Luzerns grösster Knorz

Bahnhofstrasse: Die Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen

Wann erhält die Bahnhofstrasse endlich ihr neues Gesicht? (Bild: zvg/Stefano Schröter)

Das Kantonsgericht heisst zwei Beschwerden gegen die Vergabe der Bauarbeiten an der Luzerner Bahnhofstrasse gut. Die Episode passt zum unglücklichen Verlauf dieses Projekts.

Die Bahnhofstrasse soll zu einer Strasse werden, die ihrer Lage im Herzen der Stadt Luzern gerecht wird. Eine Strasse mit hoher Aufenthaltsqualität, an der Einheimische wie Touristen gerne entlang flanieren (zentralplus berichtete).

So sah es eine Initiative der SP aus dem Jahr 2011 vor, welche 2013 von der Bevölkerung mit 56 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde. Doch das Projekt kam in der Folge nur schleppend voran und verzögerte sich wiederholt. Zehn Jahre danach, im Oktober 2023, hätten nun endlich die Bauarbeiten beginnen sollen. Doch bereits im Juni musste der Baustart erneut wegen Einsprachen verschoben werden. Jetzt kommt weiteres Ungemach auf die Stadt Luzern zu.

Stadt Luzern muss über die Bücher

Grund dafür ist ein Entscheid des Kantonsgerichts. Dieses hat zwei Beschwerden von Bauunternehmen gutgeheissen, die sich gegen die Vergabe der Bauarbeiten des Luzerner Stadtrats gewehrt haben (zentralplus berichtete). Der Stadtrat hat am 1. Mai dieses Jahres der Marti Bauunternehmung AG den Zuschlag für die Arbeiten an der Bahnhofstrasse erteilt. Der Auftrag ist mit rund neun Millionen Franken Baukosten veranschlagt.

Eine zweite Baumreihe und ein neuer Mergelbelag machen aus der Bahnhofstrasse eine Flaniermeile. Rechts im Bild ist die Rampe zur Velostation zu sehen, die mittlerweile obsolet ist. (Bild: Studio 12 Luzern)

Dagegen haben sich mehrere Bauunternehmen gewehrt, die in zwei unterschiedlichen Arbeitsgemeinschaften Reuss und Conventus zusammengearbeitet haben. Nun gibt ihnen das Kantonsgericht recht. Der Stadtrat habe die beiden Unternehmen zu Unrecht von der Ausschreibung ausgeschlossen. Der Stadtrat begründete seinen Entscheid damit, dass die Unternehmen nicht das nötige «Schlüsselpersonal» hätten sicherstellen können. Darunter versteht die Stadt Personal mit guter Ausbildung, das eine hohe Qualität bei der Umsetzung des Projekts verspricht.

Die Baufirmen entgegneten, dass das Personal sehr wohl vorhanden sei. Nur sei das auf der Bewerbung nicht ersichtlich gewesen. Der Grund für das Missverständnis liegt darin, dass der Baustart während der Publikationsfrist verschoben wurde. Die beiden betroffenen Arbeitsgemeinschaften haben vergessen, die richtigen Daten im Bauprogramm nachzutragen. Das sei aber kein berechtigter Grund, die Firmen direkt vom Entscheidungsverfahren auszuschliessen, befindet das Kantonsgericht. Es hebt den Ausschluss der beiden Firmen darum auf.

Baustart im Mai 2024 bleibt für die Stadt realistisch

Was bedeutet das für die Stadt Luzern? Roger Schürmann, der stellvertretende Leiter des Luzerner Tiefbauamts, sagt im Gespräch mit zentralplus diplomatisch: «Wir nehmen diesen Entscheid zur Kenntnis.» Es sei letztlich eine Abwägungsfrage, wie schwer die Fehler im eingereichten Bauprogramm gewichtet werden. «Wir haben das als direktes Ausschlusskriterium aufgefasst, das Kantonsgericht sieht das offenbar anders.»

«Es ist nach wie vor ein gutes Projekt, mit dem wir schon lange beginnen möchten. Ich bleibe zuversichtlich, dass wir im kommenden Mai mit den Bauarbeiten starten können.»

Roger Schürmann, Stv. Leiter Tiefbauamt Stadt Luzern

Die Stadt prüft nun das weitere Vorgehen. Sie hat 30 Tage Zeit, um den Entscheid des Kantonsgerichts anzufechten und ans Bundesgericht weiterzuziehen. Falls sie das nicht macht, bleiben zwei weitere Möglichkeiten. Entweder sie nimmt die Arbeitsgemeinschaften Reuss und Conventus ins Verfahren auf. Oder sie schreibt den gesamten Auftrag neu aus.

«Beide Varianten führen voraussichtlich zu keinen Verzögerungen des Baustarts im Mai 2024», sagt Roger Schürmann. Zieht die Stadt das Urteil jedoch vors Bundesgericht, seien erneute Verzögerungen wahrscheinlich. Darum, so die Tendenz gemäss Schürmann, wird sich die Stadt wahrscheinlich dafür entscheiden, die beiden beschwerdeführenden Bauunternehmen ins offizielle Verfahren aufzunehmen.

Die Bahnhofstrasse: Kein ruhmreiches Projekt

Es ist nicht das erste Mal, dass es im Projekt zu Verzögerungen kommt. Immer wieder verhinderten Einsprachen gegen Baubewilligungen und Auflagen oder Fehler in der Planung den Baustart. Der erste Teil der autofreien Bahnhofstrasse hätte bereits im Juni 2019 umgesetzt sein sollen, ehe Beschwerden – unter anderem von der Luzerner Kantonalbank – die Einführung um ein Jahr verzögerten (zentralplus berichtete).

