Neuer Präsident des Stadtluzerner Wirtschaftsverbandes

Benjamin Koch eckt mit Komitee gegen Covid-Zertifikat an

Benjamin Koch befürchtet, dass sich die Schweizer an das Zertifikat gewöhnen. (Bild: jal)

Kaum im Amt, wirbelt der neue Präsident des Wirtschaftsverbandes der Stadt Luzern Staub auf: Benjamin Koch bekämpft gemeinsam mit anderen Unternehmern die Zertifikatspflicht im Covid-Gesetz. Antriebsfeder sind nicht ökonomische, sondern gesellschaftspolitische Gründe. Kritiker werfen ihm vor, sein Amt für persönliche Anliegen zu nutzen.

Fünf Monate lang hörte man wenig von ihm: Ende Juni hat Benjamin Koch das Präsidium des Wirtschaftsverbandes der Stadt Luzern übernommen. Mitten in der Pandemie, wegen Corona fand die Generalversammlung schriftlich statt, ohne Publikum und Medien.

Inhaltlich blieben aufsehenerregende Aktionen oder Ankündigungen bislang aus. Kein Wunder, denn Benjamin Koch will die bisherige Linie des bürgerlichen Wirtschaftsverbandes weiterführen: Sich für den Wirtschaftsstandort Luzern einsetzen, sich um neue und alteingesessene Unternehmen kümmern, für weniger Regulierungen und mehr Innovationen kämpfen.

So weit, so unspektakulär. Doch nun fällt Benjamin Koch mit einem politischen Engagement auf, das in Wirtschaftskreisen auch für Kopfschütteln sorgt. Der 45-Jährige hat gemeinsam mit sieben anderen Kleinunternehmern das Komitee «Gwärbler gäge d’Zertifikatspflecht» gegründet, das sich für ein Nein gegen das Covid-Gesetz am 28. November einsetzt.

Komitee will Massnahmen lockern statt verschärfen

Dass sein erstes öffentliches Engagement im neuen Amt nicht überall goutiert wird, ist Benjamin Koch klar. «Aber die Zertifikatspflicht hat in der Schweiz zu einer gefährlichen Spaltung der Gesellschaft geführt. Wir müssen uns jetzt dagegen wehren, sonst ist es zu spät.»

Weil auch Geimpfte ansteckend sein können, hält Koch die Zertifikatspflicht für sachlich unbegründet. Darüber hinaus befürchtet der dreifache Vater vor allem, dass sich die Menschen an das Zertifikat gewöhnen und es schleichend zur Normalität wird. «Vor einem Jahr schien es unvorstellbar, dass wir 3G in der Schweiz haben – jetzt ist es Alltag. Ich will nicht, dass meine Kinder in einem Land mit dieser neuen Normalität aufwachsen.» Die Entwicklungen in Österreich, das einen Lockdown für Ungeimpfte verhängt hat, oder Deutschland mit der 2G-Tendenz bestärken ihn in dieser Kritik.

«Bei dieser Abstimmung geht es um die gesetzliche Basis des Zertifikats, die Wirtschaftshilfen sind praktisch irrelevant.»

Benjamin Koch, Wirtschaftsverband Stadt Luzern

«Ich will Covid keinesfalls verharmlosen. Es ist ein gefährliches Virus», räumt Benjamin Koch ein. Was also, denn darauf bleiben Massnahmenkritiker oft eine Antwort schuldig, ist der alternative Weg raus aus der Pandemie? Koch glaubt, dass inzwischen all jene geimpft seien, die den Piks wollten. Statt Verschärfungen und zusätzlicher Impfdruck seien deshalb jetzt Lockerungen angezeigt. Also eine Durchseuchung? Klar, müsse man die gefährdeten Personen schützen, kontert er den Einwand, sonst überlasse die Gesellschaft die Schwachen und Kranken ihrem Schicksal.

