Nach 162 Jahren nur noch digital

Adieu «Amtsblatt»: Zuger Regierung will alte Tradition abschaffen

Das «Amtsblatt» ist in Zug eine Institution. (Bild: ber)

Im «Zuger Amtsblatt» erfährt die Leserin seit 1858 (fast) alles, was im Kanton Zug wichtig ist: Was gebaut wird, wo was läuft, welche Stellen und Wohnungen frei sind – und manchmal sogar, wer sich gerade hat scheiden lassen. Diese Ära soll nun enden, wenn es nach der Zuger Regierung geht.

Für Zuger Journalistinnen ist der Freitag fast ein Feiertag. Dann nämlich erscheint das «Amtsblatt». Eine Fülle amtlicher Mitteilungen und (teils kurioser) Kleininserate, hinter denen sich spannende Geschichten für unsere Leser verstecken – kompakt verpackt zwischen zwei blauen Deckblättern.

Doch mit dem Freitagsmorgenritual (Kaffeemaschine an, Füsse hoch, «Amtsblatt» in die Hand) könnte es bald ein Ende haben. Nach 162 Jahren will die Zuger Regierung die Publikation nun abschaffen beziehungsweise ins Internet verlagern. Nur noch «bei Bedarf» soll das «Amtsblatt» in gedruckter Form herausgegeben werden.

Statt gemütlich durch die Seiten zu blättern, sollen die Zugerinnen sich künftig durch ein Onlineportal ackern. «Das Internet als Informationsmedium gewinnt weiter an Bedeutung», begründet die Regierung ihren entsprechenden Antrag an den Kantonsrat. Die Einführung des «Amtsblatts» in elektronischer Form trage dieser Entwicklung Rechnung.

Kuriose Kleininserate und so manch hilfreiches Angebot

Damit würde auch das Ende der kuriosen Kleininserate eingeläutet, die teilweise grossen Unterhaltungswert haben. Von Kontrollschildern über Chlausgewänder bis hin zu Rückführungen in frühere Leben wird für alle etwas geboten. Das zu machen ist aber keine Staatsaufgabe, findet die Regierung.

«Der Staat hat […] einzig amtliche Texte zu veröffentlichen», heisst es im Bericht der Regierung. Wenn der Kanton aber auf die Kleininserate verzichtet, verliert er bares Geld. Im Moment hat der Kanton die Herausgabe des «Amtsblatts» nämlich an die Speck Medien AG vergeben.

Es regt sich Widerstand

Mit der Konzession resultiert für den Kanton Zug aktuell ein Gewinn. Wie hoch dieser ist, wird im Bericht nicht beziffert. Klar ist: Verzichtet der Kanton auf den nichtamtlichen Teil, fällt auch dieser weg. Sprich: Statt Geld einzunehmen, muss der Kanton welches ausgeben, um eine elektronische Plattform zu entwickeln und zu bewirtschaften.

In der Vernehmlassung zu dem Vorhaben waren bereits einige kritische Stimmen laut geworden. Die CVP hielt fest, der angekündigte Paradigmenwechsel werde «nicht gutgeheissen». Das «Amtsblatt» müsse nach wie vor in gedruckter Form erscheinen. Auch die SVP beantragte in der Vernehmlassung, dass das «Zuger Amtsblatt» auch in Zukunft zwingend in gedruckter Form herausgegeben wird.

Einmal im Netz, immer im Netz

Der kantonale Datenschutz meldete Bedenken anderer Art an. Bisher sind Bekanntmachungen mit heiklen Personendaten nämlich nur in die Druckversion des «Amtsblatts» aufgenommen worden – nicht aber online erschienen. Neu könnten beispielsweise auch Scheidungsurteile, Vorladungen der Gerichte oder Strafurteile im Netz landen. «Die neue Regelung bedeutet für die betroffenen Personen im Vergleich zur aktuellen Handhabung eine Verschlechterung», hält die Datenschutzstelle deshalb fest.

Wie heisst es so schön: Das Netz vergisst nie. Der kantonale Datenschutz fordert deshalb, dass besonders schützenswerte Personendaten im Internet nicht länger zugänglich sein dürfen, als es gesetzlich zwingend notwendig ist. Zudem müsse eine Indexierung und Archivierung bei Suchmaschinen und Archivdiensten verhindert werden.

Immerhin eine Gruppe findet die Digitalisierung positiv: der Zuger Advokatenverein. Er regt an, bei dieser Gelegenheit gleich Abonnemente für die elektronische Lieferung von neuen Mitteilungen im «Amtsblatt» einzurichten.

Herausgeberin hüllt sich in Schweigen

Künftig würden – basierend auf einem individuellen Suchprofil – nur diejenigen Meldungen verschickt, die für die Kunden relevant sind. Also: Keine Baugesuche für die Wirtschaftsanwälte, sondern beispielsweise nur Konkursanzeigen. Praktisch wäre das sicher. Für Stöberer dürfte diese Lösung aber keine befriedigende sein.

Und was würde die Abschaffung des gedruckten «Amtsblatts» für die heutige Herausgeberin, die Speck Media AG, bedeuten? Bislang hat sich die Firmenleitung nach entsprechender Anfrage von zentralplus nicht geäussert. Möglicherweise will sie die Debatte in den Kommissionen abwarten. Diese startet am 26. November. Der Kantonsrat wird dann im Frühling über den Antrag der Regierung entscheiden.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Schmid René
    Schmid René, 20.11.2020, 18:28 Uhr

    Man verdient noch Geld damit und die neuerung kostet nur. Aber Digital first. Warum nicht für die anwälte etc. Die digitale, kostenpflichtige Lösung und den Rest so lassen? Auch die Datenschützer bedenken sind ernst zu nehmen, sind ja sehr persönliche Daten. Bitte überdenken!

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  • Profilfoto von Richard $choll
    Richard $choll, 19.11.2020, 18:32 Uhr

    Verständlich, denn die Digitalisierung wird gefördert, gepriesen und den Nochnichtdigitalisierten ( bsp. Generation 65 plus) als Segen angedroht.
    Auch die SBB wird den seit über 120 Jahren gedruckten Fahrplan abschaffen. Erinnert mich an die Abschaffung der Landsgemeinden.

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  • Profilfoto von blaze35
    blaze35, 19.11.2020, 12:26 Uhr

    Wenn Politiker entscheiden werden lieber Steuergelder ausgegeben als Einnahmen und Arbeitsplätze erhalten. *unverständlich*

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