Urban Frye an Streit auf der Rigi beteiligt

Krach ums Klanghotel trübt Zukunft der «Bergsonne»

Der Luzerner Kantonsrat Urban Frye liegt im Streit mit den Eigentümern des Hotels Bergsonne auf Rigi Kaltbad. (Bild: Kilian Küttel/zvg)

Lange hatte die Öffentlichkeit den Eindruck, das Klanghotel Bergsonne auf der Rigi kenne nur Gewinner. Doch bis heute ist das Verhältnis zwischen Ex-Pächter Urban Frye und den Eigentümern zerrüttet. Ausbaden kann den Streit ein Mann, der damit nie etwas zu tun hatte. Eine Geschichte von Verlierern, Vorwürfen und davon, wie Medien arbeiten.

Kurz vor Rigi Kaltbad bricht die Bahn durch den Nebel. Und die Leute im Zug zücken so synchron die Handys, dass man auf den Gedanken kommt, sie hätten die Sonne seit Wochen nicht gesehen. Es ist der 3. März 2023, ein strahlend schöner Freitag auf 1'400 Metern über dem Meer.

Anlass für die Reise auf die Rigi ist eine Geschichte, die vor rund zwei Wochen hätte erscheinen sollen. Dann hätte die Öffentlichkeit schon damals erfahren, was sie dieser Tage in der «Luzerner Zeitung» gelesen hat: Dass rund um das Hotel Bergsonne seit bald drei Jahren ein Streit tobt, von dem die Allgemeinheit bis jetzt höchstens ansatzweise gewusst hat.

Auch wenn er später erscheint, geht es in diesem Artikel vor allem darum, wer unter der Auseinandersetzung leidet. Und unerwartet handelt er ein wenig davon, wie Medien arbeiten und Kommunikation funktioniert. Denn dass sich dieser Text verzögerte, hat Gründe. Aber von Anfang.

Frye soll über 30'000 Franken schulden

Die «Luzerner Zeitung» schrieb von einem Konflikt, in dessen Zentrum sich zwei Männer gegenüberstehen: Einer der Eigentümer des Hotels Bergsonne und dessen ehemaliger Pächter, Urban Frye. Der 61-Jährige, der für die Grünen im Luzerner Kantonsrat sitzt und sich am 2. April erneut zur Wahl stellt, ist Initiator eines Projekts, das die «Bergsonne» weit über die Zentralschweiz hinaus bekannt gemacht hat (zentralplus berichtete).

Als Klanghotel bot das Haus in den Coronajahren Musikstudenten Arbeitsplatz, Übungsraum und Auftrittsort. Weit herum wurde über den gastronomisch-musikalischen Hybrid berichtet; in grossen Medien und im Fernsehen, fast durchwegs positiv.

«Natürlich leiden wir unter der Auseinandersetzung.»

André Niedermann, Pächter der «Bergsonne»

Lange wurde der Öffentlichkeit vermittelt, das Klanghotel kenne nur Gewinner. Doch dem ist nicht so. Laut der «Luzerner Zeitung» würden von Frye «über 30'000 Franken» zurückgefordert, offenbar für offene Pachtzinsen. Aus dem Lager beider Parteien gab es Anzeigen, gleichzeitig haben Beteiligte Vorwürfe wie das Entwenden von Hotel-Mobiliar oder Androhung körperlicher Gewalt von sich gewiesen.

Die Strafverfolgungsbehörden haben die Angelegenheit bis jetzt in mindestens zwei Fällen nicht genauer verfolgt. Und laut dem Bericht ist Frye für Ende März zu einer Einvernahme bei der Polizei vorgeladen, was nichts darüber aussagt, ob er sich strafrechtlich etwas zu Schulden hat kommen lassen.

Streit macht dem neuen Pächter zu schaffen

Der Luzerner Kantonsrat gesteht zwar ein, er habe die letzten drei Zinsen für das Jahr 2021 nicht bezahlt. Er argumentiert aber, dies wegen des Zustands des Gebäudes nicht getan zu haben. Dieser verunmögliche einen Hotelbetrieb. «Da gegen Frye bisher keine Urteile gefallen sind, gilt die Unschuldsvermutung», schrieb die Zeitung in ihrer Ausgabe vom 21. März und zitiert Frye, er habe die Strafverfahren noch vor der Wahl publik machen wollen. Gegen einen der Hoteleigentümer, der laut der Zeitung im Zentrum der Auseinandersetzung steht, sei kein Verfahren eröffnet worden, weshalb er ebenfalls als unschuldig gelte.