Was die Überlastung des Gesundheitssystems betrifft, verweist er auf die trotz steigender Fallzahlen relativ stabilen Hospitalisierungen. Und dass man zur Bekämpfung der Pandemie nicht ausschliesslich auf das «vermeintliche Allheilmittel Impfung» setzen dürfe.

Unternehmer gegen Wirtschaftshilfen – für Koch kein Widerspruch

Im Gespräch wird deutlich, dass der Mitte-Politiker viel Verständnis hat für Menschen, die sich nicht impfen lassen. Auch weil er persönlich schlechte Erfahrungen mit dem Impfen machte, lange vor Corona. Selber ist er ohne Symptome an Covid erkrankt und somit genesen.

Koch und seine Mitstreiter handeln in erster Linie aus gesellschaftspolitischen Überlegungen. Ökonomische Argumente sucht man beim Nein-Komitee hingegen vergebens. Und das, obwohl das Covid-Gesetz ja bekanntlich auch Wirtschaftshilfen regelt, auf die viele Unternehmen angewiesen sind. Für den Stadtluzerner ist das kein Widerspruch.

«Bei dieser Abstimmung geht es um die gesetzliche Basis des Zertifikats, die Wirtschaftshilfen sind – anders als bei der ersten Abstimmung im Juni – praktisch irrelevant.» Erstens würden die meisten davon sowieso im März 2022 auslaufen. Und zweitens, so ist er überzeugt, liessen sie sich bei der nächsten Revision des Covid-Gesetzes oppositionslos integrieren. Als Beispiel erwähnt er die Verlängerung der vereinfachten Kurzarbeitszeitentschädigung.

Engagement dürfte ein Nachspiel haben

In der Luzerner Wirtschaft steht das Komitee mit dieser Haltung relativ einsam da. Im Luzerner Pro-Komitee sitzen die Vertreter aller grosser Wirtschaftsverbände. Und auch die bürgerlichen Parteien haben, mit Ausnahme der SVP, die Ja-Parole beschlossen. Für sie ermöglicht das Covid-Zertifikat die schrittweise Rückkehr in die Normalität und verhindert weitere Lockdowns.

Der mächtige KMU- und Gewerbeverband (KGL) weibelt sogar mit eigener Kampagne für ein Ja nächsten Sonntag. Der Entscheid innerhalb des KGL fiel mit 42:25 Stimmen relativ deutlich aus – und auch Benjamin Koch war damals mit dabei. Dass die Gegner in der Gewerbekammer unterlegen sind, führte just zum Beschluss, ein eigenes Nein-Komitee auf die Beine zu stellen.

«Wir wollen zeigen, dass es auch andersdenkende Gewerbler gibt», begründet Benjamin Koch. «Schliesslich gilt in unserem Verband zu Recht Meinungsfreiheit.» Er habe bislang nur positive Rückmeldungen erfahren.

Überrascht über das Komitee aus den eigenen Reihen: Gaudenz Zemp, Direktor des KMU- und Gewerbeverbandes. (Bild: bic)

«Ausnahmslos negative Rückmeldungen» auf das Engagement hatte hingegen KGL-Direktor Gaudenz Zemp. Das Nein-Komitee aus den eigenen Reihen habe den Verband überrascht. Nach der Parolenfassung sei der KGL überzeugt gewesen, dass die an der Versammlung Unterlegenen diesen Entscheid akzeptierten.

«Es ist Aufgabe der Präsidenten, die Konsequenzen für die Mitgliedsfirmen aufzuzeigen und nicht das Amt für das Verbreiten ihrer persönlichen Ansichten zu nutzen.»