Es folgte die Abstimmung zur Velostation an der Bahnhofstrasse, welche die Luzernerinnen mit 52 Prozent überraschend ablehnten. Da das Projekt auf die neue Velostation zugeschnitten war, musste es überarbeitet werden. Im Mai 2023 hätten die Bauarbeiten dann starten sollen, doch erneute Beschwerden verzögerten den Baustart.

Als neues Startdatum definierte die Stadt Luzern den Oktober 2023 (zentralplus berichtete) – nur um diesen Termin einige Monate später auf den Mai 2024 zu verschieben. Die Beschwerden gegen die Baubewilligung sowie die Verkehrsanordnungen, seien nach wie vor hängig, so die Begründung der Stadt.

Auf der neuen Bahnhofstrasse ist eine separate Velospur vorgesehen, welche auch von Zubringern und Taxis sowie Blaulichtfahrzeugen befahren werden darf. (Bild: Studio 12 Luzern)

Nach dem Entscheid des Kantonsgerichts hängt nun auch dieser Termin in der Schwebe – zehn Jahre nach der Abstimmung über die neue Bahnhofstrasse. Zumindest Roger Schürmann hat die Geduld noch nicht verloren: «Es ist nach wie vor ein gutes Projekt, mit dem wir schon lange beginnen möchten. Ich bleibe zuversichtlich, dass wir im kommenden Mai mit den Bauarbeiten starten können.»

Sollten die Bauarbeiten tatsächlich eines Tages beginnen können, dauern sie gemäss Schätzung der Stadt Luzern rund eineinhalb Jahre. Wobei das mit dem Zeitplan für die Bahnhofstrasse eben so eine Sache ist.

Verwendete Quellen
  • Medienmitteilung des Luzerner Kantonsgerichts
  • Telefongespräch mit Roger Schürmann
  • Informationen zum Projekt an der Bahnhofstrasse
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


8 Kommentare
  • Profilfoto von Roman Fabits
    Roman Fabits, 02.09.2023, 10:35 Uhr

    Die Stadt Luzern bringt solche Projekte, wenn überhaupt, nicht auf die Reihe. Der Grendel wurde schwarz versiegelt, die Hertensteinstrasse vom Löwencenter bis zum Grendel ist auch schwarz versiegelt und unansehlich. Und wie wird die Bahnhofstrasse? Deutsche Städte wie Lörrach etc machens vor. Kein Asphalt, dafür wunderbare Steinplatten welche die Hitze nicht so stark speichern. Weiters: Wo bleibt die Esthetik ? Man möchte ja auch ein stationäres Einkaufserlebnis und Flanieren schön und angenehm gestalten und Gäste in unserer wunderschönen Stadt begrüssen. Und da noch vorweg: Warum spricht man bei uns so oft von Touristen anstatt von Gästen? Da kann man weiter pholosophieren, es hängt alles zusammen und vermittelt ein entsprechendes Gesamtbild.

    👍3Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Josef Gmür
    Josef Gmür, 01.09.2023, 18:48 Uhr

    Erinnert irgendwie an das Luzerner Theater bezüglich Verfahren und nicht zugelassenen Unternehmen/Entwüfen…

    👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von bea schnyder
    bea schnyder, 01.09.2023, 18:44 Uhr

    Das projekt ist sinnbildlich für Stadtluzerner Bauprojekte: Viele (externe) (Vor)studien. Zig absorbierte Beamte. Eine verlorene Abstimmung. Verzögerungen um Jahre. Und am schluss kommt ein mutloser Entwurf, welcher das Stadtluzerner Stimmvolk Millionen gekostet hat…..

    👍6Gefällt mir👏0Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Paul
    Paul, 01.09.2023, 16:35 Uhr

    Oje. Das ist ja schade. Komisch bringt die Stadt solche Vergaben nicht durch….. und gleich zwei Unternehmungen…. Bedenklich. In den Vorgaben sollten die Bedingungen schon klar geschrieben sein was eingereicht werden muss und wann man ausgeschlossen werden kann.

    👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔1Nachdenklich👎0Daumen runter
  • Profilfoto von Hanswurst
    Hanswurst, 01.09.2023, 13:46 Uhr

    Da harzt es ja gewaltig bei der städtischen Behörde, von einem Fiasko zum nächsten. Und die zuständigen, personell langsam überquellenden Behörden können sich schön verstecken, da die derzeitige politische Führung der Stadt es immer noch nicht fertig gebracht hat oder nicht gewillt ist, endlich das Öffentlichkeitsprinzip einzuführen. Traurig und bedenklich, so dass Zweifel an der Kompetenz zumindest partiell ernsthaft angezeigt sind. Ob dies mit mehr Personal besser wird, ist mehr als fraglich – der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her.

    👍4Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎0Daumen runter
    • Profilfoto von Baldo
      Baldo, 01.09.2023, 16:44 Uhr

      Da können Sie noch lange warten. Da die Wähler der Stadt hauptsächlich SP, GLP. Grüne, FDP wählen, werden diese Ämter auch an solchen Vergeben.

      👍5Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎3Daumen runter
      • Profilfoto von Markus B.
        Markus B., 01.09.2023, 20:42 Uhr

        Inkompetenz hat nichts mit der Parteizugehörigkeit zu tun.

        👍5Gefällt mir👏1Applaus🤔0Nachdenklich👎1Daumen runter
        • Profilfoto von Dicky Dick Lozaern
          Dicky Dick Lozaern, 02.09.2023, 09:32 Uhr

          Doch!

          👍2Gefällt mir👏0Applaus🤔2Nachdenklich👎2Daumen runter
Apple Store IconGoogle Play Store Icon