Rigi Kaltbad am 3. März, eine Insel im Nebelmeer. 18 Tage vor Erscheinen des Artikels stehen weder Urban Frye noch der Eigentümer im Mittelpunkt – sondern der Mann, der mehr von dem Streit mitbekommt, als ihm lieb ist: André Niedermann, 52 Jahre alt, Glatze und Ostschweizer Dialekt, ist der neue Pächter auf der «Bergsonne», die er Mitte 2022 übernommen hat: «Natürlich leiden wir unter der Auseinandersetzung», sagt Niedermann im Gastraum des Hotels, das er sanft renoviert, dessen Zimmer erneuert und dessen Betrieb er umgestellt hat.

André Niedermann, der neue Pächter der «Bergsonne», auf der Terrasse des 1933 erbauten Hauses. (Bild: kük)

Trotz der Neuerungen haftet dem Haus der Ruf des Klanghotels an. Für Niedermann ist das ein Problem. Zwar sind die Zeiten längst vorbei, in denen die Musikstudenten jeden Abend Konzerte gaben, nachdem sie tagsüber im Hotel gearbeitet hatten: «Nur kann ich das nicht richtig kommunizieren», sagt Niedermann. Denn er habe keinen Zugang zur ursprünglichen «Bergsonne»-Website oder zu den Social-Media-Kanälen.

Tatsächlich: Noch heute sind auf der Facebookseite «Hotel Bergsonne» Telefonnummer und Website hinterlegt, die erst vom langjährigen Inhaberpaar und anschliessend vom Klanghotel genutzt wurden. Und die Domain www.bergsonne.ch war sicher bis Anfang März auf Urban Frye registriert. Das zeigt ein Auskunftsgesuch bei Switch, jener Organisation, die in der Schweiz die Vergabe von Domains verantwortet.

Niedermann muss Gäste enttäuschen

Auf der Rigi erzählt André Niedermann von Hotelgästen, die wegen der Google-Rezensionen über das Klanghotel kamen und enttäuscht hören mussten, dass es keine Konzerte mehr gibt: «Ich hätte mir eine saubere Übergabe gewünscht. Aber das war nicht möglich.» Dem neuen Hotelier zufolge weigert sich Vorpächter Frye, die Zugangsdaten herauszugeben.

Ob Frye das überhaupt hätte tun müssen, ist fraglich; Niedermann zufolge habe es keine Vereinbarung in dieser Richtung gegeben. Viel wichtiger aber ist ohnehin: Niedermann konnte mit Frye offenbar nicht einmal richtig in Kontakt treten, da sich dieser vom Ort distanziert hat, der vor nicht allzu langer Zeit eines seiner Herzensprojekte beherbergte.

Die Episode um die Website zeigt also, wie sich ein Streit auf die Gegenwart auswirkt, der bereits im Frühling 2020 seinen Anfang genommen haben dürfte. Damals reichte Frye die Kündigung für den Pachtvertrag per 31. Oktober 2020 ein, zog diese später aber wieder zurück. Grund laut dem Kündigungsschreiben, das zentralplus vorliegt: «erhebliche Mängel an der Mietsache, die einen ordentlichen Betrieb verunmöglichen».

Auf der Rigi funktionierte es je länger, je weniger

In den etwa zwei Jahren, in denen der Pachtvertrag lief, waren Mängel wiederkehrendes Thema. Das zeigen Unterlagen, die zentralplus von verschiedenen Parteien erhalten hat. Da gemäss den Luzerner Gerichten aber kein Urteil in einem Zivilprozess vorliegt und die Schlichtungsstelle Miete und Pacht erst vor kurzem ein erneutes Schlichtungsgesuch erhalten hat, ist aus der Ferne weder möglich noch wichtig, zu beurteilen, wer die Verantwortung trägt. Auch zeigten die Unterlagen nicht abschliessend, wer sich mutmasslich falsch verhalten haben könnte. Sie machten aber deutlich: Auf der Rigi brannte der Baum. Die Frage war: Wieso?

zentralplus sammelte über Wochen hinweg Unterlagen, verifizierte Fakten bei Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, sprach mit Betroffenen, Beteiligten und Beobachtern. Nach und nach fügte sich ein Bild zusammen, das nahelegte: Auf der Rigi könnten verschiedene Ansichten und Charaktere aufeinandergetroffen sein, die je länger, je weniger miteinander vereinbar waren.

Die Abklärungen zeigten aber vor allem, dass sich der Konflikt auf Unbeteiligte auswirkt. Und sie produzierten zusätzliche Fragen, die ein Mann beantworten musste, der lange schweigen sollte: Urban Frye.