Gaudenz Zemp, KMU- und Gewerbeverband Luzern

Für Zemp ist klar: Die Komitee-Mitglieder seien nur dank ihrer Rolle als Präsident eines Gewerbevereins für die Medien interessant. Deshalb wäre es laut ihm zwingend angezeigt gewesen, vorgängig eine offizielle Parole ihres Vereins zu fassen. Dass dies offensichtlich nicht erfolgt sei, habe sehr viele Mitglieder vor den Kopf gestossen. «Es ist Aufgabe der Präsidenten, die Konsequenzen für die Mitgliedsfirmen aufzuzeigen und nicht das Amt für das Verbreiten ihrer persönlichen Ansichten zu nutzen», sagt Zemp.

Natürlich sei die Basis in diesem Abstimmungskampf nicht geschlossen, und jedes Mitglied könne seine eigene Meinung kommunizieren, räumt der KGL-Direktor ein. Der Präsident jedoch müsse die Mehrheit vertreten. Und deshalb müsse zuerst intern abgestimmt werden oder wenigstens ein Vorstandsentscheid vorliegen. Viele der negativen Rückmeldungen hielten deshalb diese mit ihren Vereinen unabgesprochene Aktion klar für einen Verstoss gegen die Statuten, sagt Zemp und kündigt an: «Das müssen nun zuerst die Vereine und dann sicherlich auch wir beim KGL aufarbeiten.»

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12 Kommentare
  • Profilfoto von Michel von der Schwand
    Michel von der Schwand, 22.11.2021, 11:45 Uhr

    Selbstverständlich handelt es sich beim Zertifikat um groben Unfug der Politik. Bedenkt man, dass Koch Mitglied der FDP ist, wundert man sich dann doch etwas verwundert die Augen. Der Wirtschaftsverband der Stadt Luzern ist vielmehr ein Gewerbeverein, der sich einen Namen verpasst hat, welcher suggerieren soll, dass hier die ganzen wichtigen Player dabei sind. Es ist die Pandemie der Dummen und sicher nicht der Ungeimpften. Natürlich können sich auch Geimpfte weiterhin infiszieren. Doch vermindert sich weitere Ansteckungen durch das Impfen. Egal! Es geht jetzt darum, dass man diese Pandemie endlich «besiegen» kann. Jammeris und Verhinderer tragen nicht zur Lösung bei. Testen, testen, testen und zwar alle. Dazu kommt aber auch, dass man das eigene Denken reaktivieren sollte. Halt schon nicht wirklich intelligent, wenn man in dichtgedrängten Massenansammlungen besäuft. Vermehrtes Verzichten könnte durchaus auch helfen.

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  • Profilfoto von Alain
    Alain, 22.11.2021, 07:56 Uhr

    Wenn es um wirtschaftliche Fragen gehe ich auch nicht zum Arzt, weshalb sollte mir also die Meinung von irgendeinem sogenannten Gewerbler in volksgesundheitlichen Themen von Interesse sein?

    Man muss die Qualifikationen von solchen Personen nachfragen.

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    faktencheck, 21.11.2021, 17:14 Uhr

    Leider stets ein Problem, wenn PräsidentInnen von Verbänden und Organisationen die persönliche Meinung über diejenige der Mehrheit ihrer Mitglieder stellen.
    Man kann nicht den 5er und das Weggli haben – als InteressenvertreterIn geht es nicht an, das Amt für individuelle Ansichten zu benutzen. Dessen muss man sich bewusst sein, wenn man sich für eine solche Stelle bewirbt.

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    Libero, 21.11.2021, 15:29 Uhr

    Unglaublich,
    was für Leute die Luzerner Wirtschaft
    an die Spitze setzt?

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    Kasimir Pfyffer, 21.11.2021, 14:48 Uhr

    Es ist wie im Kindergarten: Wer täubelet und sich auf den Boden schmeisst, muss betreut werden und verwechselt das mit «Wow, ich bin wichtig».

