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Gerold Kunz in Chicago

Auf Augenhöhe

(Bild: Gerold Kunz)

Riesige Werbetafeln gehören zum Bild jeder amerikanischen Stadt. In Chicago säumen sie die breiten Einfahrtstrassen, die von den Vorstädten mitten ins Stadtzentrum führen. Die Standortwahl ist jedoch bis heute von Marktgesetzen und nicht von städtebaulichen Überlegungen diktiert.

Seit 1965 liegt mit dem «Highway Beautyfication Act» der Behörde ein Kontrollinstrument für die Regelung der Plakatwerbung entlang der Autobahnen vor. Doch wird die Standortwahl bis heute von Marktgesetzen und nicht von städtebaulichen Überlegungen diktiert.

Schlag auf Schlag sind in den USA in den 1950er-Jahren die Erlasse zum Nationalstrassenbau aufeinander gefolgt. Und zwei Jahre, nachdem der «Interstate Highway Act» 1956 beschlossen wurde, stellte die Politik bereits erste Regeln für die Plakatierung entlang der Autobahnen auf.
Da diese offenbar zu wenig griffen, wurde 1965 mit dem «Highway Beautification Act» eine neue Grundlage eingeführt.

Beitrag zur Gesundheit

Initiative für das Gesetz ergriff niemand geringerer als das Präsidentenpaar selbst. Lady Bird Johnson, die First Lady an der Seite von Präsident Lyndon B. Johnson, setzte das Anliegen auf die Agenda der nationalen Politik.

Seit 1965 liegt mit dem «Highway Beautification Act» den Behörden ein Kontrollinstrument für die Regelung der Plakatwerbung entlang der Autobahnen vor. Doch wird die Standortwahl bis heute von Marktgesetzen und nicht von städtebaulichen Überlegungen diktiert.

Dabei ging es ihr neben der Eindämmung der Plakatwerbung (Billboards) auch um die Beseitigung von Schrottplätzen (Junkyards), mit dem Ziel, dass sich das Stadt- und Landschaftsbild verschönere, um so einen Beitrag zur Gesundheit der Bevölkerung zu leisten. Über mögliche Massnahmen wurde sogar an einer nationalen Konferenz beraten.

Doch weder Billboards noch Junkyards sind aus dem Bild der amerikanischen Stadtlandschaft verschwunden. In Chicago verdichten sich die Plakate entlang der Autobahnen zum Zentrum hin. Doch im Unterschied zur Schweiz stechen hier Plakatflächen mit der Grösse eines Gebäudes in den Himmel. Nicht nur sind sie für das Stadtbild prägend, sondern auch aus einer amerikanischen Stadt nicht wegzudenken.

Stadtbild aus Augenhöhe

Oft erscheinen die Werbetafeln wie zufällig im Stadtgrundriss verteilt. Eine Fahrt auf dem Freeway klärt jeden Stadtbesucher auf: Die Tafeln folgen einem ausgeklügelten System und einer gut dosierten Reihenfolge. Ihre Dichte nimmt zum Stadtzentrum hin zu.

Die Eigentümer, allen voran die Firmen Outfront, JCDecaux oder ClearChannel, bewirtschaften jeden möglichen Standort. Hier sind professionell agierende Stadtmöblierer am Werk, die nichts dem Zufall überlassen.

Werbung als Phänomen im Stadtbild hatten die amerikanischen Architekten Robert Venturi, Denis Scott Brown und Steven Izenour am Beispiel von Las Vegas Ende der 1960er-Jahre untersucht und gleichzeitig nach dem Einfluss der Populärkultur auf den Städtebau der Nachkriegszeit gefragt. Mit ihren Forschungen hatten sie den Blick auf die Stadt auf die Augenhöhe ihrer Benutzer zurückgeholt.

Funktion und Bedeutung


Die entlang der Hauptstrassen aufgereihten Werbeplakate haben die Funktion, auf der Hinfahrt auf die Konsumwelt in der Innenstadt einzustimmen und auf der Rückfahrt auf das Abendprogramm.

Die mächtigen Installationen zwischen den Häusern erinnern mich auf meinen Rundgängen an das übergeordnete Ganze, das jeden noch so zufällig erscheinenden Standort in ein Netz von Bedeutungen einwebt, dessen Summe die Stadt mit allen ihren Facetten ausmacht.

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