Frye schwieg

Am 7. März, zwei Wochen vor Erscheinen des LZ-Artikels, kontaktierte zentralplus Frye zum ersten Mal mit Fragen zum Klanghotel. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der 61-Jährige mit einer Lieferung Hilfsgüter in der Ukraine (zentralplus berichtete) und machte klar, im Kriegsgebiet kein Telefoninterview führen zu können. In den folgenden Tagen ergab sich ein unregelmässiges Hin und Her zwischen Frye und der Redaktion. Frye verlangte die Fragen schriftlich und stellte eine Antwort in Aussicht, meldete sich dann bei der Redaktionsleitung und unterstellte zentralplus, nicht an einer fairen Berichterstattung interessiert zu sein. Offenbar veranlassten einige der Fragen Frye zur Befürchtung, zentralplus könnte ihm öffentlich etwas Unwahres vorwerfen – was wir nicht getan hätten.

In der Folge passierten zwei Dinge: Frye mandatierte einen Anwalt und Mediator, der am 13. März ein Gespräch mit Frye anbot – für den Nachmittag des 21. März. Und in der «Luzerner Zeitung» erschien ein Artikel über den Streit auf der Rigi. Am 21. März, dem Tag, für den zentralplus über eine Woche zuvor zum Gespräch aufgeboten worden war.

Während des Gesprächs, abgehalten in einer Anwaltskanzlei an der Weggigasse in der Luzerner Altstadt, redet fast ausschliesslich Frye. Er tut das über eine Stunde lang. Der 61-Jährige wiederholt vieles von dem, was gleichentags in der Zeitung zu lesen war, wirft immer wieder Dokumente zum Reporter auf der anderen Seite des Tisches und gewährt Einsicht in weitere Unterlagen, um seine Aussagen zu untermauern.

Kommunikation vor den Wahlen

Am Ende des Treffens hat sich der Eindruck verfestigt, dass Frye erstens umfassend informieren und zweitens den Zeitpunkt selber bestimmen wollte, an dem der Streit um das Klanghotel bekannt wurde. Und zwar vor dem 2. April, um sich danach nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, die Wahlen abgewartet zu haben. Daneben kommt man zum Schluss, dass Frye weder Anlass noch Verpflichtung sieht, André Niedermann etwa die Domain des Hotels zu übergeben, die aktuell ins Nirgendwo führt.

Das Thema kam am Treffen zur Sprache, eine schriftliche Nachfrage zur Konkretisierung liess Frye indes unbeantwortet. Ebenso äusserte er sich nicht dazu, ob das Treffen mit zentralplus später angesetzt wurde, um anderen Medien einen Vorteil zu verschaffen. Mit einem solchen Vorgehen könnte sich bekanntlich ein Goodwill in der Berichterstattung erreichen lassen. Dass die Anfrage von zentralplus nichts mit dem Zeitpunkt der Kommunikation zu tun hatte – auf diesen Standpunkt stellte sich Frye im Gespräch in der Anwaltskanzlei.

Niedermann hofft

Rigi Kaltbad am 3. März. André Niedermann hofft seit Monaten, den Nimbus des Klanghotels zu vertreiben. Statt Gäste darüber hinwegzutrösten, dass sie kein Konzert zu hören bekommen werden, möchte er sie mit der neuen «Bergsonne» überzeugen. «Ideen sind genug da», sagt Niedermann, der etwa plant, Kochduelle auf der Rigi zu veranstalten und die «Bergsonne» als Event-Hotel zu etablieren.

Bis dahin dürfte viel Arbeit warten. Als sich Niedermann für ein Bild aufstellt, kommt vom Weg unterhalb des Hotels ein «Grüezi». Ein Wanderer fragt, ob das Restaurant offen hat: «Ich war ein, zwei Mal hier, als es noch ein Klanghotel war. Das war fantastisch. Aber das gibt es nicht mehr, oder?» «Nein, ich bin der neue Betreiber», entgegnet Niedermann, erzählt, dass man das Hotel umgebaut habe, und fragt, ob der Herr gerne die neuen Zimmer sehen möchte. «Also, wenn Sie so fragen, ja, sehr gerne.» «Gut, ich hole sofort jemanden, der Ihnen das Hotel zeigt.»

Und so geben sie sich auf der Rigi alle Mühe, die neue «Bergsonne» zu präsentieren – und die alte vergessen zu machen.

Verwendete Quellen
  • Augenschein auf Rigi Kaltbad am 3. März 2023
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
  • «Kulturplatz» vom 11. November 2020
  • Gespräch und schriftlicher Austausch mit André Niedermann
  • Website www.bergsonne.ch (aktuelle und Archivversion)
  • Auskunft zum Domaininhaber von www.bergsonne.ch von Switch
  • Verschiedene Unterlagen, welche die Geschehnisse um das Klanghotel belegen
  • Gespräche mit mehreren Personen, die im Artikel weder zitiert noch namentlich genannt werden
  • Gespräch mit Urban Frye vom 21. März 2023
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