngeren Sodbrunnen im Inneren der «Athene». Dieser ist um einiges tiefer und versorgte vermutlich einmal einen Bauernhof mit Trinkwasser.
Weitere Fundstücke in der Sammlung des Museums
Die sichtbaren Spuren des Gutshofs von Cham-Heiligkreuz befinden sich heute an der Zuger Hofstrasse. Neben dem Brunnen sind dies viele qualitätsvolle Funde in der Sammlung des Museums für Urgeschichte(n).
Architekturteile wie behauene Tuffsteine, Fensterglas und Heizungsziegel machen klar, dass in Heiligkreuz einst eine stattliche sogenannte villa rustica stand. Neben Wirtschaftsgebäuden in der Art der 1933 ausgegrabenen verfügte diese sicher über ein luxuriöses Wohnhaus (pars urbana) und ein geheiztes Bad. Wo aber standen diese Bauten?
In den 1930er-Jahren wurde vorerst nicht weitergeforscht. Erst nach dem Tod des Ausgräbers Diethelm Fretz 1950 gelangten die Unterlagen der Ausgrabung nach und nach ins Archiv des heutigen Amts für Denkmalpflege und Archäologie in Zug. Inzwischen erschwerte der zeitliche Abstand die Interpretation der Dokumente. Durch minutiöses Studium der alten Pläne, kombiniert mit Luftbildern, gelang es immerhin, den Ort der Ausgrabung wieder zu lokalisieren.
Prospektionsmethoden sollten Aufschluss verschaffen
Als 2017 eine Fernwärmeleitung für das Kloster Heiligkreuz angelegt wurde, erhoffte man sich, in den Leitungsgräben endlich mehr Information über den Gutshof zu finden. Wider Erwarten kamen jedoch keine Mauern und kaum römische Funde zum Vorschein. In der Folge setzte das Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug die Suche mit modernen Prospektionsmethoden fort.
Diese ermöglichen es, einen Blick in den Boden zu werfen, ohne zu graben. Gemeinsam mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel wurde im Dezember 2017 südwestlich des Klosters eine geomagnetische Prospektion durchgeführt.
Die Geomagnetik misst Veränderungen im Erdmagnetfeld, die durch Fundobjekte aus Metall oder Keramik oder durch Bodeneingriffe verursacht werden. Unter günstigen Bedingungen werden so archäologische Strukturen im Boden erkannt, ohne zu graben. Ein glücklicher Zufall erlaubte es, gleichzeitig mit dem Multikopter Schneereste auf der Fläche zu dokumentieren.
So erhielt man gleich zweifach zerstörungsfreien Einblick in den Boden. Allerdings lassen Luftbild und Magnetogramm kaum übereinstimmende Befunde erkennen. Die Schneemerkmale im Luftbild rühren also kaum von Mauern her, denn solche wären auch im Magnetogramm erkennbar.
Fazit: Die gesuchten Bauten des Gutshofs befinden sich auch nicht in der prospektierten Fläche. Doch wo standen sie? Hat man einfach den richtigen Ort noch nicht entdeckt? Haben die Ausgräber im vergangenen Jahrhundert oder die Landwirte in noch weiter zurückliegender Zeit alle Spuren so gründlich «aufgeräumt»? Sicher ist: Auch auf künftige Forscherinnen und Forscher warten in Cham-Heiligkreuz spannende Aufgaben!