Schwieriger Umgang mit Gegenvorschlag

Anti-Stau-Initiative: Luzerner Regierung übt sich im Eiertanz

Stau im Luzerner Feierabendverkehr – kein seltenes Bild. (Bild: ewi)

Die Zukunft des Luzerner Verkehrs wird Ende November entschieden, wenn im Kanton über zwei Verkehrsinitiativen abgestimmt wird. Nun bezieht die Regierung Position.

Nach dem Wahl- ist vor dem Abstimmungssonntag. Das gilt zumindest für den Kanton Luzern. Denn kaum sind die Freude und Enttäuschung über das Ergebnis der nationalen Parlamentswahlen abgeklungen, lädt die Luzerner Regierung zu einer nächsten Pressekonferenz. Das Thema am Freitagmorgen: Die beiden Verkehrsinitiativen, über welche die Luzerner Bevölkerung am 26. November befinden wird.

Die Ausgangslage ist delikat. Denn mit der Attraktive-Zentren-Initiative der Grünen sowie der Anti-Stau-Initiative der Jungen SVP kommen zwei Vorlagen zur Abstimmung, die sich diametral widersprechen. Kurz zusammengefasst: Erstgenannte Initiative fordert siedlungsverträgliche Ortsdurchfahrten, also mehr Platz für Velos und Passanten und weniger Platz für Autos.

Wegweisende Abstimmung steht bevor

Die Anti-Stau-Initiative wiederum fordert so ziemlich das Gegenteil, nämlich, dass die Leistungsfähigkeit der Kantonsstrassen am Autoverkehr ausgerichtet wird. Sprich: Wo sich regelmässig Stau bildet, braucht es zusätzliche Strassen.

Die Anti-Stau-Initiative im Wortlaut. (Bild: Kanton Luzern)

Für den Kanton Luzern ist der bevorstehende Abstimmungssonntag deshalb wegweisend. Das Abstimmungsresultat wird die Stossrichtung für die Verkehrsplanung der Zukunft festlegen. Darum ist der Regierungsrat bemüht, eine Position zu finden, die seinen derzeitigen Planungsgrundsätzen entspricht. Nur gelingt ihm das eher schlecht als recht.

Regierungsrat lehnt Anti-Stau-Initiative entschieden ab

Das wird bei der Haltung des Regierungsrats zur Anti-Stau-Initiative offenkundig. Baudirektor Fabian Peter (FDP) bringt das Anliegen der Initiative treffend auf den Punkt: «Wer steht schon gerne im Stau?», fragt er an der Pressekonferenz rhetorisch in die Runde. Darum anerkennt er: «Der Titel dieser Initiative ist sehr gut gewählt.» Doch er fügt an, dass dies die grosse Herausforderung im Umgang mit der Initiative sei.

«Die Initiative steht unserer heutigen Mobilitätsstrategie diametral entgegen», hält Peter fest. Denn die Initiative fokussiert einzig auf den Autoverkehr. Die kürzlich verabschiedete Strategie Zukunft Mobilität Luzern (Zumolu) hingegen betrachtet die Gesamtmobilität im Kanton. Also Autos, Töffs, Busse, Lastwagen, Velos, Züge und Fussgängerinnen. Kurz: Alle Verkehrsteilnehmer.

Für Baudirektor Fabian Peter stehen am 26. November zwei wegweisende Abstimmungen an. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Zweitens orientiert sich der Kanton an der 4V-Strategie. Damit will er Verkehr vermeiden, verlagern, vernetzen und verträglich gestalten. Mit einem alleinigen Fokus auf die Strassenkapazitäten für Autos ist das nicht möglich. Zudem sei der Bau zahlreicher neuer Strassen weder aus finanzieller noch aus personeller Sicht überhaupt stemmbar, sagt Peter. Darum lehnt der Regierungsrat die Initiative entschieden ab und spricht sich stattdessen für einen Gegenvorschlag aus.

Der heikle Gegenvorschlag zur Anti-Stau-Initiative

Doch hier wird es für die Regierung heikel. Denn der Gegenvorschlag entstammt zu grossen Teilen der Feder der SVP. Diese hat den ursprünglichen Gegenvorschlag der Regierung überarbeitet. Dieser neue Gegenvorschlag ist deutlich näher am ursprünglichen Initiativtext der Jungen SVP (zentralplus berichtete).

Der Gegenvorschlag zur Initiative der Regierung (links) und der bürgerliche Gegenvorschlag. (Bild: Kanton Luzern)

Und, wie es sich an der Pressekonferenz herausstellt, ist die Regierung nur wenig überzeugt von diesem Gegenvorschlag. Auf die Frage, warum sich die Regierung für diese überarbeitete Variante ausspricht, antwortet Fabian Peter: «Der Kantonsrat hat diesen Gegenvorschlag beschlossen und empfiehlt ihn zur Annahme.» Dem Regierungsrat bleibe daher nichts anderes übrig, als sich diesem Beschluss anzuschliessen.

«Nein, das Ziel, Verkehr zu vermeiden, ist im Gegenvorschlag nicht enthalten.»

Fabian Peter, Baudirektor Kanton Luzern (FDP)

Ein klares Bekenntnis ist das nicht. Auch auf die Frage hin, ob der Gegenvorschlag überhaupt mit der 4V-Strategie vereinbar ist, muss Peter festhalten: «Nein, das Ziel, Verkehr zu vermeiden, ist im Gegenvorschlag nicht enthalten.» Er verweist aber auf andere Artikel im kantonalen Strassengesetz, in denen dieser Grundsatz zur Verkehrsvermeidung festgehalten ist.