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    Melchior Hoffmann, 21.11.2021, 10:31 Uhr

    Das Zertifikat verursacht keine «Spaltung der Gesellschaft». Sofern die denn überhaupt stattfindet, ist die Ursache in fehlender Solidarität zu suchen. Nicht nur in Bezug auf Corona, auch in anderen Bereichen. So haben z. B. Menschen mit wenig Geld auch nur einen beschränkten bis keinen Zugang zu gesellschaftlichen Aktivitäten wie Restaurants oder Kinobesuchen, und zwar seit jeher. Von seinen regelmässig niveaulosen Facebook-Äusserungen der letzten Jahre weiss ich aber, dass Herr Koch sich um diese Art der Einschränkungen einen Dreck kümmert, für andere Meinungen zudem meist nur Hohn und Verachtung übrig hat. Und jetzt soll er gesellschaftspolitische Gründe haben, dieser gleiche Mann? Maximal unglaubwürdig.

    Zudem, es wäre gut gewesen er hätte ausführen müssen, was denn seine schlechten Erfahrungen mit dem Impfen waren. War es irgendeine Nichtigkeit die für jeden gilt oder gelten kann, wie z.B. sich ein, zwei Tage schlechter zu fühlen oder einen schmerzenden Arm akzeptieren zu müssen? Oder hätte man es vielleicht, wenn auch unwahrscheinlich, doch ernst nehmen können?

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    • Profilfoto von Grosche
      Grosche, 21.11.2021, 13:09 Uhr

      Im Vergleich zu Ihnen steht er mit seinem Namen hin und nicht mit einem Pseudonym. Daher wäre es auch interessant zu erfahren, von welchen niveaulosen Äusserungen Sie sprechen. Diffarmierung funktioniert in diesen Tagen sehr gut.

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      • Profilfoto von Marc Fischer
        Marc Fischer, 22.11.2021, 11:40 Uhr

        z.B. hier:

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  • Profilfoto von Wupi
    Wupi, 21.11.2021, 09:32 Uhr

    Sehr kurzfristige Denkweise. Ein erneuter Lockdown vernichtet voraussichlich viele Existenzen. Wird er diese Menschen unterstützen?

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    • Profilfoto von Larissa Bopp-Künzli
      Larissa Bopp-Künzli, 21.11.2021, 10:11 Uhr

      Als ob ein Lockdown die Alternative wäre. Solange Geimpfte nicht getestet werden und für den öV kein Zertifikat verlangt wird, ergibt ein Zertifikat für Ungeimpfte keinen Sinn. Die Superspreader sind nicht die negativ getesteten Restaurantbesucher, sondern die doppelt Geimpften, die unbekümmert in der Welt herumreisen und sich in Beizen ohne Abstandhalten tummeln, weil man ihnen gesagt hat, sie seien auf der sicheren Seite.

      Schutz vor Ansteckungen: Abstand halten, häufiges Händewaschen, Masken tragen in Innenräumen, freiwillige Impfung für Personen mit Vorerkrankungen und geschwächtem Immunsystem.

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      • Profilfoto von Andy Bürkler
        Andy Bürkler, 21.11.2021, 12:15 Uhr

        @Larissa Bopp-Künzli:
        Danke! Ganz genau so ist es.
        Ausserdem bewirkt die Impfpropaganda eine massive und möglicherweise längerfristig anhaltende Spaltung der Gesellschaft ohne im Endeffekt den versprochenen Nutzen zu bringen.

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      • Profilfoto von Guy
        Guy, 22.11.2021, 12:53 Uhr

        Quatsch. Weder der Schnelltest noch die Impfung sind Perfekt. Ein negativ-getestete-ungeimpfte-Person wird eher der Superspreader sein, das ist einfache Statistik.

        Und falls doch ein Superspreader anwesend ist, sind es meistens die Ungeimpften die sich anstecken. Ist auch einfache Statistik. Und die sind es auch, die nach der Infektion eher ins Spital müssen. Wieder: Statistik wie in der Primarschule.

        Die Fakten: Impfung ist etwa 80-90% wirksam, Schnelltest hat Sensitivität von 65%, nur eines davon schützt vor der Erkrankung.

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