Wie der Gegenvorschlag konkret in der Praxis umgesetzt würde, bleibt ebenfalls unklar. Ob dadurch zum Beispiel vermehrt Umfahrungsstrassen gebaut werden müssen, können weder Fabian Peter noch André Rösch, Abteilungsleiter Mobilität beim Kanton, klar beantworten.

Ob die geplante Umgestaltung der Seetalstrasse in Emmen mit dem Gegenvorschlag zur Anti-Stau-Initiative vereinbar wäre, ist fraglich. (Bild: Gemeinde Emmen)

Peter hält fest, dass der Gegenvorschlag für die Regierung einen gewissen Handlungsspielraum offenlasse. So beinhalte der Begriff Privat- und Wirtschaftsverkehr nicht nur Autos, sondern alle Verkehrsteilnehmer. So können im Einklang mit der Initiative auch die Kapazitäten im Busverkehr ausgebaut werden, ohne die Leistungsfähigkeit einer Strasse zu schmälern. Trotz dieser Ausführungen scheint es so, als wäre der Gegenvorschlag aus Sicht der Regierung schlicht das kleinere Übel als die Initiative selbst.

Regierungsrat lehnt Attraktive-Zentren-Initiative ab

Eindeutig ist die Haltung des Regierungsrats hingegen bei der Attraktive-Zentren-Initiative. Diese lehnt er ebenfalls ab – wenn auch aus anderen Gründen. Anders als die Anti-Stau-Initiative sei diese im Einklang mit der kantonalen Mobilitätsstrategie.

«Strassen haben einen Zweck, nämlich uns von A nach B zu bringen.»

Fabian Peter, Baudirektor Kanton Luzern

Mehr noch: «Wir sind der Meinung, dass unsere heutigen Planungsinstrumente ausreichend sind, um siedlungsverträgliche Ortsdurchfahrten zu gestalten», sagt Fabian Peter. Beispiele wie die Testplanung zur Umgestaltung der Seetalstrasse in Emmen, wo Velos, ÖV und Fussgänger deutlich mehr Platz erhalten sollen, würden das unterstreichen. Die Initiative ist aus Sicht der Regierung darum überflüssig – und problematisch, weil sie die Autonomie der Gemeinden angreift. Die Forderung der Initiative bezieht sich nämlich nicht nur auf Kantons-, sondern auch auf Gemeindestrassen.

Zudem hält Peter fest: «Strassen haben einen Zweck, nämlich uns von A nach B zu bringen.» Diese Hauptaufgabe müssten Strassen auch in Zukunft erfüllen. Darum sei der starke Fokus auf die Siedlungsverträglichkeit einer Strasse nicht zielführend.

Dem Kanton droht eine Planungsblockade

Bei dieser Initiative kommt kein Gegenvorschlag zur Abstimmung. Der Kantonsrat hat den Vorschlag des Regierungsrats abgelehnt. Der Mehrheit der Bürgerlichen ging auch der Gegenvorschlag zu weit, den linken Parteien war der Gegenvorschlag hingegen zu schwammig.

Somit stimmen die Luzerner am 26. November über Anti-Stau und «Attraktive Zentren» ab. Beides klingt verlockend. Das könnte den Kanton noch vor grosse Probleme stellen. Denn sollten beide Initiativen angenommen werden, droht eine Planungsblockade (zentralplus berichtete). «Gerade in den Ortszentren widersprechen sich die beiden Initiativen stark», sagt Peter.

Wie dieser Widerspruch aufzuheben ist? Eine wohl unlösbare Aufgabe.

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3 Kommentare
  • Profilfoto von Baldo
    Baldo, 28.10.2023, 10:23 Uhr

    Ich denke es wird wieder nichts gescheites geben. Es ist eigentlich Wurst wer gewinnt, wie immer wird die Siegerlösung von den Verlierer, torpetiert und nichtig gemacht werden. Diese Stadt braucht nicht Velowege und nicht Grüne träumereien, sondern fließender Verkehr.

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  • Profilfoto von Manuel
    Manuel, 27.10.2023, 19:38 Uhr

    Mal wieder von vorgestern, die SVP.

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  • Profilfoto von Hegard
    Hegard, 27.10.2023, 13:04 Uhr

    EMobile brauchen auch Strassen und Parkplätze, Ladestationen!
    Ich denke,Kamera Lotsen wären am evektivsten!Kameras so positionieren,das Stau übersichtlich an Monitoren erkannt wird und dementsprechend manuell durch Lotsen gesteuert wird!Die Automatischen Ampeln nur im Notfall oder losen Verkehr einschalten!
    In Buchrain wurde Praktisch mit einer Weiblichen Lotse bewiesen,das sie intelegenter reagieren kann,als so ein Ampelsysthem!Aber ich möchte diese Arbeit nicht machen!Respekt!
    Ich sehe heufig mit diesen Intelligenten Ampeln in der Stadt leere Strassen aber ausserhalb Staut sich!
    Proplem Verschiebung!
    Oder Strasse leer , Fussgänger müssen bei rot warten! Fussgänger Grün,die PWs kommen angefahren und müssen anhalten! Also ein Programmierter Stau zum vergraulen?
    Ich glaube Kamera Lotsen würden das evenzienter,Intelligenter Steuern!Dadurch wenig PW,ÖV,Velo Fussgänger Stau

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